Photo: Rebecca Campbell from Unsplash (CC 0) Alles sieht danach aus, als fände die Präsidentschaft Trumps schon bald ihr Ende. Sollte dies friedlich und demokratisch gelingen, könnten die vergangen vier Jahr letztendlich als Triumph der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen in die Geschichte eingehen. Das letzte Kapitel eines demokratischen GAUs Aus freiheitlicher Sicht war die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ein demokratischer GAU. Darüber können weder eine gut umgesetzte Steuerreform noch das alternative Schreckensszenario eines sozialistischen Präsidenten Sanders hinwegtäuschen. Bei der jetzt anstehenden Wahl geht es kaum noch um konkrete Politikvorschläge, sondern nur noch darum, wieder Anstand und Würde ins Weiße Haus zu bringen. Weshalb sich selbst
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Alles sieht danach aus, als fände die Präsidentschaft Trumps schon bald ihr Ende. Sollte dies friedlich und demokratisch gelingen, könnten die vergangen vier Jahr letztendlich als Triumph der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen in die Geschichte eingehen.
Das letzte Kapitel eines demokratischen GAUs
Aus freiheitlicher Sicht war die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ein demokratischer GAU. Darüber können weder eine gut umgesetzte Steuerreform noch das alternative Schreckensszenario eines sozialistischen Präsidenten Sanders hinwegtäuschen. Bei der jetzt anstehenden Wahl geht es kaum noch um konkrete Politikvorschläge, sondern nur noch darum, wieder Anstand und Würde ins Weiße Haus zu bringen. Weshalb sich selbst gestandene Republikaner, wie der frühere Gouverneur von Ohio, John Kasich, für Joe Biden einsetzen. Denn wie keine andere vor ihr, hat die Trump-Administration den Respekt vor dem Individuum vermissen lassen. Der Präsident hat mit seinem uninformierten, respekt- und verantwortungslosen, sich stets selbst unterbietenden Auftreten die Institutionen des Landes bis aufs Äußerste strapaziert. Aber: Selbst ein letztlich durch Zufälle an die Spitze des mächtigsten Landes der Welt gerückter Mobster konnte dessen grundlegende Institutionen eben nur strapazieren und nicht zerstören. Und das ist auch der Grund, weshalb aller Voraussicht nach in 11 Tagen das letzte Kapitel der unheilvollen Präsidentschaft Trumps aufgeschlagen wird.
Institutionen sind das Pauspapier unseres Alltags
Sensible Einrichtungen wie beispielsweise Kernkraftwerke werden so geplant, dass sie selbst einen „größten anzunehmenden Unfall“ überstehen, ohne ihre strukturelle Integrität zu verlieren. Selbst eine Kernschmelze sollte idealerweise nicht zum Einstürzen des gesamten Gebäudes und einer dann unvermeidlichen weitflächigen Verstrahlung führen. Mit den Institutionen, die das Miteinander in einer Gruppe von Menschen leiten – von der Familie bis zum Staatsvolk –, verhält es sich in der Regel ganz ähnlich. Der große Wirtschafts-Nobelpreisträger Douglass North lehrt, dass Institutionen die Spielregeln des menschlichen Zusammenlebens sind. Von der „Kehrwoche“ über die Ampel, das Schlange-Stehen, das Baurecht bis zur Verfassung: Institutionen leiten, ermöglichen und bewahren menschliche Kooperation. Sie sind das Pauspapier unseres Alltags ohne das wir Stunden bis Jahre damit verbringen würden, uns auf die einfachsten Dinge zu einigen und diese Vereinbarungen durchzusetzen.
In modernen Demokratien sind die wichtigsten Institutionen in der Verfassung zusammengefasst, deren Auslegung dem Verfassungsgericht obliegt. Die Verfassung nimmt unter den Institutionen eine herausragende Position ein, da die in ihr niedergelegten Regeln allen anderen übergeordnet sind und ihre Grundsätze nur durch besonders qualifizierte Mehrheiten oder aber überhaupt nicht geändert werden können. So besagt beispielsweise Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes (auch bekannt als Ewigkeitsklausel), dass bestimmte Grundsätze wie die Menschwürde, die Gewaltenteilung oder das Rechtsstaatsprinzip durch Änderungen nicht berührt werden dürfen.
Verfassungen ordnen kurzfristige Interessen den langfristigen unter
Im Kern löst eine robuste Verfassung damit ein Grundproblem der Demokratie: Wie können Minderheiten gegenüber der regierenden Mehrheit effektiv geschützt werden? Und zwar auf eine Weise, dass Minderheiten ihren Status für den Moment akzeptieren? Friedrich August von Hayek beschreibt in seinem Werk „Die Verfassung der Freiheit“ in der Lösung dieses Problems den essentiellen Beitrag von Verfassungen zu freiheitlichen Demokratien:
Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, daß ein Verfassungssystem keine absolute Beschränkung des Volkswillens in sich schließt, sondern nur eine Unterordnung der unmittelbaren unter die langfristigen Ziele. Im Ergebnis bedeutet dies eine Begrenzung der Möglichkeiten, die einer vorrübergehenden Mehrheit zur Erreichung besonderer Ziele offenstehen, durch allgemeine Grundsätze, die von einer andere Mehrheit eine lange Periode im voraus aufgestellt wurden.
