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Unternehmenssteuerreform: Abstimmung mit dem Portemonnaie

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Die Schweizer Stimmbürgerinnen und -bürger hatten die Unternehmenssteuerreform (USR III) überraschend deutlich abgelehnt. Nun soll bald eine neue Vorlage zur Abstimmung kommen. Wie diese bestehen könnte, skizziert dieser Beitrag.

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Die Schweizer Stimmbürgerinnen und -bürger hatten die Unternehmenssteuerreform (USR III) überraschend deutlich abgelehnt. Nun soll bald eine neue Vorlage zur Abstimmung kommen. Wie diese bestehen könnte, skizziert dieser Beitrag.

Kürzlich haben Vertreter von Bund und Kantonen dem Bundesrat Eckwerte für eine neue Unternehmenssteuerreform unterbreitet, welche nun in die “Steuervorlage 17” einfliessen sollen. Grund genug, nochmals die Abstimmungsergebnisse zur verworfenen Unternehmenssteuerreform III (USR III) zu durchleuchten und abzuleiten, inwieweit die neue Vorlage mehr Erfolg haben könnte, durch Volk und Stände angenommen zu werden.

Die Umfragewerte zur Unternehmenssteuerreform III (USR III)[ 1 ] deuteten erst auf eine hohe Zustimmung, später auf ein knappes Ergebnis hin. Entsprechend hat das deutliche Verdikt des Volkes am 12. Februar 2017 überrascht: Fast 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten gegen die Vorlage. Was hat den Ausschlag für den Stimmungswandel gegeben?

Oft war zu hören, dass es sich um eine aussergewöhnlich komplexe Vorlage handelte, bei der sogar manch finanzpolitisch Interessierter den Überblick verloren habe. Verfangen hat möglicherweise auch die visuell und inhaltlich einprägsame Kampagne der Gegner (“Unternehmenssteuer-Bschiss”), welche die drohenden finanziellen Auswirkungen in den Vordergrund stellte und den breiten Mittelstand als Verlierer ansprach. Auf der entgegengesetzten Seite vermochten die Befürworter, die mit dem Erhalt eines attraktiven Werkplatzes Schweiz argumentierten, offenbar nicht genügend überzeugen. Zu gross scheint seit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative die Skepsis gegenüber internationalen Konzernen zu sein, die mit der Anheuerung ihres oft ausländischen und gut bezahlten Kaderpersonals auf den Arbeits- und Immobilienmärkten den hiesigen Mittelstand in Bedrängnis bringen. Ein Indiz dafür liefert die Nachbefragung (VOTO-Analyse). Gemäss dieser Umfrage haben beispielsweise 47% der SVP-Sympathisanten ein Nein in die Urne gelegt, dies obwohl nur 21% von ihnen der Meinung war, dass die Reform zu Steuerausfällen führen würde.

International bedrängte Schweiz

Aus fiskalpolitischer Sicht brachte die Ablehnung der USR III die Schweiz in Bedrängnis. Allen voran die OECD akzeptiert nicht mehr lange die eidgenössischen Steuerregimes, welche einseitig bestimmte ausländische Unternehmenstypen bevorzugen. Die Schweiz ist gefordert, zügig eine neue Vorlage zu bringen, welche (1) den Anforderungen der OECD in Bezug auf einen “fairen internationalen Steuerwettbewerb” gerecht wird, (2) die internationalen Unternehmen mit den damit verbundenen Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen in der Schweiz hält und (3) gleichzeitig im Volk mehrheitsfähig ist. Es handelt sich um eine Herkulesaufgabe, um die Finanzminister Ueli Maurer nicht zu beneiden ist.

