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Fakten zum Bargeldgebrauch

Summary:
Berichte über eine mögliche Einschränkung von Bargeldzahlungen und eine Abschaffung der 500-Euro-Note haben hohe Wellen geworfen. Dieser Beitragt relativiert einige Argumente gegen eine Bargeldeinschränkung und zeigt, warum Bargeld überhaupt so beliebt ist. Als erstes sei hiermit darauf hingewiesen, dass im aktuellen Kontext nicht eine eigentliche Bargeldabschaffung diskutiert wird, sondern lediglich eine Beschränkung der Barzahlungen am Verkaufspunkt sowie die Abschaffung der 500er-Euro-Note. Dass damit suggeriert wird, Bargeld wird gänzlich aus dem Zahlungsverkehr in Bälde verschwinden und der Bürger in seiner Freiheit beschnitten, verkennt die Realität der Bargeldzahlungen. Verschiedene Untersuchungen zu aktuellen individuellen Zahlungsgewohnheiten in europäischen Ländern wie Deutschland, Österreich, Frankreich und die Niederlande (sowie auch Kanada und USA), welche aufgrund der Anonymität von Bargeld mithilfe von Zahlungstagebüchern erfasst wurden, haben dabei Folgendes gezeigt. Der durchschnittliche Zahlungsbetrag am Verkaufspunkt mit Bargeld befindet sich im sogenannten Kleinbetragsbereich (rund 20 Euro). Insgesamt werden 82 Prozent (in DE und AT) aller Transaktionen in bar abgewickelt, wertmässig mach diese Transkationen insgesamt 53 (DE) bzw. 65 Prozent (AT) aus (vgl. Bagnall et al., 2014).

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Tobias Trütsch considers the following as important:

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Berichte über eine mögliche Einschränkung von Bargeldzahlungen und eine Abschaffung der 500-Euro-Note haben hohe Wellen geworfen. Dieser Beitragt relativiert einige Argumente gegen eine Bargeldeinschränkung und zeigt, warum Bargeld überhaupt so beliebt ist.

Als erstes sei hiermit darauf hingewiesen, dass im aktuellen Kontext nicht eine eigentliche Bargeldabschaffung diskutiert wird, sondern lediglich eine Beschränkung der Barzahlungen am Verkaufspunkt sowie die Abschaffung der 500er-Euro-Note. Dass damit suggeriert wird, Bargeld wird gänzlich aus dem Zahlungsverkehr in Bälde verschwinden und der Bürger in seiner Freiheit beschnitten, verkennt die Realität der Bargeldzahlungen. Verschiedene Untersuchungen zu aktuellen individuellen Zahlungsgewohnheiten in europäischen Ländern wie Deutschland, Österreich, Frankreich und die Niederlande (sowie auch Kanada und USA), welche aufgrund der Anonymität von Bargeld mithilfe von Zahlungstagebüchern erfasst wurden, haben dabei Folgendes gezeigt. Der durchschnittliche Zahlungsbetrag am Verkaufspunkt mit Bargeld befindet sich im sogenannten Kleinbetragsbereich (rund 20 Euro). Insgesamt werden 82 Prozent (in DE und AT) aller Transaktionen in bar abgewickelt, wertmässig mach diese Transkationen insgesamt 53 (DE) bzw. 65 Prozent (AT) aus (vgl. Bagnall et al., 2014).

Für die Schweiz besteht bis anhin keine detaillierte Untersuchung – es muss aber aufgrund einer Analyse von Jaeger et. al. (2013) davon ausgegangen werden, dass sich die Zahlen in einem ähnlichen Rahmen wie in Deutschland und Österreich bewegen. Bargeld wird also hauptsächlich für Kleinbeträge verwendet, während mit zunehmendem Transaktionsbetrag vermehrt Debit- und Kreditkarten eingesetzt werden und wert- und transaktionsmässig das Residual der oben genannten Angaben bilden (vgl. Bagnall et al., 2014). Aus dem tiefen Durchschnittsbetrag lässt sich schliessen, dass die Einführung einer Bargeldobergrenze die grosse Mehrheit der Zahlungsvorgänge überhaupt nicht tangiert. Damit wird auch die Verfügbarkeit von Noten mit grossem Nennwert obsolet, die beim individuellen Zahlungsverkehr kaum eine Rolle spielen und, obwohl gesetzlich verpflichtet, von den Händlern aufgrund von Sicherheitsaspekten teilweise gar nicht akzeptiert werden.

