Cash: Herr Erfurt, wieso war für Meyer Burger mit dem alten Geschäftsmodell als Zulieferer der Solarindustrie trotz führender Technologie kein Geld zu verdienen? Gunter Erfurt: Grundsätzlich befindet sich die Zuliefererindustrie in der Photovoltaik in einer ungünstigen Position in der gesamten Lieferkette. Die Maschinen samt deren zugrunde liegenden Technologien werden ja nicht von den Herstellern der Solarzellen entwickelt, sondern von der Maschinenbauindustrie – also bis zuletzt insbesondere von uns, Meyer Burger. Um uns in diesem Segment einen Vorsprung zu erarbeiten, haben wir jahrelang massiv in neue Technologien investiert. Das Problem: Der Markt… …also die Produzenten der Solarmodule. ....goutiert diese Entwicklungen nicht in dem Masse, dass es sich kommerziell auszahlt. Ich gebe
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cash: Herr Erfurt, wieso war für Meyer Burger mit dem alten Geschäftsmodell als Zulieferer der Solarindustrie trotz führender Technologie kein Geld zu verdienen?
Gunter Erfurt: Grundsätzlich befindet sich die Zuliefererindustrie in der Photovoltaik in einer ungünstigen Position in der gesamten Lieferkette. Die Maschinen samt deren zugrunde liegenden Technologien werden ja nicht von den Herstellern der Solarzellen entwickelt, sondern von der Maschinenbauindustrie – also bis zuletzt insbesondere von uns, Meyer Burger. Um uns in diesem Segment einen Vorsprung zu erarbeiten, haben wir jahrelang massiv in neue Technologien investiert. Das Problem: Der Markt…
…also die Produzenten der Solarmodule.
....goutiert diese Entwicklungen nicht in dem Masse, dass es sich kommerziell auszahlt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei der Drahtsäge von Meyer Burger gab es ein sehr erfolgreiches Modell, welches wir anfangs für einen Listenpreis von einer Million Euro ausgegeben hatten. Dieses Model haben wir weiterentwickelt, dass es zuletzt die siebenfache Produktionsleistung für den Nutzer bringen konnte. Doch der Preis schrumpfte auf unter 400'000 Franken. Das zeigt: Der Markt ist nicht bereit, für entsprechenden technologischen Fortschritt des Maschinenbaus zu bezahlen.
Warum nicht?
In der Photovoltaik hat sich eine Obsession breitgemacht, Anlagentechnik möglichst billig einzukaufen. Als Maschinenbauer, sprich Zulieferer, ist man abhängig davon, dass die Kunden das Produkt abnehmen. Bei unseren vorwiegend chinesischen Kunden konnten wir nicht viel gegen diesen Preisdruck nach unten tun. Doch der eigentliche Wert unserer Technologie landet letzten Endes im Solarmodul. Damit lässt sich Geld verdienen. Dadurch, dass wir die Technologie zukünftig nur noch für uns selbst nutzen werden und damit selbst zum Hersteller werden, können wir dieses Dilemma zukünftig umgehen.
Sie sprechen von der Heterojunction-Technologie (HJT), quasi dem neuen Steckenpferd von Meyer Burger, auf das Sie jetzt voll setzen. Manche sprechen davon, dass sie – im übertragenen Sinne – damit im exklusiven Besitz der 5G-Technolgie sind, während alle anderen noch 4G nutzen. Warum ist HJT das 5G der Solar-Technologie?
Weil es die Performance der Solaranlagen enorm steigert. Vor allem zwei Gründe sprechen für unsere Technologie: HJT bringt etwa 20 Prozent mehr Energie-Ertrag auf der gleichen Fläche. Das ist der aktuelle Stand, künftig sollen es noch mehr werden. Dadurch verringern sich die Stromgestehungskosten, also die Kosten pro Kilowattstunde Solarenergie insgesamt deutlich. Zweitens ist die alte PERC-Technologie, die in Ihrem Beispiel die 4G-Technolgie darstellt und heute die Photovoltaik dominiert, an das Ende ihrer Möglichkeiten geraten.
Wieso das?