Lokale Argumente für Meinungsbildung massgebend

Bei dieser Diskussion gerät ein wenig in Vergessenheit, dass wahrscheinlich nicht die politische Auseinandersetzung auf nationaler Ebene “matchentscheidend” für die Abstimmung war, sondern die lokalen Argumente. Ein erstes Indiz für diese These findet sich, wenn man das Abstimmungsergebnis in Biel mit demjenigen der übrigen Schweiz vergleicht: Keine andere Gemeinde wurde medial derart oft und direkt mit den befürchteten Folgen der USR III in Verbindung gebracht wie Biel. Ihre Finanzvorsteherin, die FDP-Politikerin Silvia Steidle, hat sich an vorderster Front im Nein-Komitee engagiert. Sie befürchtete nicht tragbare Mindereinnahmen für die strukturschwache und hoch verschuldete Stadt. Wenn man das Abstimmungsergebnis als Stimmungsbarometer dieser finanziellen Ängste ansieht, dann fällt die Diagnose eindeutig aus: Keine Gemeinde mit mehr als 2’000 Stimmberechtigten hat so deutlich die USR III verworfen wie Biel: Nur gerade 21.5% der Stimmenden haben Ja zur Vorlage gesagt.

Dass es auch anders geht, zeigte der Kanton Waadt. Er hat als einer von nur vier Kantonen – wohlgemerkt neben den Tiefsteuerkantonen Zug und Nidwalden sowie dem Kanton Tessin – ein knappes Ja in die Urne gelegt (51.3%-Ja-Anteil). Der Kanton Waadt hat ein Jahr zuvor seine kantonale Steuerstrategie beschlossen. Er hat die deutliche Senkung der kantonalen Gewinnsteuern mit einer Entlastung für Familien (höhere Kinderzulage) und Mittelstand (mehr Prämienverbilligungen) verknüpft. Die beiden Regierungsräte Maillard (Sozialvorsteher) und Broulis (Finanzvorsteher) haben sich damit in der kantonalen Abstimmung im März 2016 eine Zustimmung von 87% gesichert.

Abstimmung mit dem Portemonnaie

Wie immer bei selektiv gewählten Beispielen stellt sich die Frage, ob die Abstimmungsergebnisse in Biel und im Kanton Waadt einem anderen Muster folgen als vermutet. Um der Frage nachzugehen, ob die Bürgerinnen und Bürger am 12. Februar mit dem Portemonnaie abgestimmt haben, bietet sich eine etwas breitere Analyse an: Der Kanton Zürich hat für seine Gemeinden berechnen lassen, mit welchen finanziellen Auswirkungen diese infolge einer Annahme der USR III zu rechnen hätten. Diese Zahlen sind vor allem auch deshalb von Interesse, weil nicht nur die direkten Effekte beziffert wurden, sondern auch das komplexe Zusammenspiel mit dem kantonalen Finanzausgleich berücksichtigt wurde. Setzt man die erwarteten Mindereinnahmen ins Verhältnis zu den allgemeinen Gemeindesteuereinnahmen, dann erlangt man ein Mass dafür, welche relative Bedeutung die Vorlage für die Gemeindefinanzen hatte. Tendenziell ist davon auszugehen, dass bei zunehmender finanzieller Bedeutung die Befürchtung der Bürgerinnen und Bürger zunimmt, dass die Steuerlast in Zukunft steigen wird und/oder die öffentlichen Leistungen abgebaut werden.

Die relativen finanziellen Folgen der USR III in den rund 170 Zürcher Gemeinden können mit der Zustimmungsrate zur Vorlage konfrontiert werden. Jeder Datenpunkt in der folgenden Abbildung steht für eine der Zürcher Gemeinden. Wenn man eine Gerade durch diese Datenwolke zieht, zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den beiden Masszahlen: Je höher die zu erwartenden relativen Mindereinnahmen sind, umso geringer fällt die Zustimmung zur Vorlage aus.

Bemerkenswert ist die Stärke dieses Zusammenhangs: Die zu erwartenden Mindereinnahmen erklären 40% der Unterschiede im Abstimmungsergebnis. Auch wenn es sich um eine einfache grafische Darstellung und keine kausale Analyse im strengen Sinne handelt, liegt der Schluss nahe, dass an der Urne vor allem auch mit dem Portemonnaie abgestimmt wurde.

