Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland spiegelt sich nach langer Zurückhaltung nun auch in Lohnsteigerungen. Wie sieht es aber mit der Lohnungleichheit aus? Dieser Beitrag zeigt, dass es auch hier zu einer positiven Trendwende gekommen ist. Seit den 1990er Jahren haben sich nicht nur über lange Zeit die Reallöhne in Deutschland schwach entwickelt, ebenso nahm die Lohnungleichheit deutlich zu (z.B. Dustmann et al. 2009, Möller/Hutter 2011, Card et al. 2013).[ 1 ] Vor diesem Hintergrund wurde auch die Debatte um die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns geführt. Gründe für die Entwicklung werden unter anderem in der Globalisierung, dem technologischen Wandel und der sinkenden Tarifabdeckung gesehen. Die Zahlen zur Arbeitslosigkeit und Beschäftigung zeigen über die vergangenen zehn Jahre einen kräftigen Arbeitsmarktaufschwung in Deutschland. Dieser war aber auch von kritischen Entwicklungen bezüglich der Beschäftigungsqualität begleitet. Neben der mit den Hartz-Reformen nochmals abgeschwächten Lohnentwicklung ließ sich auch eine Zunahme etwa von Minijobs und Befristungen konstatieren (z.B. Weber 2014). Etliche dieser Trends haben sich in den letzten Jahren nicht mehr fortgesetzt, und im Zeichen größerer Arbeitskräfteknappheit ist auch die Lohnmoderation, mit nun wieder signifikanten Lohnsteigerungen, zu einem Ende gekommen.
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Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland spiegelt sich nach langer Zurückhaltung nun auch in Lohnsteigerungen. Wie sieht es aber mit der Lohnungleichheit aus? Dieser Beitrag zeigt, dass es auch hier zu einer positiven Trendwende gekommen ist.
Seit den 1990er Jahren haben sich nicht nur über lange Zeit die Reallöhne in Deutschland schwach entwickelt, ebenso nahm die Lohnungleichheit deutlich zu (z.B. Dustmann et al. 2009, Möller/Hutter 2011, Card et al. 2013).[ 1 ] Vor diesem Hintergrund wurde auch die Debatte um die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns geführt. Gründe für die Entwicklung werden unter anderem in der Globalisierung, dem technologischen Wandel und der sinkenden Tarifabdeckung gesehen.
Die Zahlen zur Arbeitslosigkeit und Beschäftigung zeigen über die vergangenen zehn Jahre einen kräftigen Arbeitsmarktaufschwung in Deutschland. Dieser war aber auch von kritischen Entwicklungen bezüglich der Beschäftigungsqualität begleitet. Neben der mit den Hartz-Reformen nochmals abgeschwächten Lohnentwicklung ließ sich auch eine Zunahme etwa von Minijobs und Befristungen konstatieren (z.B. Weber 2014). Etliche dieser Trends haben sich in den letzten Jahren nicht mehr fortgesetzt, und im Zeichen größerer Arbeitskräfteknappheit ist auch die Lohnmoderation, mit nun wieder signifikanten Lohnsteigerungen, zu einem Ende gekommen. Doch wie verhält es sich mit der Lohnungleichheit? Weber (2015) findet auch hierfür einen Richtungswechsel.
Um Lohnungleichheit zu beurteilen, müssen nicht nur Verdienste, sondern auch die dafür geleisteten Arbeitszeiten betrachtet werden. Wir ziehen deshalb das Sozio-Oekonomische Panel (SOEP) heran, da die Arbeitszeit hier detailliert erfasst ist – auch wenn bekannte Schwierigkeiten bei der Messung verbleiben. Wir verwenden die vereinbarte Arbeitszeit zuzüglich bezahlter Überstunden (mit einem Lohnaufschlag von 25 Prozent) der abhängig Beschäftigten aus dem letzten Monat. Mithilfe der Bruttoverdienste für denselben Monat werden sodann Stundenlöhne berechnet.[ 2 ] So können auch nicht-Vollzeitbeschäftigte in die Betrachtung einbezogen werden. Zu beachten ist aber, dass bei der Ungleichheitsberechnung Arbeitsformen wie Werkverträge oder Crowdworking nicht berücksichtigt werden.
Als Maß für (untere) Lohnungleichheit kann das Verhältnis des 10%-Quantils der Bruttostundenlöhne zum Medianlohn herangezogen werden. Abbildung 1 zeigt die bekannte Entwicklung einer zunehmenden Lohnungleichheit (also eines fallenden 10%-Quantils relativ zum Median) seit den 1990er Jahren. In der 2000er Jahren machte das untere Dezil am Medianlohn nur noch gut 40 Prozent aus. Während das Jahr 2009 durch die Große Rezession beeinflusst sein dürfte, kehrte sich der Trend ab 2010 aber um. Seither ging ein Teil der zuvor gestiegenen Ungleichheit wieder zurück. Im Vergleich zum 90%-Quantil ist die Trendwende weniger deutlich, weil auch dieses Quantil gegenüber dem Median gewonnen hat. Aber auch hier hat sich jedenfalls der zuvor anhaltende Trend der 10%/90%-Lohnungleichheit nicht fortgesetzt.
Abbildung 1: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median und zum 90%-Quantil
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Um den Ursprung der Entwicklung näher zu beleuchten, bilden wir verschiedene Differenzierungen nach Erwerbsumfang, Geschlecht, Alter, Qualifikation und Landesteil.