Freiheit für alle Akteure

Geht man aber von der Annahme aus, dass die Noten mit hohen Nennwert auch als Zahlungs- und nicht als Wertaufbewahrungsmittel benutzt werden, dann trifft dies wohl eher auf institutionelle Akteure und Transaktionsgeschäfte zwischen Personen zu. Damit ist jedoch das Argument der Einschränkung der individuellen Freiheit bei einer Bargeldbeschränkung nicht mehr stichhaltig, da es sich bei ersteren um Institutionen handelt und bei letzteren sowieso nicht kontrolliert werden kann, wie hoch die Bargeldtransaktionen ausfallen und wo bzw. wann diese getätigt wurden.

Wenn die gelebte Freiheit in Form von Bargeld derart wichtig erscheint, sollte – frei nach liberalen Prinzipien – jedem Händler frei zustehen, ob er Bargeld als allgemeines Zahlungsmittel akzeptieren will oder nicht. Damit müsste eher die allgemeine Akzeptanzpflicht von Bargeld als das Bargeld selber abgeschafft werden. Faktisch wird diese bei Noten mit hohem Nennwert sowieso nicht erfüllt. Mittlerweile gibt es verschiedene Zahlungsmittel, mit dem der Konsument zahlen kann. Zudem ist zu prüfen, ob die Händler bei Akzeptanz unterschiedlicher Zahlungsmittel (inklusive Bargeld) unterschiedlich hohe Transaktionsgebühren erheben dürfen, um die unterschiedlich hohen sozialen Kosten (interne Kosten aller Markteilnehmer exkl. externe Kosten in Form von Gebühren) der Zahlungsmittel abzugelten, von denen Bargeld die grössten verursacht (siehe unten). Bereits jetzt werden ein Teil der Kosten, die bei Verwendung von Zahlungsmittel anfallen, in Form von höheren Produktpreisen alimentiert. Die vollkommene Intransparenz dieser Kostenstrukturen führt schliesslich dazu, dass Bargeld aus individueller Optik als kostenlos angesehen wird und dies somit zu einer Überbeanspruchung von Bargeld führt. Es gibt aber noch einen anderen Erklärungsansatz für den verbreiteten Gebrauch von Bargeld.

Bargeld als letztes physisches Zahlungsmittel

Die historische Entwicklung des Tauschhandels, beginnend mit Naturalgeld über wertvolle Metalle hin zu Papiergeld und Buchgeld, zeigt, dass Bargeld als letztes der aktuellen Zahlungsmittel den Wert in physischer Form überträgt. Verbunden mit unterschiedlichen Zahlungsmitteln sind kognitive und emotionale Bindungen, die sich aufgrund der zeitlichen physischen Interaktion mit diesen ergeben haben (Stichwort „Anchoring“). Daher erstaunt es nicht, dass ältere Personen, die ihren Lohn früher in Form von Bargeld in einer Lohntüte erhalten haben, heute positive Assoziationen mit Bargeld verbinden und dieses auch vermehrt einsetzen. Debit- und Kreditkarten, welche auf Buchgeld basieren, sind im Gegensatz zu Bargeld eher eine junge Erscheinung und damit weniger kognitiv verankert. Aus der zeitlichen Perspektive erkennt man aber, dass mit zunehmender Konfrontation Personen andere Zahlungsmittel wie Zahlungskarten vermehrt einsetzen. Die emotionalen Aspekte, die mit Zahlungsmittel verbunden sind, beeinflussen die Wahl des Zahlungsmittels stark und wirken sich sogar in signifikanter Weise auf das Kaufverhalten aus.