Das bedeutet: Eine Verfassung kann unheilvolle Veränderungen verzögern, in dem sich ihre Gegner sprichwörtlich ihre Zähne an ihr ausbeißen. Dass auch diese Festung der Freiheit irgendwann unter Druck zusammenbricht, zeigen Beispiele aus der Geschichte und leider auch aus der Gegenwart. Die Verantwortung für das Fortbestehen einer freiheitlichen Gesellschaft und die Lösung von grundlegenden und neuen Wertekonflikten liegt also letztendlich immer bei der Zivilgesellschaft. Eine Tatsache, die in den letzten Jahren in Deutschland zu wenig Beachtung fand, weil das Verfassungsgericht immer häufiger mit der Lösung politischer Konflikte betraut wurde.
Donald Trump ist der ultimative Robustheitstest für die US-Institutionen
Falls in 11 Tagen das erste Mal seit George H. W. Bush im Jahr 1992 wieder ein Präsident aus dem Weißen Haus herausgewählt wird, endet damit auch ein gigantischer Robustheitstest für die US-amerikanischen Institutionen. Und das vermutlich mit einem großen Knall, denn wohl keine Funktion von Verfassungen ist so wichtig, wie diejenige, die Karl Popper mit den Worten beschrieb: „Ein Staat ist politisch frei, wenn seine politischen Institutionen es seinen Bürgern praktisch mögliche machen, ohne Blutvergießen einen Regierungswechsel herbeizuführen“. Von 1776 bis heute haben die Institutionen der USA bestanden und die Integrität des Landes als demokratische Republik erhalten. Anders als Trump es gerne hätte, ist ihm der Surpreme Court trotz der Ernennung zweier Richter in seiner Amtszeit alles anders als hörig – was unter anderem die ablehnende Entscheidung des Gerichts zur geplanten Deportation von 700.000 auf US-Boden aufgewachsenen Kindern von irregulären Immigranten zeigt. Daran wird auch die Ernennung Amy Coney Barretts nichts ändern, die in den Anhörungen durchaus überzeugend deutlich gemacht hat, dass sie sich mehr der Verfassung als dem Heil des aktuellen Präsidenten verpflichtet fühlt.
Vielleicht noch wichtiger als die Zähmung eines irrlichternden Staatsoberhaupts war aber vermutlich die Selbstdisziplin der Opposition. Schon kurz nach der Wahl träumten nicht wenige Demokraten öffentlich von einer Abspaltung derjenigen Teile des Landes an den Küsten, für die Trump mehrheitlich die Inkarnation des Bösen ist. Die politische Stimmung war schließlich schon vor der Wahl auf unselige Art überhitzt, wofür beide Seiten verantwortlich sind. Dass Trump dann die Stimmmehrheit um knapp 3 Millionen verfehlte und trotzdem ins Weiße Haus einzog, fügte der Enttäuschung über die Niederlage noch das Gefühl hinzu, betrogen und beraubt worden zu sein. Aber selbst die erstaunlich lange Liste von Skandalen, Fehltritten, Rücktritten, Rauswürfen, Unberechenbarkeiten, Lügen und Rechtsstreitigkeiten einschließlich eines Amtsenthebungsverfahrens brachten das Fass nicht zum Überlaufen. Ganz im Sinne Hayeks fand sich die Opposition, bei den Demokraten und auch innerhalb der Republikaner, mit der vorrübergehenden Rolle als Minderheit ab und behalf sich mit den ihr rechtmäßig zustehenden Mitteln.
An den institutionellen Grundfesten der USA hat sich der Trumpismus die Zähne ausgebissen
Sicherlich haben die letzten vier Jahre die Vereinigten Staaten und damit auch die gesamte westliche Welt verändert. Zu wichtig sind informelle Regeln gerade auch in der internationalen Politik. Doch an den institutionellen Grundfesten der USA, Demokratie, Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte und Medien, hat sich der Trumpismus die Zähne ausgebissen. Deshalb wird es auch einen friedlichen Übergang der Macht geben, sollten sich alle aktuellen Wahlumfragen bewahrheiten. Zu stark ist noch das Institutionengefüge und zu weit entfernt ist der Reality-TV-Star Trump vom Potential seiner tatsächlich autokratischen Vorbilder Putin, Erdogan und Jinping. Am Ende können diese vier Jahre also doch noch ein Sieg der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen bedeuten.