Photo: Michael Krahn from Unsplash (CC 0) Von Felix Heinhold, Research Fellow bei Prometheus von Januar bis April 2022. Nach einem Bachelorstudium in International Business Administration in Ludwigshafen schloss Felix sein Master Studium in International Management an der Cathólica Lisbon School of Business & Economics in Portugal ab. Seine geförderte Master-Arbeit beschäftigte sich mit Corporate Sociopolitical Activisim, der aktiven Stellungnahme von privaten Unternehmen zu gesellschaftlichen Debatten. Am 6. Januar 2021 hielt die Welt für einen Moment den Atem an. Um 12:00 Uhr Ortszeit entfesselt der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, mit einer Brandrede seine Anhänger, die daraufhin das Kapitol in Washington D.C. stürmen. Um 12:30 Uhr durchbrechen sie erste
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Von Felix Heinhold, Research Fellow bei Prometheus von Januar bis April 2022. Nach einem Bachelorstudium in International Business Administration in Ludwigshafen schloss Felix sein Master Studium in International Management an der Cathólica Lisbon School of Business & Economics in Portugal ab. Seine geförderte Master-Arbeit beschäftigte sich mit Corporate Sociopolitical Activisim, der aktiven Stellungnahme von privaten Unternehmen zu gesellschaftlichen Debatten.
Am 6. Januar 2021 hielt die Welt für einen Moment den Atem an. Um 12:00 Uhr Ortszeit entfesselt der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, mit einer Brandrede seine Anhänger, die daraufhin das Kapitol in Washington D.C. stürmen. Um 12:30 Uhr durchbrechen sie erste Polizeibarrieren, um 14:00 Uhr dringen sie in das Parlamentsgebäude ein, etwa eine halbe Stunde später besetzen sie die Sitzungssäle des Kapitols. Die Parlamentssitzung zur Bestätigung der Präsidentschaftswahlergebnisse ist unterbrochen. Erst gegen 17:40 Uhr gelingt es Sicherheitskräften, das Kapitol zu sichern, sodass um 21:02 Uhr Senat und Repräsentantenhaus ihre Sitzung wiederaufnehmen und die Wahl von Joe Biden und Kamala Harris bestätigen können. Die Welt atmet auf, der Schockmoment endet.
Die Reaktion – When business gets political.
An diesem Tag haben wir den Versuch gesehen, eine demokratische Wahl durch einen Aufstand des Mobs rückgängig zu machen. Dieser Versuch versetzte die Welt weit über die Grenzen der USA hinaus in einen Schockzustand. Doch die Gesellschaft reagierte schnell. Dabei kamen die ersten Antworten nicht von den üblichen Verdächtigen. Stattdessen waren es die Vertreter großer Unternehmen, die mit am schnellsten reagierten: Sundar Pichai (Alphabet), Brian Moynihan (Bank of America), Jamie Fitterling (Dow), Arvind Krishna (IBM) und Brad Smith (Microsoft) stehen für viele Unternehmen, die die Gewalt des 6. Januars verurteilten, die Gesetzlosigkeit anprangerten und die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl untermauerten. Facebook und Twitter gingen sogar soweit, dass sie die Kommunikationsmöglichkeiten von Donald Trump beschnitten und ihm damit die Möglichkeit nahmen, die Situation weiter zu eskalieren.
Profit vs. Haltung – When the silent spoke.
Es ist bemerkenswert, dass sich Unternehmen in einer politisch hochexplosiven Situation augenscheinlich ohne Not aus der Deckung wagen und für die Demokratie stark machen, da das Beziehen einer klaren Position in einer kontroversen sozialpolitischen Debatte – in diesem Kontext final pro oder contra Trump – mit größter Wahrscheinlichkeit potentielle Kunden des anderen politischen Lagers verprellen wird. Was also nun: Profit oder Haltung?
Diese Frage berührt eine Debatte, die in den Wirtschaftswissenschaften schon seit Dekaden die Gemüter erhitzt: Welchen Zweck haben Unternehmen? Beide Enden des Meinungsspektrums lassen sich einer Personen zuschreiben: Auf der einen Seite der Arena sehen wir den Ökonomen Milton Friedman, Begründer der „Shareholder Primacy“. Auf der anderen Seite steht der Philosoph Edward Freeman, Vertreter der „Stakeholder Theory“. Friedman sieht den einzigen Zweck einer Unternehmung im Erwirtschaften von Profit für die Teilhaber, Freeman hingegen in der Schaffung von Mehrwert für alle von der Unternehmung Betroffenen.