Sie kann kaum noch weitere Performancevorteile ermöglichen. Mit unserer Heterojunction-Technologie hingegen stehen wir erst am Beginn eines neuen Technologiezyklus, der uns noch weitere Möglichkeiten bietet. Wir haben vor, die Energie-Effizienz in den nächsten Jahren schrittweise weiter zu steigern.
Kurz zum Verständnis: Sie haben umfassende Patente auf ihre Heterojunction-Technologie. Bis zuletzt verkauften Sie allerdings Maschinen mit dieser Technologie an Kunden. Das heisst, ihre Technologie ist durchaus im Umlauf?
In der Form, in der wir sie in unserer eigenen Fertigung einbringen werden, wird sie noch nicht im Markt genutzt - mit einer Ausnahme. Die REC-Gruppe in Singapur betreibt eine von uns ausgerüstete Heterojunction-Fertigungslinie. Alle anderen Installationen, die es auf dem Markt gibt, sind reine Zelllinien. Die sind leistungstechnisch aber nicht mit unseren geplanten Fertigungslinien vergleichbar. Hinzu kommt: Wir verabschieden uns ja mit unserer strategischen Neuausrichtung von Märkten, wo die unerlaubte Nutzung unserer Technologie problematisch werden könnte.
Das heisst?
Bisher war die Kundschaft von Meyer Burger in Asien, vorrangig in China. Wie schwierig es ist, in China seine Schutzrechte einzuklagen, hat sicher nicht nur Meyer Burger am eigenen Leib erfahren müssen.
Offenbar ein schwieriges Unterfangen.
Es ist für westliche Marktteilnehmer faktisch unmöglich. Am Ende wird immer im chinesischen Interesse entschieden. Doch mit unserer Neuausrichtung haben sich auch unsere Zielmärkte verschoben. Unsere Zukunft liegt in der Schweiz, in Deutschland, in Europa insgesamt oder auch in Nordamerika, in Australien oder in Japan. Dort haben unsere Schutzrechte auch Gültigkeit – und zwar nicht nur auf Prozesse und Maschinen, sondern auch auf das Solarmodul als Endprodukt.
Sie sehen ihre HJ-Technologie also ausreichend geschützt?
Ja, alleine schon deswegen, weil wir unsere Technologie als Hersteller zukünftig auch nicht mehr an Dritte ausliefern werden, so wie wir es als Zulieferer tun mussten. In der Vergangenheit haben wir ja nicht einfach nur eine Maschine geliefert, sondern eben auch die ihr zugrunde liegende Technologie. Vor allem in China haben wir gesehen, wozu das führt. China ist deswegen in der Photovoltaik so gross geworden, weil wir Europäer es ihnen erlaubt haben. Wir haben ihnen Technologie und Prozesse geliefert – letzten Endes zu unserem eigenen Verderben. Dadurch, dass wir unsere neueste Technologie nicht mehr an Dritte herausgeben, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass der Markt einfach so an Wissen kommt und unerlaubt nutzt, welches wir uns jahrelang hart erarbeitet haben.
Sie wollen 2021 mit der Produktion der Solarzellen und -modulen in Deutschland starten, mit einer Anfangskapazität von zunächst 400 Megawatt. 2022 sollen es bereits 1,4 Gigawatt (GW) Zell- und 0,8 Gigawatt Modulproduktion sein. Ab dann erwarten Sie eine operative Marge von 25-30 Prozent. Das klingt ambitioniert.
Uns ist es gelungen, in zwölf Jahren harter Entwicklungsarbeit eine Produktionstechnologie aufzubauen, die letztlich Solarmodule mit höchster Effizienz und Energieausbeute bietet - und das zu wettbewerbsfähigen Kosten. Es ist in der Historie der Photovoltaik immer so gewesen, dass der Markt bereit ist, mehr zu zahlen, wenn die bessere Performance stimmt und die Langlebigkeit der Solarmodule höher ist und sich von Standardprodukten abgrenzt.
Schaut man sich die Margen Ihrer Konkurrenten in der Solarindustrie an, zeigt sich kein gutes Bild.
