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Pseudowissenschaft in der Volkswirtschaftslehre

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Die Volkswirtschaftslehre steht in der Kritik, doch oft aus falschen Gründen. Eine engstirnige, orthodoxe Mainstream-Ökonomie existiert nicht, es herrscht ein vitaler Wettbewerb der Ideen, wie dieser Beitrag zeigt. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt wird der Wirtschaftswissenschaft von mancher Seite eine existentielle Krise angedichtet und zugleich ein Paradigmenwechsel gefordert.

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Die Volkswirtschaftslehre steht in der Kritik, doch oft aus falschen Gründen. Eine engstirnige, orthodoxe Mainstream-Ökonomie existiert nicht, es herrscht ein vitaler Wettbewerb der Ideen, wie dieser Beitrag zeigt.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt wird der Wirtschaftswissenschaft von mancher Seite eine existentielle Krise angedichtet und zugleich ein Paradigmenwechsel gefordert.[ 1 ] Die mediale Darstellung spitzt die aktuelle Diskussion gerne auf einen Konflikt zwischen “Mainstream” und “alternativen” Zugängen zur Volkswirtschaftslehre zu.

Der Fortschritt im Wissen über ökonomische Zusammenhänge vollzieht sich ähnlich wie in den Naturwissenschaften. Im Rahmen des anerkannten Erkenntnisgewinnungsprozesses folgt die sogenannte “Mainstream”-Ökonomie einem einzigen Regelwerk, nämlich der wissenschaftlichen Methode: Hypothesen werden auf Basis eines theoretischen Fundaments abgeleitet und umfassend empirisch überprüft. Dabei kommt ein breiter Kanon an unterschiedlichsten Ansätzen zum Einsatz. Verhaltensökonomische Theorien werden beispielsweise oftmals anhand von Labor- und/oder Feldexperimenten überprüft, makroökonomische Zusammenhänge oder neue Außenhandelstheorien werden unter Anwendung von ökonometrischen und simulationsbasierten Verfahren einer rigorosen Untersuchung unterzogen. Auch qualitative Ansätze kommen bei geeigneten Fragestellungen zum Einsatz.

Wettbewerb der Ideen

Die Akzeptanz und sorgfältige Anwendung der wissenschaftlichen Methode stellt somit die einzige Bedingung dar, um in der ökonomischen Fachszene anerkannt zu werden. Eine engstirnige, orthodoxe Mainstream-Ökonomie – wie sie von ihren Kritikern entweder aus Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber den Tatsachen dargestellt wird – existiert in dieser Form nicht. Auch ist es im Mainstream völlig unbestritten, dass  die vorherrschenden Sichtweisen herauszufordern und neue (überzeugende und logisch konsistente) Theorien einzubringen sind, um zu wissenschaftlichem Fortschritt gelangen zu können. Dementsprechend findet über eine Vielzahl an ökonomischen Fragestellungen eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung statt; von Dogmatismus kann keine Rede sein. Davon zeugen beispielsweise die Diskussionen über die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise und über die Wirkungsweise der getätigten Politikreaktionen, insbesondere in Bezug auf die Rolle von Geld-, Fiskal- und Regulierungspolitik. Ein weiteres Beispiel ist die Debatte über die Ursachen der wachsenden Einkommens- und Vermögensungleichheit in den “Industrieländern” und deren wirtschaftspolitische Implikationen.

Demgegenüber findet man in “alternativen” Strömungen in der Regel eine erstaunliche Einmütigkeit in den Theorien und den daraus abzuleitenden wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen. In der Tat sind viele Strömungen der alternativen Ökonomik – ohne es zu merken oder wahrhaben zu wollen – von jenem Dogmatismus geprägt, den sie dem Mainstream vorwerfen.

Wenn es nun von Seiten der alternativen Ansätze ein ernsthaftes Interesse an einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung gäbe, würde man sich erwarten, dass diese in der wissenschaftlichen Arena ausgetragen werden würde: Theorien wären zu präsentieren, empirische Evidenz müsste vorgelegt werden. Auf Basis der wissenschaftlichen Methode könnte dann ein vorläufiges Urteil fallen, welches bis zur Widerlegung durch neue Daten und Erkenntnisse Bestand hätte. Ein derartiger Lernprozess definiert die Mainstream-Ökonomie und erklärt die Dynamik in einer Disziplin, in der viele Ideen, die vor Jahrzehnten Teil des anerkannten Theoriegebäudes der Wirtschaftswissenschaften waren, durch Evidenz falsifiziert und von anderen Theorien ersetzt wurden. Konventionelle Entwicklungshilfe ist demnach keine effiziente Politikmaßnahme, um in armen Ländern nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzeugen; auch müssen Mindestlöhne nicht, wie früher oft angenommen, notwendigerweise zu höherer Arbeitslosigkeit führen.

Keine Mainstream-“Verschwörung”

Die explizite Ablehnung der wissenschaftlichen Methode zeichnet viele (wenn auch nicht alle) alternativen Zugänge in den Wirtschaftswissenschaften aus. So ist für eine Vielzahl dieser Strömungen eine positivistische Einstellung und eine damit einhergehende Formalisierung zur Entdeckung von ökonomischen Zusammenhängen in der Sozialwissenschaft nicht vertretbar. Die daraus resultierende Unmöglichkeit, diese Ansätze in einen rigorosen, empirisch-basierten wissenschaftlichen Kontext zu stellen, führt dazu, dass sie teilweise von pseudowissenschaftlichem Gedankengut dominiert werden und rein ideologisch agieren. Es ist also nicht überraschend, dass der Rückgriff auf verschwörungstheoretische Argumente, wonach z.B. die Mainstream-Ökonomie die Publikation von Studien aus alternativen Theorien verhindern würde, immer öfter zu beobachten ist.

Versteht man Wissenschaft als Wettbewerb der Ideen, ist die Vorherrschaft der Mainstream-Ökonomie vielleicht doch nicht das Ergebnis einer weltweiten Verschwörung, sondern lediglich das Resultat der Durchsetzung logisch widerspruchsfreier und empirisch bewährter (also bisher noch nicht falsifizierter) Modelle und Theorien. Alle Theorien und Ansätze sind willkommen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen, vorausgesetzt sie sind anhand wissenschaftlicher Standards beurteilbar. Aus der zunehmend zu beobachtenden Infragestellung etablierter wissenschaftlicher Standards resultiert für die Volkswirtschaftslehre jedoch die Notwendigkeit, mit aller Entschiedenheit Versuchen entgegenzutreten, Wissenschaft durch Politik, logische Strenge durch geschickte Rhetorik und methodische Rigorosität durch Dogmatismus zu ersetzen.

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