Photo: Wikimedia Commons (CC 0) Als Kind liebte ich es, zu Beginn des neuen Jahres das Weihnachtsgeld zu zählen, zu überlegen, was ich damit so anstellen könnte und akribisch zu planen, wie lange ich auf das neue Spielzeug sparen müsste. Ich erinnere mich noch, wie ich meiner Oma ganz aufgeregt davon erzählte und sie mir entgegnete: „Über Geld spricht man nicht. Das hat man.“ Heute denke ich, dass genau diese Haltung der Grund dafür ist, dass manche Menschen kein Geld haben. In Deutschland gibt es ein großes Problem mit sozialer Mobilität. Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2018 kann es sechs Generationen dauern, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen erreichen. In den skandinavischen Ländern seien es nur drei Generationen, in Dänemark sogar nur
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Als Kind liebte ich es, zu Beginn des neuen Jahres das Weihnachtsgeld zu zählen, zu überlegen, was ich damit so anstellen könnte und akribisch zu planen, wie lange ich auf das neue Spielzeug sparen müsste. Ich erinnere mich noch, wie ich meiner Oma ganz aufgeregt davon erzählte und sie mir entgegnete: „Über Geld spricht man nicht. Das hat man.“ Heute denke ich, dass genau diese Haltung der Grund dafür ist, dass manche Menschen kein Geld haben.
In Deutschland gibt es ein großes Problem mit sozialer Mobilität. Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2018 kann es sechs Generationen dauern, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen erreichen. In den skandinavischen Ländern seien es nur drei Generationen, in Dänemark sogar nur zwei. Vielleicht noch interessanter ist jedoch, dass selbst Bildungs-Aufsteiger ihrer Herkunft in Sachen Finanzen nicht entfliehen können. Mehrere Studien von dem deutschen Soziologen Michael Hartmann zeigen, dass Menschen mit gleichem Abschluss und gleicher Abschlussnote in der gleichen Branche signifikant unterschiedlich verdienen – der Faktor, der heraussticht, ist der sozioökonomische Hintergrund, wobei diejenigen weniger verdienen, deren Eltern einen niedrigeren sozioökonomischen Status innehaben.
Lange kann man darüber fachsimpeln, wie soziale Mobilität verbessert werden kann; Liberale machen gern die zu hohen Steuern, die ausufernde Bürokratie und neuerdings das Bürgergeld für das Problem verantwortlich. Doch die Vermutung liegt nahe, dass es auch abgesehen von diesen Faktoren etwas gibt, was das Einkommen und Vermögen von Menschen beeinflusst. Diesen Faktor nennt man Habitus.
Der Habitus bezeichnet das Auftreten oder die Umgangsformen einer Person, die Gesamtheit ihrer Vorlieben und Gewohnheiten und die Art ihres Sozialverhaltens. Diese sind vor allem geprägt durch die soziale Herkunft. Die Art wie man spricht, der Kleidungsstil, Manieren und Eigenschaften wie das Selbstbewusstsein werden durch das Umfeld, in welchem man aufwächst, stark beeinflusst – ebenso wie der Umgang mit Geld. Der Habitus ist relativ stabil, Gewohnheiten können also beibehalten werden, auch wenn sich das Umfeld einer Person drastisch ändert, zum Beispiel durch sozialen Aufstieg.
Kinder, die in Überfluss aufwachsen, lernen, langzeitorientiert zu denken, zwischen Alternativen abzuwägen und sich im Zweifel vor einer Entscheidung Rat zu holen.
Im Gegensatz dazu lernen Kinder, die in Armut aufwachsen, mit struktureller Knappheit umzugehen. Damit ist nicht nur Knappheit an Geld gemeint, sondern auch Knappheit an Anerkennung und Handlungsoptionen. Ihr Denken ist kurzzeitorientiert und folgt der klaren Logik, dass Dinge funktional sein müssen. Hinzukommt, dass diese Kinder mit einem Schamgefühl bezüglich ihrer finanziellen Situation aufwachsen können, welches später verhindern kann, dass sie über Geld sprechen.
Solche Denkmuster, insbesondere in Bezug auf Geld, werden nur selten abgelegt und können einem Vermögensaufbau im Weg stehen. Investitionen erfordern eine sehr langfristige Planung, aber auch Sparen kann eine Herausforderung sein, wenn man gewohnt ist, mit dem Geld nur bis zum Ende des Monats zu haushalten. Und wenn etwas übrigblieb, wurde es bisher direkt funktional ausgegeben. Allein der Gedanke, dass man Geld in großen Summen zurücklegt oder dass man es investiert, um so über Jahrzehnte Profit zu machen, kann eine neue Überlegung für jemanden sein, der noch nie die Möglichkeit dazu hatte. Diese Denkweise betrifft auch den Umgang mit Gütern. Kauft man seltener hochwertige Güter statt günstigen, die häufiger kaputt gehen und so auf lange Sicht teurer sind, wenn man es gewohnt ist, möglichst günstig zu kaufen? Wie kommt man auf solche Gedanken, wenn man sie zuvor noch nie gedacht hat?
Die Antwort ist: Indem andere über Geld reden und man zuhört. Natürlich gibt es heutzutage Apps und diverse (häufig unseriöse) Online-Coachings, die einem beibringen sollen, wie man mit Geld umgeht. Doch nur wenig geht über die Erfahrungen, über die Tipps, über die Fehler und Lektionen von Menschen, die mit Geld umgehen können, und die vielleicht sogar schon von ihren Eltern gelernt haben, wie man das tut. Denn betrachtet man den Umgang mit Geld als Teil des Habitus und macht sich bewusst, dass man den Habitus wohl niemals vollständig ablegt, wird einem klar, dass es für viele Menschen essentiell ist, von anderen zu lernen.
Also, sprechen Sie über Geld! Besonders mit jungen Menschen und mit Menschen, die nicht wissen, dass man über Geld sprechen sollte. Ein kleiner Anstoß zum Nachdenken aus dem persönlichen Umfeld kann viel verändern. Und wenn Sie nur ein Kind ermutigen, das Weihnachtsgeld für das Spielzeug zu sparen und nicht gleich alles auszugeben.