Photo: Panpan Lin from Flickr (CC BY 2.0) Es ist ein Paukenschlag. Eine Watschen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu den Staatsanleihen-Ankäufen der EZB (PSPP) letzte Woche in mehrere Richtungen ausgeteilt und wichtige Weichen gestellt. Erstens in Richtung der Bundesregierung und des Parlaments. Beide haben ihre Kontrollfunktion nicht hinreichend ausgeübt. Sie hätten, so verlangt es das Verfassungsgericht, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB drängen müssen. Dieser Hinweis ist wichtig. Zu Beginn der Euro-Krise galt es noch als „Majestätsbeleidigung“, die EZB und ihren jeweiligen Präsidenten zu kritisieren. Es galt immer als Einmischung in die Unabhängigkeit der Geldpolitik. Das hat sich im Lauf der letzten Jahre zwar etwas verändert, aber dennoch kann von einer
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Es ist ein Paukenschlag. Eine Watschen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu den Staatsanleihen-Ankäufen der EZB (PSPP) letzte Woche in mehrere Richtungen ausgeteilt und wichtige Weichen gestellt.
Erstens in Richtung der Bundesregierung und des Parlaments. Beide haben ihre Kontrollfunktion nicht hinreichend ausgeübt. Sie hätten, so verlangt es das Verfassungsgericht, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB drängen müssen.
Dieser Hinweis ist wichtig. Zu Beginn der Euro-Krise galt es noch als „Majestätsbeleidigung“, die EZB und ihren jeweiligen Präsidenten zu kritisieren. Es galt immer als Einmischung in die Unabhängigkeit der Geldpolitik. Das hat sich im Lauf der letzten Jahre zwar etwas verändert, aber dennoch kann von einer Kontrolle und einer Prüfung durch das Parlament keine Rede sein. Dabei ist die EZB nicht freischwebend, sondern lediglich unabhängig von der Politik im Rahmen des Gesetzes.
Insbesondere die Kollateralschäden wurden vernachlässigt. Diese sind inzwischen erheblich. Allein die Orientierung am Inflationsziel von zwei Prozent und dieser Erfüllung alles unterzuordnen, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Allein seit 2010 haben Sparer hierzulande rund 360 Milliarden Euro verloren. Das sind 365 Euro pro Bürger und Jahr. Die Vermögenspreise bei Immobilien und Unternehmenswerten sind durch das billige Geld der EZB, zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise, erheblich angestiegen. Die Anzahl der Zombie-Unternehmen nimmt aber seitdem wenig überraschend auch enorm zu. Immer mehr Unternehmen konnten schon vor dem aktuellen Shutdown ihre Schuldzinsen nicht mehr aus ihren Jahresüberschüssen bedienen. Das ist nicht nur ein Problem in Italien und Griechenland, sondern auch in Deutschland. 1980 lag die Zombie-Quote in Deutschland bei zwei Prozent, 2016 schon bei 16 Prozent und jetzt wird sie im Zuge der Corona-Krise, der zusätzlich lockeren Geldpolitik und der neuerlichen Konjunkturprogramme, weiter steigen.
Dies ist auch der entscheidende Grund dafür, weshalb die Investitionskraft in Deutschland seit vielen Jahren erlahmt. Wenn immer mehr Unternehmen zombiefiziert sind, dann kann eine Wirtschaft nicht produktiver werden. Auch das kann seit langem belegt werden. Denn die Arbeitsproduktivität ist auf einem historisch niedrigen Niveau. Faktisch stagniert sie in diesem Land. Das kann man als Beleg dafür werten, dass das Wachstum bis zur Corona-Krise zu nicht unerheblichen Teilen auf Sand gebaut war.
Zweitens ist bemerkenswert, dass das Verfassungsgericht sich vom Europäischen Gerichtshof emanzipiert hat. „Die Auffassung des Gerichtshofs … ist wegen der vollständigen Ausklammerung der tatsächlichen Auswirkungen des Programms auf die Wirtschaftspolitik methodisch schlechterdings nicht mehr vertretbar“. Mehr Misstrauen geht nicht! Das ist notwendig und richtig. Denn auch der EuGH muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und die Auswirkungen auf die Bürger berücksichtigen. Letztlich ist es ein sehr kluges Urteil. Das Verfassungsgericht setzt die Regierung und das Parlament und Druck, nicht weiter auf die EZB zu setzen, indem ökonomische Probleme geldpolitisch gelöst werden sollen. Vielmehr sollen sie selbst die notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen und dafür auch die Verantwortung zu tragen. Dazu gehört auch, dass das Mandat der EZB dringend konkretisiert werden muss. Der Begriff der Geldwertstabilität muss präzisiert werden. Den Spielraum beim Ankauf von Wertpapieren auf dem Sekundärmarkt nutzt die EZB bis zum Exzess. Es genügt ihr die berühmte Sekunde, um diese Eingriffe als Sekundärmarktankauf zu kaschieren. Auch die nationalen Geldschöpfungsmöglichkeiten an der EZB-Geldpolitik vorbei (Anfa-Ankäufe) müssen ausgeschlossen werden.
Gleichzeitig ist der Beschluss aber auch eine Rückendeckung für Jens Weidmann und die Bundesbank. Seine Rolle wird im EZB-Rat gestärkt. Denn dieser muss in den nächsten 3 Monaten sein Mandat für die Anleihenkäufe (PSPP) neu formulieren und begründen. Die Rückendeckung aus Karlsruhe kann hier helfen. Die EZB, warnt der der 2. Senat, kann „das „PSPP“ immer weniger ohne Gefährdung der Stabilität der Währungsunion beenden und rückabwickeln“. Das stimmt leider. Allein in diesem Jahr wird die EZB Schulden in der Größenordnung von 1.100 Milliarden Euro ankaufen. Das sind 9,2 Prozent der Wirtschaftskraft der Eurostaaten (2019). Die EZB agiert nach dem Motto: nach uns die Sintflut.