Es mag abgedroschen klingen, doch die Realität liegt irgendwo zwischen den theoretischen Extremen. Unternehmen fällen Entscheidungen oft unter Einbeziehung der Stakeholderinteressen – allerdings unter ökonomischen Gesichtspunkten. Damit steht wieder die Frage im Raum: Wieviel darf es ein Unternehmen kosten, in einer sozialpolitisch kontroversen Debatte Haltung zu zeigen?
Entweder, oder? Machen wir beides!
In meinem Paper „Investor Reaction to Corporations Condemning the U.S. Capitol Riot“ habe ich gezeigt, dass Haltung nichts kosten muss, sondern sich sogar auszahlen kann. Dazu habe ich zuerst die Statements aller Unternehmen gesammelt, die im S&P500 gelistet sind und sich im Nachgang des U.S. Capitol Riot ablehnend dazu geäußert haben. Im Rahmen einer Event-Studie habe ich im Anschluss ausgewertet, wie sich der Aktienkurs dieser Unternehmen im zeitlichen Umfeld des Statements verändert hat. Das Ergebnis belegt einen positiven Zusammenhang zwischen einer ablehnenden Äußerung und dem Unternehmenswert. Klarer formuliert: Die öffentliche Verurteilung des U.S. Capitol Riot hat dazu geführt, dass der Aktienwert des Unternehmens um durchschnittlich 0,39 Prozent anstieg.
Das gilt insbesondere (aber nicht ausschließlich), wenn das Unternehmen überwiegend zu den Demokraten neigende Stakeholder hat. Das ist nachvollziehbar, da eine Verurteilung des U.S. Capitol Riot eine eher Trump-kritische Haltung nahelegt, was wiederum die linksliberale Meinung in den USA abbildet. In anderen Worten: Unternehmen, die in ihrer politischen Haltung der Meinung ihrer Stakeholder entsprechen, profitieren besonders von Statements, die ihre Haltung – und damit auch die ihrer Stakeholder – spiegeln.
Und jetzt?
Die Erkenntnis, dass Unternehmen von politischer Stellungnahme profitieren können, ist nicht nur von akademischem Interesse. Unternehmen akkumulieren enorme Ressourcen, die sie in Akteure mit immenser Gestaltungsmacht verwandeln. In der Vergangenheit haben sie den politischen Entscheidungsbildungsprozess eher indirekt beeinflusst, durch Verbändeaktivitäten und Hinterzimmergespräche. Gegenwärtig zeigen sie ihre Haltung immer offener: Nike sprach sich 2020 klar für die BLM-Bewegung aus, Twitter schloss Donald Trumps Account im Anschluss an den U.S. Capitol Riot 2021, Starbucks positionierte sich in der Debatte um Abtreibung 2022 in den USA klar progressiv. Im Rahmen der Ukrainekriese 2022 schwappte dieser Trend nach Europa über, auch konservative deutsche Unternehmen wie BASF wickelten auf Basis ihrer Überzeugung das Geschäft in Russland weitestgehend ab.
Eine Vorhersage, ob die Politisierung von Unternehmen positive oder negative Konsequenzen haben wird, ist schwierig. Gleichzeitig ist klar, dass der Trend auf absehbare Zeit stärker werden wird: Konsumenten fordern ein entschiedenes Auftreten immer mehr ein. Unternehmen sollen Haltung zeigen. Das tun sie – und haben dabei in der Vergangenheit oft eine progressive, im Rahmen des U.S. Capitol Riot sogar eine demokratietragende Rolle gespielt. Die zukünftige Entwicklung hängt auch von den Konsumenten ab, die als Stakeholder mit ihren Entscheidungen Einfluss nehmen können. Die zunehmend politische Rolle von Unternehmen sollte daher als Chance für einen wertstiftenden Austausch zwischen mündigen Konsumenten, Unternehmen und Politik begriffen werden.