Fabio Castrovillari, Head der Neuberger Berman Client Group Switzerland Neuberger Berman ist seit der grossen Finanzkrise wieder unabhängig. Der Schweizer Länderchef Fabio Castrovillari spricht im Interview über die Wachstumsstory, die Bedeutung der Schweiz für den Investmentmanager und das Anlageverhalten seiner Kunden.Herr Castrovillari, welche Rolle spielt der Schweizer Markt für Neuberger Berman? Fabio Castrovillari: Der Markt in der Schweiz ist sehr relevant für uns. Vor zehn Jahren war die Schweiz die erste Wieder-Vertretung in Europa nach unserem Management Buyout im Jahr 2009. Wir sind in zehn Jahren von 20 auf ca. 100 Kunden gewachsen. Das Geschäft teilt sich in ca. 60 Prozent Banken und 40 Prozent Institutionelle auf.Wie ist der Management Buyout zustande gekommen?Es
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Neuberger Berman ist seit der grossen Finanzkrise wieder unabhängig. Der Schweizer Länderchef Fabio Castrovillari spricht im Interview über die Wachstumsstory, die Bedeutung der Schweiz für den Investmentmanager und das Anlageverhalten seiner Kunden.
Herr Castrovillari, welche Rolle spielt der Schweizer Markt für Neuberger Berman?
Fabio Castrovillari: Der Markt in der Schweiz ist sehr relevant für uns. Vor zehn Jahren war die Schweiz die erste Wieder-Vertretung in Europa nach unserem Management Buyout im Jahr 2009. Wir sind in zehn Jahren von 20 auf ca. 100 Kunden gewachsen. Das Geschäft teilt sich in ca. 60 Prozent Banken und 40 Prozent Institutionelle auf.
Wie ist der Management Buyout zustande gekommen?
Es war ein Rückkauf von Neuberger Berman aus der insolventen Investmentbank Lehman Brothers durch das Management und Beschäftigte. Dadurch sind wir wieder unabhängig geworden, nachdem Lehman Brothers Neuberger Berman 2003 übernommen hatte. Dieses Jahr konnten wir unser zehnjähriges Jubiläum des Management Buyouts feiern, und gleichzeitig ist Neuberger Berman 80 Jahre alt geworden. Die Firma wurde 1939 von Roy Neuberger und Robert Berman gegründet. Heute sind wir 500 Partner an 35 Standorten weltweit, davon 16 in Europa. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 2200 Leute weltweit und verwaltet rund 340 Milliarden Dollar Vermögen.
Neuberger Berman gehört den Partnern. Welche Vorteile hat dieses Geschäftsmodell?
Unser langfristiger Approach ist ein klarer Vorteil. Natürlich ist es das primäre Ziel, für unsere Kunden Performance zu erwirtschaften, aber wir müssen nicht pro Quartal denken. Auch die Stabilität ist ein wichtiger Faktor: Wir haben auf der Investmentseite nur vier Prozent jährliche Fluktuation in der Belegschaft. Die Kunden schätzen es, wenn die Performance stimmt, eine Präsenz vor Ort da ist und die Portfoliomanager die gleichen bleiben. Zudem verfügen unsere derzeit 606 Investmentmanager über durchschnittlich 18 Jahre Erfahrung. Darüber hinaus offerieren wir nur Strategien und Lösungen, in die wir auch selber investiert sind. Damit sind wir im gleichen Boot wie unsere Kunden und wachsen mit ihrer Zufriedenheit.
Zurück zu Ihrer Präsenz in der Schweiz. Warum ist das Land ein wichtiger Standort?
Zum einen ist der institutionelle Markt und das Geschäft mit Intermediären in der Schweiz gross und wichtig. Zum anderen tragen wir für gewisse Grossunternehmen wie die Grossbanken hier die Hauptverantwortung für ihre globalen Beziehungen. Natürlich werden die international tätigen Unternehmen auch von den Kollegen an den verschiedenen Standorten betreut. Wir sind hier aber gewissermassen die Koordinationsstelle, die sicherstellen muss, dass die Lösungen passen.
Wie ist das Schweizer Team aufgestellt?
Unser Personalbestand in der Schweiz ist mit zehn Mitarbeitenden heute fünfmal grösser als vor zehn Jahren. Übrigens haben wir in den letzten 18 Monaten vier Mitarbeiterinnen eingestellt. Ich leite jetzt zudem die DACH-Region, für die wir auch ein Team in Deutschland haben. Wir wollen in der Lage sein, passende Strategien in der lokalen Sprache anzubieten.
Haben Sie Ausbaupläne?
