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Wie können die Klimaziele von Paris erreicht werden?

Summary:
Die Klimakonferenz in Glasgow muss die Anstrengungen der Länder zur Begrenzung der globalen Erwärmung beschleunigen: Die bisherigen Pläne und die tatsächlichen Aktivitäten ergeben eine Erwärmung um 3 Grad. Die Kosten der Untätigkeit sind hoch, Methoden zur starken Reduktion der Emissionen wären vorhanden, Synergien müssen genutzt werden. Wenn sich Anfang November die Signatarländer von Paris zu einer Bestandsaufnahme in Glasgow treffen, dann hat sich einiges geändert: Die Priorisierung des Klimawandel ist nicht mehr eine Frage des politischen Backgrounds, sondern sie hat Eingang in das Instrumentarium gefunden, das in einer Marktwirtschaft die Pareto-Effizienz herstellen kann. Die Internalisierung externer Effekte im Umweltbereich wurde vielleicht zu zaghaft angewendet, aber sie

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Die Klimakonferenz in Glasgow muss die Anstrengungen der Länder zur Begrenzung der globalen Erwärmung beschleunigen: Die bisherigen Pläne und die tatsächlichen Aktivitäten ergeben eine Erwärmung um 3 Grad. Die Kosten der Untätigkeit sind hoch, Methoden zur starken Reduktion der Emissionen wären vorhanden, Synergien müssen genutzt werden.

Wenn sich Anfang November die Signatarländer von Paris zu einer Bestandsaufnahme in Glasgow treffen, dann hat sich einiges geändert: Die Priorisierung des Klimawandel ist nicht mehr eine Frage des politischen Backgrounds, sondern sie hat Eingang in das Instrumentarium gefunden, das in einer Marktwirtschaft die Pareto-Effizienz herstellen kann. Die Internalisierung externer Effekte im Umweltbereich wurde vielleicht zu zaghaft angewendet, aber sie wäre auch allein nicht imstande das Wohlfahrtsoptimum herzustellen; Klimapolitik erfordert Synergien mit anderen Politiksparten, die Bereitstellung öffentlicher Güter und internationale Zusammenarbeit.

Und ein Dilemma liegt vor: Wenn alle Länder und Personengruppen, jenen CO2- Preis zahlen müssten, mit dem die Erwärmung innerhalb der 2 Grad Obergrenze gehalten werden kann, würde Klimapolitik auf einen dramatischen Widerstand von Ländern, Regionen und unterprivilegierten Schichten stoßen.

Wohlfahrt- und Verteilungseffekte

  • Die Länder im untersten Drittel der Pro-Kopf-Einkommen, die in die mittlere Einkommensgruppe vorstoßen wollen, weisen mit Recht darauf hin dass sie den geringsten Beitrag zu der atmosphärischen Belastung erbracht haben. Sie brauchen auch viel Geld für den Aufholprozess
  • Die Bevölkerung außerhalb der Agglomerationszentren, müssen lange Wege zur Arbeit „pendeln“.  Sie benötigen Alternativen zur täglichen Nutzung des PKW. Öffentliche Güter wie z.B. Investitionen in das Bahnnetz müssen bereitgestellt werden.
  • Die Arbeiter:innen in Kohlegruben und Grundstoffindustrie, auch ihre Gewerkschaften und politische Vertreter:innen, weisen zu Recht darauf hin, dass sie mit Lebensarbeitsplätzen gerechnet haben und einseitig oder zumindest zu eng ausgebildet wurden.

Die Antwort auf die teils widersprüchlichen Ziele ist ein Policy-Mix, bei dem jedes Land und jede Region eine anspruchsvolle Klimapolitik ansteuert. Alle müssen aber gleichzeitig die technologischen Gegebenheiten und die Bereitschaft der Bevölkerung mitberücksichtigen, also den demokratischen Diskurs suchen.[ 1 ]

Das verfügbare Instrumentarium

Die Verschmutzer:innen, ob Haushalte oder Firmen, müssen ihren Beitrag zur Klimaerwärmung finanziell spüren. Die Bepreisung kann durch eine CO2-Steuer, einen Emissionshandel (ETS) oder durch ein „Effort sharing“, wo Beiträge nach dem Pro Kopf Einkommen gestaffelt werden[ 2 ] , erfolgen. Dafür muss es einen optimalerweise doppelt hohen Ausgleich für niedrige Einkommen geben; ihre Bezieher:innen haben weniger zum Problem beigetragen und haben weniger Möglichkeiten, etwa über Wohnungswechsel oder weniger Urlaub die eigene Luftverschmutzung zu verringern. Dämmung von Häusern und Wechsel der Heizung sind ohne Unterstützung nicht leistbar.

Schwerpunkte bei Innovationen müssen die Erhöhung der Energie- und Rohstoffeffizienz, Verringerung der Emissionen und ein höherer Anteil erneuerbarer Energie sein (Aiginger, Rodrik 2020). Das alte Ziel der Priorität der Arbeitsproduktivität war bei hohen Wachstumsraten der Wirtschaft und Knappheit an Arbeitskräften zentral. Durch den Anstieg der gesunden Lebenserwartung, physisch weniger anstrengende manuelle Arbeit und Migration aus Afrika, Osteuropa bzw. Mexiko ist die Zunahme der Arbeitsproduktivität nicht mehr das primäre Ziel von Innovationen.