Durch die physische Wertübertragung ist Bargeld das transparenteste Zahlungsmittel überhaupt, das eine exakte Einschätzung der Wertveränderung zulässt und die Zahlung direkt an den Konsum knüpft – dies im Gegensatz zu Debitkarten und insbesondere Kreditkarten, welche die Zahlung zeitlich und als einzelne Transaktion vom Kauf trennt. Dieser psychologische „Schmerz des Bezahlens“ ermöglicht eine bessere Kontrolle über vergangene Ausgaben und mindert damit das Kaufverhalten (Soman, 2001). Gleiches lässt sich beobachten, wenn Personen Noten mit grossem Nennwert auf sich tragen als viele Scheine mit kleinem Nennwert und gleichem Betrag, weil damit die Ausgaben besser kontrolliert werden können (Raghubir und Srivastava, 2009). Aufgrund dieser Beobachtung besteht zumindest aus Konsumentensicht kein Anreiz, dass grosse Noten überhaupt emittiert werden. Wird aufgrund der einzigartigen Eigenschaft Bargeld deshalb bestehen bleiben?

Nicht alles Geld was glänzt

Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Bargeld mit Abstand am meisten soziale Kosten im Zahlungsverkehr verursacht, die in der EU27 auf knapp 0,5 Prozent des BIP geschätzt wurden (Schmiedel et al., 2013). Dies mitunter vor allem deshalb, weil es mit sehr hohen Transaktionskosten verbunden ist. Aus historischer Perspektive hat ein effizientes Zahlungsmittel immer jeweils ein ineffizientes verdrängt bzw. substituiert (siehe oben). Die Anzahl Zahlungsmittelinnovationen, welche die Transaktionskosten im Gegensatz zu Bargeld stark minimieren, hat in den letzten 50 Jahren überproportional zugenommen (Zahlungskarten, mobiles Bezahlen, online Banking etc.). Glaubt man der Diffusionstheorie von Rogers (2003), welche die Verbreitung von Innovation anhand einer ‚S‘-Kurve beschreibt, und der vergangenen Entwicklung der Zahlungsmittel, wird sich dies im Fall des Bargeldes auf lange Sicht auch wiederholen, denn für kommende Generationen wird Bargeld eine immer geringere Rolle spielen im Zahlungsverkehr. In kurzer Sicht jedoch wird aufgrund der einzigartigen Eigenschaften – sofern nicht gänzlich verboten – Bargeld weiterhin als Zahlungsmittel bestehen. Mit der Blockchain-Technologie ist jedoch bereits ein neuartiges Zahlungsmittelsystem in der Entstehung, das punkto Sicherheit, universeller Einsatzfähigkeit und Transaktionskosten sowohl Buch- als auch Bargeld in den Schatten stellt. Ob dann die mögliche Einsatzbeschränkung der Debit- und Kreditkarte auch derartige Wellen schlägt, ist vor dem Hintergrund der momentanen Diskussion um Bargeld wohl zu erwarten.

Bagnall, J., Bounie, D., Huynh, K. P., Kosse, A., Schmidt, T., Schuh, S. and Stix, H. (2014) Consumer Cash Usage: A Cross-Country Comparison with Payment Diary Survey Data, Working Paper No. 14-4, The Federal Reserve Bank of Boston.

Jaeger, F. Güssow, C. und Trütsch, T. (2013) Cards’13-Studie: Entwicklungsperspektiven für den Schweizer Zahlungskartenmarkt, Universität St. Gallen

Raghubir, P. and Srivastava, J. (2008) Monopoly money: the effect of payment coupling and form on spending behavior, Journal of Experimental Psychology, 14(3), 213-225.

Rogers, E. M. (2003) Diffusion of Innovation (5th ed.), The Free Press, New York.

Schmiedel, H., Kostova, G. L. and Ruttenberg, W. (2013) The Social and Private Costs of Retail Payment Instruments: A European Perspective, Journal of Financial Market Infrastructures, 2(1).

Soman, D. (2001) Effects of Payment Mechanism on Spending Behavior: The Role of Rehearsal and Immediacy of Payments, Journal of Consumer Research, 27, 460-474.

©KOF ETH Zürich, 12. Feb. 2016

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