Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin. Die Staatsquote wird oft als Maßstab für staatliche Aktivitäten verwendet. Sie hat jedoch Schwächen: Zum einen wird der Einfluss des Staates durch Regulierungen vernachlässigt. Zum anderen bleibt der Einfluss des Staates mittels öffentlicher Unternehmen in der Staatsquote unberücksichtigt. Die Staatsquote untertreibt folglich das Ausmaß des Staatseinflusses. In vielen Debatten um den Umfang staatlicher Aktivität wird die Staatsquote als Indikator zur Hilfe gezogen. Als Maßstab staatlicher Aktivität hat das Verhältnis der gesamten
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.
Die Staatsquote wird oft als Maßstab für staatliche Aktivitäten verwendet. Sie hat jedoch Schwächen: Zum einen wird der Einfluss des Staates durch Regulierungen vernachlässigt. Zum anderen bleibt der Einfluss des Staates mittels öffentlicher Unternehmen in der Staatsquote unberücksichtigt. Die Staatsquote untertreibt folglich das Ausmaß des Staatseinflusses.
In vielen Debatten um den Umfang staatlicher Aktivität wird die Staatsquote als Indikator zur Hilfe gezogen. Als Maßstab staatlicher Aktivität hat das Verhältnis der gesamten Staatsausgaben zum BIP jedoch Schwächen. Zum einen wird der Einfluss des Staates durch Regulierungen vernachlässigt. Zum anderen bleibt der Einfluss des Staates mittels öffentlicher Unternehmen in der Staatsquote weitestgehend unberücksichtigt. Die Staatsquote untertreibt folglich das Ausmaß des Staatseinflusses. Eine „erweiterte Staatsquote“ zieht die Aktivitäten staatlicher Unternehmen mit in Betracht. Nach einer groben Schätzung fiel sie 2013 mit 48,35 % knapp 4 Prozentpunkte höher aus als die konventionelle Staatsquote.
Die „erweiterte Staatsquote“ erlaubt es zudem nachzuvollziehen, warum einige Menschen trotz einer seit Jahrzehnten relativ konstanten konventionellen Staatsquote den Rückbau des Staates durch Privatisierungen bedauern. Denn die weitreichenden Privatisierungen der 1980er, 1990er und 2000er Jahre trugen zu einem Rückgang der „erweiterten Staatsquote“ bei. Bedauernswert ist diese Entwicklung jedoch gerade nicht, weil der Staat sich aus Geschäftsfeldern zurückzog, auf denen konkurrierende private Anbieter effizienter agieren.
Staatsquote seit 1975 relativ konstant
Die Staatsquote – oder genauer Gesamtausgabenquote – stellt die staatlichen Gesamtausgaben relativ zum BIP dar. Zu den staatlichen Gesamtausgaben zählen Konsumausgaben des Staates, staatliche Investitionsausgaben, Sozialtransfers, Subventionen sowie Übertragungen an zwischenstaatliche Organisationen und Zinszahlungen auf öffentliche Schulden. Staatliche Konsumausgaben sind vor allem Ausgaben des Verwaltungsvollzugs wie Personalausgaben oder Ausgaben des laufenden Sachaufwands. Das Gehalt eines Polizisten findet hier ebenso Eingang wie das eines Lehrers. Daten des Bundesfinanzministeriums zeigen, dass noch 1960 die Staatsquote bei relativ niedrigen 32,9 % lag und 1996 ihren Höhepunkt bei 48,9 % fand. 2014 betrug sie schließlich 44,3 %. Trotz einer gewissen Schwankungsbreite, blieb die deutsche Staatsquote seit 1975 also relativ konstant.
Definition und Zuordnung öffentlicher Unternehmen
Auf europäischer Ebene definiert der Regelrahmen „Europäisches System Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“, welche Aktivitäten dem öffentlichen und dem privaten Sektor zuzuordnen sind. Ein Fond, eine Einrichtung oder ein Unternehmen gilt als öffentlich, wenn die öffentlichen Kernhaushalte des Bundes, der Länder, der Kommunen oder der Sozialversicherung mit mindestens 50 % am Stimmrecht oder Nennkapital beteiligt sind. Minderheitsbeteiligungen wie bei VW, an denen das Land Niedersachsen mit 20 % beteiligt ist, werden nicht mit einbezogen.
Betragen die Umsatzerlöse eines Unternehmens, an dem überwiegend öffentliche Haushalte beteiligt sind, mindestens 50 % seiner Kosten und erzielt es weniger als 80 % seines Umsatzes durch Leistungen an öffentliche Haushalte, fällt es unter „Sonstige Fonds, Einrichtungen und Unternehmen“ und gehört damit selbst nicht zu den öffentlichen (Extra-)Haushalten. Somit finden seine Aktivitäten keinen Niederschlag in den staatlichen Gesamtausgaben, die in die Berechnung der Staatsquote einfließen. Dies gilt zum Beispiel für Wasserwerke, öffentliche Krankenhäuser oder auch für die Deutsche Bahn, an der einzig der Bund Anteile hält.