Emissionen könne auch durch Carbon Capture davon abgehalten werden, in die Atmosphäre zu entweichen. Wiederaufforstung und Verhinderung von Rodungen und Waldbränden sind notwendig.

Länder, die ihre eigene Umwelt nicht schützen und zusätzlich ihre Nachbarländer belasten, müssen zur Kasse gebeten werden. Importabgaben gegenüber, aber auch ein Technologieangebot und Investitionen in diesen Ländern sind verfügbare Instrumente (BMWI 2021 A, B). Forderungen, dass andere Länder mit hohen Emissionen zuerst mit der Ausstoß-Verringerung beginnen sollen, reduzieren letzten Endes auch die eigene Wohlfahrt.

Verbote sind die am wenigsten marktwirtschaftliche Methode, aber sie sind notwendig, wenn Firmen und Lobbyist:innen die Möglichkeiten falsch darstellen oder der Zeithorizont zu gering ist, um stetig steigende CO2- Preisen als Signal zum Umdenken zu erkennen. Die Autoindustrie hat bezüglich tatsächlicher Emissionen aber auch den Möglichkeiten der Schadstoffvermeidung gelogen. Die Subventionen für fossile Energie sind noch immer hoch, Elektro-Tankstellen besonders in Agglomerationszentren fehlen. Wer heute einen Verbrenner kauft, muss erkennen, dass dieser schon heute – gemessen an der kompletten Nutzungsdauer – teuer ist und morgen zuerst im Stadtgebiet und dann überall verboten sein wird.

Sektorale Ansätze

Die Industrie war lange die Quelle sichtbarer und fühlbarer Verschmutzung. Hier gibt es aber auch beachtliche Erfolge, durch neue Technologien, verringerten Kohleeinsatz und Abnahme des Anteils der Grundstoffindustrie. Verbleibende emissionsintensive Branchen von Stahl über Papier zu Zement forschen an Wasserstofftechnologie und Recycling. Die Digitalisierung dürfte zudem weitere Reduktionen ermöglichen.  

Immer noch steigende Emissionen kommen aus dem Verkehrssektor, vom Personenverkehr, über den Gütertransport, bis zum Flugzeug und Schiff. Der Verkehr ist zu reduzieren, auf öffentliche Träger zu verlagern, durch Stadtplanung (Grätzelbildung, Fuß- und Radwege, partielles Homeoffice) einzuschränken. Der Umstieg vom Verbrenner, Fahrtgemeinschaften, Mieten statt Kaufen sind Ansätze. E-Autos müssen Benzin- und Dieselautos ersetzen, der Trend zu immer größeren und stärkeren Autos muss eingebremst werden. Vermeiden, Verlagern, Verbessern sind die drei Säulen.

Landwirtschaft und Ernährung tragen stark zu den Emissionen bei, insbesondere auch bei Methan, wobei der Viehbestand eine Ursache ist. Ein niedrigerer Fleisch- und Fischkonsum würde helfen, in Länder mit niedrigen Einkommen nimmt diese aktuell allerdings zu. Landwirtschaft und Forstwirtschaft können als Energiesenken dienen. In der Landwirtschaft fördern die Subventionen der EU heute unökologische Bewirtschaftung und verhindern das Entstehen eines konkurrenzfähigen Agrarsektors in Afrika. Leerstehende Gebäude und ungenutzte Flächen in Europa sind zu renaturieren, Biodiversität sollte ein Schwerpunkt sein.

Die technologische Entwicklung würde in Bauwirtschaft eine vollständige Dekarbonisierung ermöglichen, Null-Energie Häuser oder sogar Energie plus Bauten sind möglich. Der Altbestand muss saniert und begrünt werden. Raumplanung kann Luft verbessern und den Verkehr eindämmen, den Einkauf dezentral oder digital vorzunehmen. Für Kohle-, Öl-  und Gasheizungen sind Deadlines zu setzten, zuerst im Neubau dann auch im Altbestand.

Bei Energieerzeugung und -verwendung sind eine höhere Effizienz, aber auch alternative dezentrale Quellen Schlüssel, die Versorgung der Nachbarschaft in Energiegemeinschaften ist ein Ansatzpunkt, Speicherung für „dunkle Zeiten“ durch ältere Autobatterien ein anderer. Nur wenn Stromproduktion mit erneuerbarer Energie erfolgt, ist Elektromobilität wirklich vorteilhaft, ebenso grüner Wasserstoff und Biogas. Dies ist ein gutes Beispiel für die notwendige Vernetzung sektoraler Politiken.