Abbildung: Zustimmung vs. Mindereinnahmen

Quelle: Finanzdirektion und Statistisches Amt Kt. ZH, eigene Berechnungen

Erkenntnisse für zukünftige Steuerreformen

Aus ökonomischer Sicht lassen sich aus den gemachten Überlegungen mindestens drei Empfehlungen ableiten, welche für Erfolg und Misserfolg zukünftiger Steuerreformen zentral erscheinen:

  1. Mehrheit als Gewinner: Finanzpolitiker sollten, wenn sie eine Steuerreform durchs Volk bringen wollen, darauf achten, dass die Vorlage ausgewogen ist. Das bedeutet vor allem, dass der durchschnittliche Stimmbürger (“Median-Wähler”) nicht zu den Verlierern der Vorlage gehört. So simpel dieser Punkt auch ist: Die auffallend unterschiedlichen Ergebnisse in der Schlussabstimmung zur USR III im Parlament und später im Volk zeigen (nicht zum ersten Mal), dass bei einzelnen Vorlagen grössere Abweichungen zwischen Median-Wähler und Parlament bestehen können.
  2. Lokal vor kantonal vor national: Zu einer ausgewogenen Vorlage gehört auch, dass die Gemeinden für allfällige zu erwartende Mindereinnahmen kompensiert werden sollten. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Leistungen der öffentlichen Hand umso stärker wahrgenommen werden, je dezentraler diese bereitgestellt werden. Müssen infolge von Sparübungen Klassen in der Gemeindeschule zusammengelegt oder das Schwimmbad geschlossen werden, dann hat dies eine andere Wirkung, als wenn in der Bundesverwaltung, bei der Armee oder den Bundessubventionen gespart werden muss. Während der Bund für die Kantone Ausgleichszahlungen vorsah, haben einige Kantone diesen Punkt für ihre Gemeinden vernachlässigt.
  3. Steuerwettbewerb nicht für alle lohnend: Schliesslich kann auch hinterfragt werden, ob alle Kantone eine Tiefsteuerstrategie verfolgen sollen. Bevölkerungsstarke Kantone wie Bern oder Zürich können mit kleinen Tiefsteuerkantonen wie Zug oder Nidwalden nicht mithalten und müssen bei Steuersenkungen schmerzhafte Budgeteinbussen in Kauf nehmen. Für die Bundesfinanzen ist es ausserdem irrelevant, ob die Steuereinnahmen aus Bern oder Zug kommen.

Steuervorlage 17: Dieses Mal könnte es klappen

Wie ist diese Strategie in Bezug auf die oben abgeleiteten Punkte zu beurteilen?

Erstens ist die Vorlage finanziell ausgeglichener als die USR III: Mit der leichten Erhöhung der Kinderbetreuungszulagen will man dem erfolgsversprechenden Beispiel des Kantons Waadt folgen. Auf den nächsten Volksentscheid wohlwollend wirken dürfte auch die Aussicht auf geringere Steuerausfälle. Die vorgesehene Patentbox sowie der Abzug für Forschung- und Entwicklung werden weniger generös ausfallen und auf die in der letzten Vorlage vorgesehene zinsbereinigte Gewinnsteuer wird gar ganz verzichtet. Auf der Einnahmenseite wird es zu Mehreinnahmen infolge einer Erhöhung der Dividendenbesteuerung kommen.

Zweitens ist vorgesehen, dass die Kantone ihre Gemeinden an den Ausgleichszahlungen, welche sie vom Bund erhalten, beteiligen müssen. Dies schärft das genannte Dezentralisierungsargument.

Ein Unsicherheitsfaktor bleibt aber, drittens, aufgrund des Fiskalföderalismus die Steuerstrategie der Kantone. Der Bund kann hier nur hoffen, dass die Kantone gut einschätzen können, was diese ihren Bürgerinnen und Bürgern an zusätzlichen Steuersenkungen und damit Mindereinnahmen zumuten können.

Noch ist die hohe Hürde im Parlament zu nehmen, bevor die neue Vorlage wieder vors Volk kommen kann. Wenn an der Hauptstossrichtung aber nicht zu viel angepasst wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die “Steuervorlage 17” vom Medianwähler goutiert wird.

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