Das hat einen Grund. Heute ist es praktisch egal, von welchem asiatischen Hersteller Sie Module kaufen, Ihnen wird immer das gleiche Mainstream-Produkt verkauft, welches auf der alten PERC-Technologie beruht. Die Hersteller liefern alle in etwa dieselbe Performance. Die Hersteller können sich deshalb nur noch über den Preis differenzieren, was die Margen massiv drückt. Unsere patentierte Technologie grenzt sich heute schon nicht nur deutlich davon ab, sondern wir werden die Performance unserer Technologie auch noch weiter steigern können.
Für die Finanzierung der ab 2022 stattfinden 1,4 Gigawatt Zell- und 0,8 Gigawatt Modulproduktion, die ihnen Gewinne einbringen soll, benötigen Sie noch 180 Millionen Franken an Fremdkapital. Wie weit sind Sie da?
Zu Details kann ich mich nicht äussern. Wie bereits kommuniziert, befinden wir uns in Gesprächen und arbeiten mit Hochdruck daran, die Fremdkapitalfinanzierung unter Dach und Fach zu bringen. Verständlicherweise wollen Geldgeber möglichst Sicherheit. Spätestens mit der Startproduktion von 0,4 GW werden wir den Beweis erbringen, dass das Geschäftsmodell funktioniert und auf dessen Basis die Fremdkapitalfinanzierung erzielen.
Als Produzent haben sie künftig andere Zielmärkte und -segmente als zu Zeiten als Zulieferer. Eine Herausforderung?
Es ist eine Herausforderung, aber kein strategischer Stolperstein. Im Hausdachsegment verkaufen die Modulhersteller ja üblicherweise nicht direkt an den Endkunden, sondern zum Beispiel an Grosshändler. Deren Anzahl in Europa ist durchaus überschaubar. Wir haben bereits schriftliche Kaufabsichtserklärungen. Diese sind zwar nicht bindend, aber sie zeigen Vertrauen in unsere Technologie und vor allem grosses Interesse an unserem Produkt. Wir sprechen bei den Kaufabsichtserklärungen von einer Grössenordnung von mehr als 2 GW Abnahme pro Jahr. Natürlich ist es kein Spaziergang, die Vertriebswege komplett neu aufzubauen, aber absolut machbar.
Was spricht allgemein für Photovoltaik als Wachstumsmarkt?
Wenn es auf der Welt eines gibt, über das Einigkeit herrscht, ist es die Gewissheit, dass der Photovoltaik die Zukunft im Energiebereich gehört. Selbst die eher konservative Internationale Energieagentur (IEA) bezeichnet Solar als "neuen König" der Elektrizität. Die Solarenergie ist heute schon die kostengünstigste Alternative zu den kursierenden Energien wie zum Beispiel Kohle, Erdöl oder Atomenergie, um Elektroenergie zu erzeugen. Dabei steckt die Photovoltaik selbst nach 20 Jahren noch immer in den Kinderschuhen und hat daher noch grosses Potential für die weitere Senkung der Kosten für Solarenergie.
Was ist ihre Prognose für die Branche?
Die Photovoltaik wird sich innerhalb der nächsten zehn Jahren zur bedeutendsten Energiequelle auf diesem Planeten entwickeln. Das Wachstum wird gewaltig sein. Wir werden heute dominierende Energieträger austauschen müssen und der Bedarf an Elektroenergie wird steigen, Stichwort Elektromobilität. Die elektrische Energie wird man künftig nicht mehr aus Braunkohle oder Kernenergie gewinnen - aus Klimagründen, aber vor allem auch aus Kostengründen. China hat das vor zehn Jahren schon erkannt und die Weichen industriepolitisch gestellt. In Europa müssen wir uns schon fragen: Wie konnten es die Politik aber auch Unternehmen zulassen, dass der wichtigste Energieträger der Zukunft nicht mehr in Europa kontrolliert wird.
Gunter Erfurt ist seit April 2020 CEO von Meyer Burger. Unter seiner leitung wurde im Juli 2020 die strategische Neuausrichtung von Meyer Burger vom Maschinenbauer hin zu einem Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen verkündet. Erfurt stiess 2015 zu Meyer Burger und rückte 2017 in die Geschäftsleitung. Davor war in führender Funktion beim ehemaligen deutschen Solar-Hersteller Solarworld tätig. |