Neue Denkmuster

Wohlfahrt und Lebensqualität sind ein vernetztes System. Politiken, die nur dem Klimaziel dienen, aber die soziale Balance und die wirtschaftliche Entwicklung ignorieren, sind kein Erfolgsmodell. Von allen verfügbaren Massnahmen zur Erreichung eines Ziels müssen jene gewählt werden, die Synergien für andere Ziele haben. Klimapolitik muss auch Sozialpolitik sein und Arbeitslosigkeit sowie Ungleichheit reduzieren.

Die Erderwärmung senkt die Zahl gesunder Lebensjahre. Das tun auch ungesunde Ernährung, Pandemien und ineffiziente Gesundheitssysteme. Es gibt heute schon mehr Hitzetote als Verkehrstote, Klimakrisen führen zu politischen Konflikten und disruptiver Migration, gegen die auch Zäune und Mauern nicht helfen. Die Anhebung des Meeresspiegels, das Schmelzen der Gletscher und des Eis in der Arktis lösen Kreisläufe und Verstärkereffekte aus. Klimaerwärmung wird unumkehrbar, wenn die Emissionen nicht schnell und radikal eingebremst werden.

Die Energiewende braucht mehr Dezentralität, erspart damit Starkstromleitungen und Pipelines, erschwert damit Cyber- und Terrorattacken. Aber sie braucht auch mehr Speicherkapazität, da erneuerbare Energie nicht gleichmäßig über das Jahr und die Regionen anfällt. Zusammenarbeit in Klima-Clubs und Energiegemeinschaften sind weitere Chancen (Nordhaus 2015, Cranton et al 2017).

Klimapolitik erfordert öffentliche Investitionen, dennoch darf Klimapolitik nicht als Argument dafür dienen, die Abgabenbelastung im Hochsteuerländern weiter zu heben. Einsparungen in Bürokratie, fehlsteuernden Subventionen, Finanzierung von Agrarüberschüssen können alternativ die hohen Investitionen finanzieren.

Europa kann und muss die Führung in der Klimapolitik übernehmen (Andre, Boneva, Falk 2021, Aiginger, Colcuc 2021), da China zwar in Ansätzen neue Technologien entwickelt, aber andere Prioritäten hat. Die USA sind in dieser Frage gespalten: ein reiches und hochtechnologisches Land exportiert Öl und energieintensive Waren, Horizontalbohrungen und Pipelines waren zumindest bis zur letzten Administration möglich. Eine bewusste Vorreiterposition der EU, wie sie im «Green Deal» und im «Fit for 55» angestrebt wird (European Commission 2021, Schleicher 2021), entspricht dem sozio-ökologischen Modell Europas (Aiginger 2021). Sie bringt auch wirtschaftliche Erfolge; der Vorreiter hat die Vorteile, der Nachzügler die Kosten. Mehrere europäische Länder von der Schweiz über Dänemark bis Schweden zeigen, dass klimabewusste Länder mit hoher Energieeffizienz die SDG Ziele der UN früher erreichen.

Aiginger, K. (2021), A Deeper Union: from a failed project to the European quality lead, Intereconomics, 56(3).

Aiginger K, Colcuc A.; Strategien am Weg nach Paris, Policy Paper 1/2021 des Policy Crossover Centers Vienna-Europe , Wien 2021

Aiginger K, Rodrik D. Rebirth of Industrial policy Journal of Industry Competition and Trade, vol ,20, 1/2020, pp 189-207

Andre, P., Boneva, T., Falk, A. (2021), Bereit zum Klimaschutz, Ökonomenstimme, 26. August.

BMWi, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2021a), Ein CO2-Grenzausgleich als Baustein eines Klimaclubs, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi.

BMWi, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2021b), Kohleausstieg und Strukturwandel,

Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, St. (2017), Global Carbon Pricing: The Path to Climate Cooperation, The MIT Press Cambridge, Massachusetts London, England, https://ockenfels.uni-koeln.de/sites/economic_engineering/user_upload/Global_Carbon_Pricing_final.pdf[ a ]

European Commission (2021), Fit for 55%“-Programmes, Kommissionsbeschluss Juli 2021.

IEA (2021), Global Energy Review. Assessing the effects of economic recoveries on global energy demand and CO2 emissions in 2021.

Lancet (2020), The 2020 report of The Lancet Countdown on health and climate change: responding to converging crises, Lancet Fachjournal.

Levin, K., Parsons, S. IPCC Report on land use and climate stability, Kevin Levin, Sarah Parsons .  IPCC Special Report on Climate Change, Desertification, LandDegradation, Sustainable Land Management, Food Security, and Greenhouse gas fluxes in Terrestrial Ecosystems World resource institute August 2019

Nordhaus, W. (2015), Climate Clubs: Overcoming Free-riding in International Climate Policy, American Economic Review, 105(4), http://dx.doi.org/10.1257/aer.150000011339[ b ].

OECD (2021), Effective Carbon Rates, Paris.

Sachs, G. (2021), The Climate Change belongs to all of us, Boston Globe, 10. August.

Schleicher, St. (2021), Wird Österreich fit for 55,?  Wegener Center Universität Graz.


©KOF ETH Zürich, 4. Nov. 2021

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