Lawler Anthony, Co-Head von GAM Systematic Die Bewertungen an den Aktien- als auch an den Anleihenmärkten erscheinen zunehmend angespannt. Anthony Lawler, Co-Head von GAM Systematic erklärt, wie Investoren mit einem uneingeschränkten Anlageansatz ihre Portfolios in einem solchen Umfeld effizient diversifizieren können. Herr Lawler, wie würden Sie eine Strategie mit uneingeschränktem Anlageansatz beschreiben? Anthony Lawler: Es wird oft gesagt, dass Manager, die keinen Beschränkungen unterliegen, in der Lage sind, einen "go anywhere"-Ansatz zu verfolgen, der sich von traditionelleren "naiven" Strategien unterscheidet, die durch eine enge Angleichung an einen Referenzindex stark eingeschränkt sind. Uneingeschränkt
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Die Bewertungen an den Aktien- als auch an den Anleihenmärkten erscheinen zunehmend angespannt. Anthony Lawler, Co-Head von GAM Systematic erklärt, wie Investoren mit einem uneingeschränkten Anlageansatz ihre Portfolios in einem solchen Umfeld effizient diversifizieren können.
Herr Lawler, wie würden Sie eine Strategie mit uneingeschränktem Anlageansatz beschreiben?
Anthony Lawler: Es wird oft gesagt, dass Manager, die keinen Beschränkungen unterliegen, in der Lage sind, einen "go anywhere"-Ansatz zu verfolgen, der sich von traditionelleren "naiven" Strategien unterscheidet, die durch eine enge Angleichung an einen Referenzindex stark eingeschränkt sind. Uneingeschränkt bedeutet jedoch nicht undiszipliniert – der Anlageprozess wird in der Regel selbst bei diskretionären Portfoliomanagern durch regelbasierte Methoden unterstützt.
Diese positive Differenz kann durch systematische Handelsprogramme noch verstärkt werden, die über ein breites Spektrum von Anlageklassen und Risiken hinaus Überrenditen anstreben und sowohl Long- als auch Short-Positionen eingehen können. Da systematische Portfolios breiter diversifiziert sind, bieten sie im Falle eines anhaltenden Ausverkaufs in der Regel ein ausgeglicheneres Renditeprofil und einen höheren Schutz vor Verlusten.
Können Sie die Bedeutung der Preisstreuung bei Vermögenswerten erklären?
Simpel ausgedrückt hilft die Streuung der Ergebnisse, Anlagechancen zu schaffen. Die Streuung findet statt, wenn sich die Preise der verschiedenen Vermögenswerte unterschiedlich bewegen und nicht nur wie bei den Gezeiten zusammen steigen oder fallen. Es ist ein Phänomen, welches in den letzten zehn Jahren und bis vor kurzem eher selten auftrat. Daher haben sich passive Strategien in den letzten Jahren gut entwickelt, da die Liquidität, die durch die quantitative Lockerung der Zentralbanken bereitgestellt wurde, eine steigende Flut hervorrief, die quasi alle Boote mit nach oben zog. Da sich die Vermögenswerte grösstenteils im Gleichschritt bewegten, mussten die Anleger nichts weiter tun, als "den Markt zu kaufen" und darauf zu vertrauen, dass die Preise weiter steigen würden.
Nun treten wir aber in ein viel interessanteres Umfeld für Strategien mit uneingeschränkten Anlageansätzen ein, wobei sich in den USA, Europa und Japan Unterschiede und Divergenzen in der geldpolitischen Ausrichtung zeigen. Dies gilt auch für das Wirtschaftswachstum und die Inflation. Unterschiede und Fundamentaldaten nehmen wieder in ihrer Bedeutsamkeit zu – dies führt zu einer grösseren Preisstreuung und schafft somit mehr Anlagemöglichkeiten.
Die Märkte haben sich seit 2008 deutlich erholt. Das heutige Preisniveau ist hoch und die Streuung zwischen und innerhalb der Anlageklassen scheint wieder zu steigen. Wie reagieren die Anleger auf diese Veränderung des Marktumfelds?
Wir stellen fest, dass Anleger allmählich realisieren, dass aktuell das Pricing bei Aktien und Risikoanlagen generell beinahe perfekt ist – dies bei einem kontinuierlich stabilen Wirtschaftswachstum ohne grössere vorhersehbare Unterbrechungen. Diese Ansicht könnte sich durchaus als gewinnträchtig erweisen, birgt jedoch gleichzeitig das Risiko, dass sich das Wachstum aus einem von vielen Gründen verlangsamt, zum Beispiel aufgrund von Handelsprotektionismus, Lohninflation oder politischen Risiken.
Es gibt eine klare Zurückhaltung, die heute im Allgemeinen gegen die Vergrösserung des Aktienrisikos im Portfoliokontext spricht. Gleichzeitig ist es für Anleger schwierig geworden, einen allzu optimistischen Ausblick für Anleihen zu haben, es sei denn, sie gehen davon aus, dass die Zinsen auf -4% oder -5% fallen werden. Es ist fast schon eine mathematische Gewissheit, dass Anleger in Zukunft weniger Renditen mit ihren Anleihen erzielen werden, als sie es sich in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren.
