China kauft derzeit fleißig deutsche Unternehmen auf. Die Reaktion darauf besteht zumeist aus protektionistischen Reflexen. Das mag verständlich sein, aus volkswirtschaftlicher (statt industrielobbyistischer) Perspektive bieten die meisten chinesischen Übernahmen allerdings keinen Anlass für industriepolitische Interventionen, wie dieser Beitrag zeigt. Wichtig sind die sogenannten Austauschraten, die es zu beachten gilt. Wie auch andernorts, kauft China derzeit fleißig deutsche Unternehmen auf, die seiner technologischen Erneuerung dienen. Vorsprung durch Technik, das wollen die Chinesen haben. Kunststoffmaschinen (Krauss Maffei), Baumaschinen (Putzmeister), Gabelstapler (Kion), Chipanlagen (Aixtron), Grafikelektroden (SGL Carbon) und nun Roboter (Kuka). Ein Sturm protektionistischer Reflexe begrüßt die chinesischen Übernahmen. Nicht nur Politiker entrüsten sich (EU-Wettbewerbskommissar Guenther Oettinger, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel), sondern auch Professoren, beispielsweise der frühere IFO-Präsident Hans-Werner Sinn und Sebastian Heilmann, der Direktor des Mercator-Instituts für Chinastudien (Merics). Ähnliche Abwehrreflexe gab es bereits vor knapp zehn Jahren, als die gutfinanzierten Staatsfonds Chinas und anderer Schwellenländer mit Firmenaufkäufen begannen.
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China kauft derzeit fleißig deutsche Unternehmen auf. Die Reaktion darauf besteht zumeist aus protektionistischen Reflexen. Das mag verständlich sein, aus volkswirtschaftlicher (statt industrielobbyistischer) Perspektive bieten die meisten chinesischen Übernahmen allerdings keinen Anlass für industriepolitische Interventionen, wie dieser Beitrag zeigt. Wichtig sind die sogenannten Austauschraten, die es zu beachten gilt.
Wie auch andernorts, kauft China derzeit fleißig deutsche Unternehmen auf, die seiner technologischen Erneuerung dienen. Vorsprung durch Technik, das wollen die Chinesen haben. Kunststoffmaschinen (Krauss Maffei), Baumaschinen (Putzmeister), Gabelstapler (Kion), Chipanlagen (Aixtron), Grafikelektroden (SGL Carbon) und nun Roboter (Kuka). Ein Sturm protektionistischer Reflexe begrüßt die chinesischen Übernahmen. Nicht nur Politiker entrüsten sich (EU-Wettbewerbskommissar Guenther Oettinger, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel), sondern auch Professoren, beispielsweise der frühere IFO-Präsident Hans-Werner Sinn und Sebastian Heilmann, der Direktor des Mercator-Instituts für Chinastudien (Merics).
Ähnliche Abwehrreflexe gab es bereits vor knapp zehn Jahren, als die gutfinanzierten Staatsfonds Chinas und anderer Schwellenländer mit Firmenaufkäufen begannen. Während die Staatsfonds mit ihren Investitionen in erster Linie auf Diversifizierung ihres Anlageportefeuilles und auf höhere risikogewichtete Renditen abzielen, ist die derzeitige Welle chinesische Übernahmen schwieriger zu beurteilen.
China hat traditionell mehr Direktinvestitionen vom Ausland angenommen als im Ausland investiert (Tabelle 1). Seit etwa 2010 stagnieren allerdings die Zuflüsse nach China, da steigende Lohnstückkosten den Appeal des Standorts für arbeitsintensive Hersteller gemindert haben. Seitdem haben die chinesischen Direktinvestitionen im Ausland geboomt; gleichzeitig zielen die Chinesen vermehrt auf hochentwickelte Volkswirtschaften statt auf wenig entwickelte Rohstoffnationen.
Tabelle 1: Chinas Direktinvestitionen - Umfang und Restriktionen
Jahr |
2005 |
2010 |
2015 |
Zuflüsse, Mrd. US$ |
104,1 |
243,7 |
249,9 |
Abflüsse, Mrd. US$ |
13,7 |
58,0 |
187,8 |
Restriktionen (0 to 1) |
0,56 |
0,42 |
0,38 |
Quellen: OECD, FDI financial flows, main aggregate[ a ]; OECD FDI Regulatory Restrictiveness Index[ b ]
In Einklang mit der inzwischen vorherrschenden Lehrmeinung hat China seinen Kapitalverkehr graduell aber stetig liberalisiert. Der Restriktionsindex der OECD zeigt 1 für völlig geschlossenen Kapitalverkehr und 0 bei vollständig liberalisierter Investitionsordnung an. Der OECD-Index ermittelt Eigentumshindernisse, Genehmigungsbarrieren, Personalvorschriften und weitere Restriktionen wie auf Landerwerb und Gewinnrückführungen. Seit 2005 misst dieser Index einen Rückgang von 0,56 bis auf zuletzt 0,38 Indexpunkte. Allerdings erlaubt China ausländischen Unternehmen immer noch keinen Alleinbesitz, sondern nur Beteiligungen (joint ventures).