Es bestehen definitiv Ausbaupläne in der Schweiz. Wenn es hier eine interessante Gelegenheit gibt, sind wir offen, das anzuschauen. Neuberger Berman konnte in den letzten Jahren auch in anderen Regionen verschiedene Investmentteams für sich gewinnen, wir profitieren hier auch von diesem Flow.
Wie hat sich das Anforderungsprofil an Sie und Ihr Team in den letzten Jahren gewandelt?
Die technischen Aspekte der Strategien sind sicherlich komplexer geworden, sei es im Bereich Private Equity, Quantitative Lösungen oder Fixed Income, aber auch auf der Kreditseite und auf der Zinsseite – und nicht zuletzt durch die seit der Finanzkrise stark verschärfte Regulierung.
Und auf der Kundenseite?
Das Reporting für die Kunden ist wichtiger und komplexer geworden, allein dafür haben wir ein weltweit tätiges Team von 100 Leuten. Auch die Spezialisierung der Kunden hat stark zugenommen. Ein Teil des Teams ist jeweils auf einen Bereich wie etwa Banken oder Pensionskassen oder Versicherungen spezialisiert. Früher war man mehr Generalist.
Was erwarten die Kunden?
Die Abdeckung ihrer Bedürfnisse nach Kundensegment und durch lokale Präsenz. Um ihnen hierzu regelmässig aktuelle Informationen bzw. Updates zu liefern, haben wir jede Woche Portfoliomanager aus verschiedensten Weltregionen hier. Die Kunden fragen auch immer öfter Mandate nach, sowohl Banken als auch Pensionskassen und Versicherungen. Wir stellen fest, dass wenn wir mit passenden Ideen kommen und risikoadjustierte Lösungen anbieten, sind die Banken offener für White Labelling.
Wie hat sich das Anlageverhalten der institutionellen Investoren in den letzten 20 Jahren und speziell auch in den letzten Jahren im Niedrig- und sogar Negativzinsumfeld verändert?
Ein Thema ist sicherlich die aktiv/passiv-Auswahl. Es gibt Marktphasen, in denen passive Produkte Vorteile haben, gerade in den globalen Aktienmärkten. Im aktiven Management – und wir sind ein rein aktiver Manager – konnten unsere Kunden in Märkten profitieren, die ein starkes Wachstum gesehen haben. So zum Beispiel bei Schwellenländer-Anleihen, aber auch auf der ganzen Emerging-Markets-Bandbreite mit Aktien, High Yield und Loans. Unser EM-Team verwaltet heute 25 Mia. Dollar, im High-Yield-Bereich liegen wir bei 40 Mia. Dollar.
Ziehen die Pensionskassen bei diesen Anlagen mit?
Viele Pensionskassen verwalten die lokalen Anleihen oder Aktien immer noch intern. Wir sehen im Bereich der liquiden Anlagen aber eine Tendenz weg von indexierten hin zu flexibleren Lösungen, wie etwa Multi-Sektor-Fixed-Income.
Sind illiquide Anlagen auch ein Thema?
Ja, auf der illiquiden Seite ist ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit im Bereich Private Markets, Private Equity, Private Debts. Wir haben ein Team mit 30-jähriger Erfahrung, verwalten über 80 Mia. Dollar mit ca. 200 Leuten. Hier sehen wir ein grosses Interesse, entweder für Standard-Fondslösungen, für neue Mandate oder Mandate, die Kunden mitbringen und die wir weiterbetreuen.
Sind die Kunden risikobereiter geworden?
Grundsätzlich macht Diversifikation sicher Sinn. Einige Pensionskassen sind bereits in Privatmarktanlagen investiert, einige starten erst jetzt. Aber es sind verhältnismässig immer noch relativ wenige, obwohl der Private-Equity-Index in den letzten Jahren die Märkte zwischen drei und sieben Prozent geschlagen hat. Wenn man das oberste Quartil anschaut, so lag die Outperformance sogar zwischen 13 und über 20 Prozent. Zum Beispiel ist mit Private Debt – das sind klassische Obligationenprodukte mit einem Anlagehorizont von vier bis sieben Jahren – die Liquidität zwar begrenzt, dafür hat man regelmässige Cashflows. Damit kann man auch in einem Tiefzinsumfeld sehr interessante Resultate erreichen.
Empfehlen Sie PKs mehr illiquide Anlagen?
Wichtig ist, dass eine Pensionskasse weiss, was ihre Verpflichtungen sind. PKs sind heutzutage auch viel transparenter und kostenorientierter als früher. Gerade die Anreize auf der Private-Equity-Seite sind sehr interessant. Wir versuchen auch, die Kostenstruktur nach den OAK/BV-Richtlinien transparent zu gestalten und nicht zuletzt auch gewisse Ängste und Klischees über Privatmarktanlagen abzubauen. Hier sehen wir also weiterhin Potenzial in der Schweiz.