Anleger sehen Aktien wie auch Anleihen derzeit als relativ hoch bewertet respektive teuer an. Dies unterstreicht das Bedürfnis der Anleger nach einer Diversifizierung der Renditetreiber. Ein diversifiziertes systematisches Makroprogramm oder ein unbeschränkter Multi-Asset-Ansatz kann ein traditionelles Aktienportfolio ergänzen, während alternative Risikoprämienstrategien in der Regel stetige, inkrementelle Renditen bieten. Damit stellen diese eine attraktive Quelle für einen "Anleihenersatz" dar, ähneln jedoch Unternehmensanleihen stärker als Staatsanleihen. Es ist keine Überraschung, dass solche Ansätze in diesem Umfeld rasch an Popularität gewonnen haben.
Warum ergänzen sich systematische und diskretionäre Strategien im Portfolio?
Diskretionäre Strategien zeichnen sich in der Regel durch eine relativ kleine Anzahl von Positionen aus, von denen jede einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtperformance des Portfolios haben kann – dies gilt insbesondere für diskretionäre Manager, die einen wirklich uneingeschränkten Anlageansatz verfolgen. Im Gegensatz dazu investieren systematische Programme in der Regel in eine grössere Anzahl von Positionen, Anlageklassen und Gelegenheiten, bei denen die Recherche einen statistischen Vorteil festgestellt hat. Da die Ertragsquellen divergenter sind, weist das Leistungsprofil eines systematischen Handelsprogramms oft eine geringe Korrelation zu einer diskretionären Strategie auf und verbessert somit die Effizienz in einem Portfoliokontext. Stellen Sie sich das so vor: Der Mensch hat den Vorteil, eine oder ein paar wenige ausgezeichnete Ideen zu verfolgen, währenddessen ein systematisches Handelsprogramm den Vorteil hat, gleichzeitig hunderte von guten Ideen verfolgen zu können.
Ist die explosionsartige Entwicklung im Bereich von "Big Data" für systematische Anleger ein Fluch oder ein Segen?
Für einen systematischen oder regelbasierten Investmentmanager bilden Daten das Kernstück unseres Anlageprozesses und die treibende Kraft hinter all unseren Trades. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich mehr Daten nicht zwingend mit einem höheren Informationswert gleichsetzen lassen. Wir haben Zugang zu einer Vielzahl von Datenquellen. Diese reichen von Preisdaten über Fundamentaldaten bis hin zu neueren Datentypen wie Informationen darüber, welche Waren Unternehmen auf der ganzen Welt verschicken oder wie voll der Parkplatz eines bestimmten Einkaufszentrums ist. Für Makroinvestitionen können wir Satelliten- und Wetterdaten verwenden, um die Ernteerträge vorherzusagen oder den Strom- und Gasbedarf im jeweiligen Versorgungsnetz in Echtzeit verfolgen. Natürlich sind nicht alle Daten für Investitionen nützlich. Die wahre Kunst besteht jedoch darin, grosse Datenmengen gezielt durchsuchen zu können, um den richtigen Signalwert zu finden und dann damit auf die richtigen Märkte zu setzen, um unseren Informationsvorsprung für unsere Kunden zu nutzen.
Wie viele öffentliche Unternehmen analysieren Sie bezüglich ihrer Performance?
In unseren Multi-Asset-Portfolios betrachten wir die liquiden Anlageklassen Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Währungen. In unserem globalen Aktienportfolio betrachten wir weltweit rund 15'000 Aktien, und unser Anlageuniversum umfasst rund 3'000 Aktien. Wir haben eine Reihe von Qualitäts- und Wertindikatoren, die aus Finanzberichten erstellt werden. Technische oder preisbasierte Daten werden genutzt, um das Momentum, die Sektorrotationen und geringe Risikoeffekte zu ermitteln, während wir neuere Datentypen verwenden, um den Signalwert von Prognosen und Nachrichten von Sell-Side-Analysten zu bewerten. Die Verbindung von Big Data mit unseren ausgefeilten Analysetools – oft als maschinelles Lernen bezeichnet – bedeutet, dass wir anstatt auf Dutzende von Aktien, in die ein typischer diskretionärer Investmentmanager investieren könnte, einen anlagerelevanten Blick auf Tausende von Aktien erlangen können.
Wie wird das Risiko in Ihren systematischen Programmen gesteuert?
Das Risikomanagement ist ein zentraler Teil unserer Prozesse und ist mehrdimensional. Wir kontrollieren das Risiko bezüglich den üblichen Aspekten wie Unternehmensrisiken, sektor- und länderspezifischen Risiken, jedoch auch bezüglich Faktoren, Handelskosten und Krisenszenarien. Eine offensichtliche Stärke des systematischen Ansatzes besteht darin, dass ein Handelsprogramm seine Meinung im Eifer des Gefechts niemals ändern wird. Dadurch wird das Verhaltensrisiko reduziert oder sogar komplett aufgehoben.