Öffentliche Unternehmen in Zahlen
Daten zu öffentlichen Unternehmen, Fonds und Einrichtungen sind rar gesät. Im Jahr 2013 gab es 15.314 kaufmännisch buchende öffentliche Unternehmen, von denen 9.964 eine private Rechtsform, zumeist GmbH, und 5.350 eine öffentlich-rechtliche Rechtsform hatten. Nicht inbegriffen sind 3.625 kameral buchende öffentlichen Einheiten.
Die 15.314 öffentlichen Unternehmen, Fonds und Einrichtungen erzielten 2013 Umsätze in Höhe von 528,77 Milliarden Euro und beschäftigten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 1,97 Millionen Menschen. Etwa 17 % dieser kaufmännisch buchenden öffentlichen Unternehmen, Fonds und Einrichtungen wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2013 dem Sektor Staat zugeordnet. Die restlichen 83 % sind im Rahmen eines Versuchs der Skizzierung des Umfangs staatlicher Aktivität allerdings ebenfalls zu berücksichtigen.
Nach Auskunft des Statistischen Bundesamts wurden 967 der 3.625 kameral buchenden Einheiten 2013 ebenfalls nicht dem Sektor Staat zugeordnet. Sie zu berücksichtigen ist jedoch nicht möglich, weil detaillierte Informationen zu ihnen, beispielsweise hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten, nicht vorliegen.
Staatsquote: Berücksichtigung öffentlicher Unternehmen
Eine Möglichkeit, öffentliche Unternehmen in die Staatsquote einfließen zu lassen, besteht gerade über die Wertschöpfung ihrer Beschäftigten. Die konventionelle Staatsquote berücksichtigt den Output beispielsweise eines Lehrers, indem sein Gehalt in die Konsumausgaben des Staates einfließt. Das Gehalt zeigt näherungsweise den Wert des Outputs des Lehrers an. Ähnlich kann die Wertschöpfung der Beschäftigten staatlicher Unternehmen berücksichtigt werden, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung derzeit nicht dem Staat zugerechnet werden. Leider stehen für die Gesamtheit der öffentlichen Unternehmen kaum detaillierte Angaben zur Verfügung.
Erweiterte Staatsquote: Ein Berechnungsversuch
Die Wertschöpfung öffentlicher Unternehmen, die nicht dem Sektor Staat zugeordnet werden, lässt sich deshalb über die Anzahl der Mitarbeiter nur grob bestimmen.
In Deutschland ließen etwa 42,3 Millionen Erwerbstätige 2013 insgesamt ein BIP von 2820,82 Milliarden Euro entstehen. Die durchschnittliche Wertschöpfung pro Erwerbstätigem im staatlichen und privaten Sektor betrug 2013 somit 66.735 Euro.
2013 wurden 83 % der öffentlichen Unternehmen nicht dem Sektor Staat zugeordnet. Unter der Annahme, die 1,97 Millionen Beschäftigten der öffentlichen Unternehmen waren gleichmäßig auf sie verteilt, ergibt sich eine Wertschöpfung in öffentlichen Unternehmen, die nicht dem Staat zugerechnet wurden, von 109 Milliarden Euro oder 3,85 % des BIP.
Im Vergleich zur konventionellen Staatsquote von 2013 von 44,5 % war die erweiterte Staatsquote demnach um fast 4 Prozentpunkte höher und betrug 48,35 %.
Einfluss des Staates: Substantiell, nicht marginal
Angesichts der schwierigen Datenlage kann die hier erfolgte Berechnung der „erweiterten Staatsquote“ nicht mehr als eine grobe Schätzung sein. Dennoch weist sie deutlich darauf hin, dass die konventionelle Staatsquote den Umfang staatlicher Aktivität untertreibt. Knapp 4 Prozentpunkte des BIP in 2013 waren keine Kleinigkeit und beliefen sich auf mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben des Bundes.
Vor allem die großen Privatisierungen von Unternehmen wie VIAG, Deutsche Post und Deutsche Telekom lassen vermuten, dass der Anteil öffentlicher Unternehmen an der „erweiterten Staatsquote“ in den vergangenen Jahrzehnten fiel. Obwohl die konventionelle Staatsquote darauf keinen Hinweis gibt, wurde der Staat zurückgebaut. Allerdings erfolgte der Staatsrückbau durch Privatisierungen in Industrien, die nicht zu den Kernaufgaben des Staates zu zählen sind, und ist zu begrüßen, weil im Wettbewerb miteinander stehende private Anbieter besser geeignet sind diese Leistungen zu erbringen.
Auch die „erweiterte Staatsquote“ untertreibt jedoch den substantiellen Umfang des staatlichen Einflusses. Erstens, 967 kameral buchende staatliche Einheiten müssten zusätzlich dem Sektor Staat zugerechnet werden. Zweitens, staatliche Minderheitsbeteiligungen wie bei VW, der Telekom oder der Commerzbank werden nicht berücksichtigt. Drittens, auch die „erweiterte Staatsquote“ zeigt nicht an, wie stark der Einfluss des Staates durch Gesetze und Regulierungen ist, die keine oder nur schwache fiskalische Spuren hinterlassen, aber das Verhalten von Individuen maßgeblich beeinflussen und in den vergangenen Jahrzehnten möglicherweise an Gewicht gewonnen haben.