Chinas staatlich gelenkte Industrie- und Technologiepolitik, welche durch Übernahmen auf Technologiesprünge abzielt, stellt die europäische Wettbewerbspolitik und Investitionsfreiheit auch angesichts der Größe und Wirtschaftsverfassung Chinas vor neue industrie- und sicherheitspolitische Herausforderungen. Besonders schwer wiegen nach meiner Einschätzung folgende Sorgen:
- Asymmetrischer Marktzugang. Zwischen der EU und China herrschen ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Das gilt besonders für Deutschland, das eine traditionell sehr offene Außenwirtschaftsverfassung hat. Mit einem Indexwert von nur 0,023 gehört Deutschland nach dem Restriktionsindex der OECD zu den weltweit offensten Ländern. Chinas Mindestanforderungen an die lokale Fertigung treffen mit über 60% die deutschen Unternehmen besonders da, wo sie Wettbewerbsvorteile haben: Kraftwerke; Wind- und Solarindustrie; Medizintechnik; Industrieroboter; und die Autoindustrie mitsamt der dazugehörigen Verbindungstechnologie.
- Subventionen und geldwerte Begünstigung. Chinas global operierende Unternehmen genießen vielfältige Vergünstigungen durch staatliche Beihilfen der Regierung und der Provinzen. Der damit verbundene unfaire Wettbewerb zeigt sich besonders bei staatlicher Auftragsvergabe und beim verzerrten globalen Bieterwettbewerb.
- Technologietransfer und industrielle Aushöhlung. Staatskontrollierte chinesische Unternehmen absorbieren durch Übernahmen technologische Kernkompetenzen, was zur Aushöhlung der industriellen Fertigungsbasis in Europa führen könnte. Die Erosion von Netzwerkvorteilen – besonders deutlich im Fall der deutschen Autozulieferer – könnte letztlich ganze Industriezweige und Standorte aussaugen.
- Nationale Sicherheitsrisiken. Hier gelten die Befürchtungen besonders der Wehrindustrie und der Einschleusung, Überwachung und Sabotage. Das Außenwirtschaftsgesetz gibt allerdings der deutschen Regierung die Möglichkeit, den Verkauf von Unternehmen oder Firmenteilen an Interessenten außerhalb der EU zu beschränken, um die "wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten". Gleiches gilt für die USA, dem das Komitee für Auslandsinvestitionen (CFIUS) ein Werkzeug zur Verhinderung von Übernahmen selbst in Drittländern (Syngenta) zur Verfügung stellt.
Solche Sorgen geben leicht Anlass zu verzerrenden und diskriminierenden nationalen Maßnahmen, da es kein internationales Abkommen für Direktinvestitionen gibt. Was protektionistische adhoc Antworten bremst, ist angesichts der Größe des chinesischen Marktes die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.
Aus volkswirtschaftlicher (statt industrielobbyistischer) Perspektive bieten die meisten chinesischen Übernahmen keinen Anlass für industriepolitische Interventionen. Ein wichtiges, aber weithin verkanntes Kriterium zur Erfassung der Wohlfahrtseffekte chinesischer Übernahmen liefert die Außenhandelstheorie: die Wirkung auf die Austauschraten. Deutschlands Wohlfahrt ist durch Übernahmen mit Technologietransfer nicht berührt, solange sie die Austauschraten nicht beeinflussen – heute und morgen. So können Übernahmen mit Technologietransfer auch die Wohlfahrt im Empfängerland erhöhen, wenn sie Industriezweige mit kompetitiven Nachteilen und Nettoimportsalden betreffen: Da solche Importe infolge des Technologietransfers nach und der Fertigung in China billiger werden, verbessern sich Deutschlands Austauschraten. Das Gegenteil betrifft die Bereiche der Hochtechnologie, in denen Deutschland einen Wettbewerbsvorteil (Nettoexporte) aufweist. Das Kriterium der Austauschraten sollte in der Politik stärkere Beachtung finden.
©KOF ETH Zürich, 16. Jun. 2016