ESG-Kriterien spielen eine zunehmend grössere Rolle im Anlageuniversum. Wie erleben Sie das Interesse an Anlagemöglichkeiten und das Fachwissen auf der Kundenseite?
Das Interesse an ESG-Anlagen, welche die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung berücksichtigen, entwickelt sich stark.
Die Nachfrage nach ESG-Strategien hat sich in den letzten 5 Jahren in den USA verdoppelt auf 30 Prozent. In EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika) sind sie sogar von einem Drittel auf 50 Prozent angestiegen, ebenso in der Schweiz.
Wie nachhaltig ist Neuberger Berman ausgerichtet?
Alle unsere Aktivitäten haben einen ESG-Fokus. Auch bei alternativen Anlagen haben wir einen ESG-Filter, und wir haben bei unseren Kundenmandaten einen ausgeprägten Impact-Ansatz. Vor einigen Jahren haben wir den ausgezeichneten Nachhaltigkeitsspezialisten Jonathan Bailey engagiert, der unter anderem auch mit Al Gore bei Generation zusammengearbeitet hat. Neuberger Berman erhielt im Bewertungsbericht der UN-unterstützten Principles for Responsible Investment (PRI) über die ESG-Integrationsbemühungen zum Jahresende 2018 Spitzenwerte in allen Kategorien. Wir konnten unsere Ergebnisse in den letzten Jahren deutlich verbessern, vor allem in den Bereichen Fixed Income (Corporate Non-Financial) und Private Equity. In diesem Jahr verbesserte sich unser Score auf A+ für unseren Ansatz für Active Ownership in Listed Equity – das ist eine Auszeichnung, die nur 13% der Vermögensverwalter mit über 50 Mia. US-Dollar in AUM erhielten. (Quelle: Principles for Responsible Investment (PRI). In der Schweiz gibt es 15 institutionelle Investoren, die die von der UNO unterstützten Principles for Responsible Investment (PRI) unterzeichnet haben.
Wie steht es mit der Transparenz der ESG-Integration?
Gerade bei massgeschneiderten Lösungen wird von den Kunden Transparenz verlangt. Dabei ist insbesondere das Reporting sehr wichtig. ESG ist ein Hauptfokus, um für unsere Kunden mit einem nachhaltigen Ansatz Erträge zu generieren. Wir sehen die ESG-Faktoren auch als Hilfe, um die Umweltrisiken wie den Klimawandel besser in den Griff zu bekommen. Auch an unserer 10. Konferenz in Zürich nächstes Jahr wird das Thema im Fokus stehen.
Wie unterscheiden sich institutionelle Investoren in ihrem Anlageverhalten in Bezug auf nachhaltige Investments?
Family Offices sind mehr auf Impact Investing und direkte Transaktionen fokussiert, weniger auf Fondslösungen. Gleichzeitig sind diese Familien selber tätig mit verschiedenen philanthropischen Aktivitäten. Pensionskassen und Versicherungen sind sicherlich stark fokussiert auf Klimawandel. Sie suchen vermehrt nach diversifizierten Lösungen, aber auch mit einem starken ESG-Approach.
Was sind neben ESG-Anlagen aus Ihrer Sicht die massgebenden Anlagetrends der nächsten Jahre?
Privatmarktanlagen werden weiterhin im Trend sein. Generell sehen wir erfolgversprechende Opportunitäten in liquiden Bereichen mit einem flexiblen, dynamischen Ansatz wie im Multi-Sector Fixed Income. Das beinhaltet alles von Investment-Grade- und Non-Investment-Grade-Anleihen bis hin zu Asset-Backed Securities (ABS), also verzinslichen Wertpapieren, die mit Forderungen besichert sind. Die Aktienmärkte könnten auch interessante Gelegenheiten bieten – und wenig korrelierte Lösungen wie Hedge Funds. Diversifikation wird wichtig sein ebenso wie Flexibilität inklusive illiquide Lösungen, insbesondere weil wir zwar noch nicht am Ende des Zyklus sind, aber uns sicherlich in einer späten Phase befinden und die Volatilität an den Märkten zunehmen könnte.
Zur Person
Fabio L. Castrovillari, Managing Director, ist Head der Neuberger Berman Client Group Switzerland und verantwortlich für das Geschäft mit institutionellen Kunden und Intermediären. Davor war er Managing Director bei Lehman Brothers Zürich, wo er zuletzt das Multi Asset Class Sales Team (Fixed Income Securities und Alternative Investment Funds) leitete und davor für den Fixed Income Sales Switzerland verantwortlich zeichnete. Vor seiner Zeit bei Lehman Brothers arbeitete Fabio Castrovillari während sieben Jahren bei der UBS Investment Bank in New York, Zürich und Genf als Senior im Vertrieb Fixed Income.