Die Bruttolöhne sind bei Minijobs besonders niedrig, auch wegen der geringen Abgabenlast. Deshalb stellen wir einen Vergleich unter Ausschluss der Minijobber (sowie der Praktikanten und Wehr-/ Zivildienstleistenden) an. Abbildung 1 zeigt, dass die Lohnungleichheit ohne die genannten Beschäftigtengruppen schon seit 2004 in der Tendenz zurückging. Hier spielt der starke Anstieg der Minijobs mit den Hartz-Reformen eine Rolle. Nachdem sich die Schere über einige Jahre geöffnet hat, verlaufen die Linien dann wieder eher parallel.
Ebenfalls liegen Löhne von sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigten typischerweise unter denen von Vollzeitbeschäftigten. Betrachtet man beide Gruppen getrennt, zeigt sich zunächst eine deutlich ausgeprägtere Lohnungleichheit bei den Teilzeitbeschäftigten. Hier findet sich aber auch eine klare Reduzierung der Lohnungleichheit seit dem Jahr 2006 (Abbildung 2).
Abbildung 2: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median, Voll- und Teilzeit
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Beim Vergleich nach Geschlechtern ist ein Rückgang der Lohnungleichheit bei den Frauen feststellbar (Abbildung 3). Dies korrespondiert mit dem obigen Ergebnis zu Teilzeitbeschäftigten. Bei den Männern ist dagegen eher eine Stagnation zu konstatieren, im letzten Jahr (2014) aber eine deutliche
Reduktion der Lohnungleichheit.
Abbildung 3: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median, Frauen und Männer
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Im Allgemeinen sind Löhne zu Beginn des Erwerbslebens noch vergleichsweise niedrig und steigen mit der Zeit an. Abbildung 4 zeigt ein nach Altersgruppen differenziertes Bild. In der jungen Altersgruppe ist die Lohnungleichheit mit Abstand am ausgeprägtesten. Die Änderungen über die Zeit waren im Vergleich zu den beiden anderen Altersgruppen aber begrenzt. Der Rückgang der Lohnungleichheit in den letzten Jahren findet sich vor allem bei der jungen und auch der mittleren Altersgruppe, bei den Älteren ist eine Wende in der Tendenz weniger ersichtlich.
Abbildung 4: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median, Altersgruppen
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Über Jahre waren die Akademiker als Qualifikationsgruppe die einzigen, die bei der Reallohnentwicklung zulegen konnte. Getrennt nach Qualifikationsstufen ist die Lohnungleichheit bei den Geringqualifizierten stärker als bei den anderen Gruppen, verbleibt über die Zeit aber auf einem eher konstanten Niveau (Abbildung 5). Hier fällt dann auch der Rückgang der Lohnungleichheit am stärksten aus.
Abbildung 5: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median, Qualifikationsstufen
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Das Lohnniveau in Ostdeutschland liegt unter dem im Westen. Da nach der Wiedervereinigung die Zahl der Beschäftigten im Osten deutlich zurückging, fielen viele eher niedrige Löhne aus der Verteilung. Darin liegt ein Grund dafür, dass in Abbildung 1 in der ersten Hälfte der 90er Jahre kein Ansteigen der Lohnungleichheit sichtbar ist. Betrachtet man die Landesteile gesondert, wird die von Beginn an zunehmende Lohnungleichheit in Ostdeutschland sichtbar (Abbildung 6). Danach war die Entwicklung bis zum Jahr 2014 im Osten und im Westen aber ähnlich.
Abbildung 6: 10%-Quantil der Bruttostundenlöhne relativ zum Median, Ost/West
Quelle: SOEP, eigene Berechnungen
Verschiedene Gründe kommen für die Trendwende bei der Lohnungleichheit in Betracht, wie Änderungen beim technologischen Wandel mit sinkenden Beiträgen von Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologie zum BIP-Wachstum, die geringere Verfügbarkeit von Arbeitskräften, eine Verlangsamung von internationalen Produktionsverlagerungen, Branchenmindestlöhne oder das Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik. Hierzu ist weitere Forschung nötig. Mit der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns 2015 wird die Lohnungleichheit dann in jedem Falle deutlich gesunken sein. Zu unterscheiden ist dies allerdings von der Einkommensungleichheit, für die viele weitere Einflussgrößen wie die Anrechnung auf Sozialleistungen oder der Erwerbsumfang eine Rolle spielen.
Literatur
Dustmann, Christian; Ludsteck, Johannes; Schönberg, Uta (2009): Revisiting the German wage structure. Quarterly Journal of Economics, 124, 2, S. 843-881.
Card, David; Heining, Jörg; Kline, Patrick (2013): Workplace heterogeneity and the rise of West German wage inequality. The Quarterly Journal of Economics, 128, 3, 967-1015.
Möller, Joachim; Hutter, Christian (2011): The effects of age, skill and sector composition on the wage inequality in Germany. In: B. Genser, H. J. Ramser & M. Stadler (Hrsg.), Umverteilung und soziale Gerechtigkeit, Tübingen: Mohr Siebeck, S. 9-32.
Weber, Enzo (2014): Das Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland: Fern, aber erreichbar. IAB-Kurzbericht 15/2014.
Weber, Enzo (2015): The labour market in Germany: reforms, recession and robustness. De Economist, 163, 4, S. 461-472.
- 1 Der Autor dankt Heiko Stüber für hilfreiche Kommentare sowie Franziska Kreß für ausgezeichnete Forschungsunterstützung.
- 2 Vgl. auch Weber (2015). Bei Antworten aus dem Januar stammt der „letzte Monat“ aus dem Vorjahr. Aufgrund der zeitlichen Nähe zu den übrigen Antworten der Welle wurden solche Fälle dennoch dem Befragungsjahr zugeordnet.