Bild: Unsplash Erik Knutzen, CIO von Neuberger Berman, kommentiert, warum Investoren trotz steigender Aktienkurse in der aktuellen, späten Konjunkturphase sorgenvoll in die Zukunft blicken. Sie stünden sinnbildlich vor einer "Wall of Worry", die es zu überwinden gelte. "Die sogenannte Wall of Worry, also eine Wand der Sorge, wird mit einem reifen Zyklus assoziiert, in dem Aktien zwar noch Wachstumspotenzial haben, aber Zweifel an den Fundamentaldaten aufkommen, die dann mit steigender Volatilität einhergehen", erläutert Erik Knutzen, CIO von Neuberger Berman. Dieser zweifelhafte Zustand sei es, der spätzyklische Investitionen zu einer Herausforderung mache. Es sei daher nicht überraschend, dass diese "Sorgenwand" mit
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Erik Knutzen, CIO von Neuberger Berman, kommentiert, warum Investoren trotz steigender Aktienkurse in der aktuellen, späten Konjunkturphase sorgenvoll in die Zukunft blicken. Sie stünden sinnbildlich vor einer "Wall of Worry", die es zu überwinden gelte.
"Die sogenannte Wall of Worry, also eine Wand der Sorge, wird mit einem reifen Zyklus assoziiert, in dem Aktien zwar noch Wachstumspotenzial haben, aber Zweifel an den Fundamentaldaten aufkommen, die dann mit steigender Volatilität einhergehen", erläutert Erik Knutzen, CIO von Neuberger Berman. Dieser zweifelhafte Zustand sei es, der spätzyklische Investitionen zu einer Herausforderung mache. Es sei daher nicht überraschend, dass diese "Sorgenwand" mit all ihren Zweifeln in der Spätphase des aktuellen Zyklus besonders hoch und rutschig ist. "Wer sie überwinden will, darf sein Gleichgewicht nicht verlieren und muss wachsam sein", fügt er an.
Kursanstieg nicht als grünes Licht deuten
Nach einem dramatischen Ausverkauf Ende 2018 haben sich Aktien im laufenden Jahr bislang kräftig erholt. Doch wenn sich Investoren vor dem Hintergrund der geringen Marktliquidität auf schwächere Konjunkturdaten einstellen, können starke Kursgewinne ebenso wahrscheinlich sein wie starke Einbrüche, entgegnet der CIO. Daher sollten Anleger den Kursanstieg keinesfalls als grünes Licht werten. "Wenn überhaupt, haben sich mit der Erholung der Aktien die Wirtschaftsdaten verschlechtert und die Marktrisiken sind gestiegen", sagt er nachdrücklich. Vor allem in Europa würde die Konjunktur schwach bleiben. Italien befinde sich in einer technischen Rezession und nach gemischten Umfragedaten und schwachen Vorab-Ergebnissen des Flash Purchasing Managers' Index (PMI) – den ersten Schätzungen der Einkaufsmanagerindizes – würden die revidierten deutschen BIP-Zahlen für das vierte Quartal zeigen, dass Deutschland einer technischen Rezession nur äusserst knapp entgangen ist.
Zölle auf Autos können Wachstumsschock auslösen
"Beim Aussenhandel rückt die Deadline für eine Vereinbarung zwischen den USA und China immer näher. Die bisherigen Fortschrittsberichte geben einerseits Anlass zur Hoffnung, mahnen andererseits aber auch zur Vorsicht", lautet Knutzens Urteil. Hinter den Kulissen sei dem Weissen Haus unterdessen ein Gutachten zu der Frage vorgelegt worden, ob importierte Autos ein Sicherheitsrisiko gemäss Artikel 232 des amerikanischen Trade Expansion Act sein können. "Der US-amerikanische Präsident könnte dann Zölle anordnen, wie letztes Jahr auf Stahl", so Knutzen. Unklar sei, ob und wann die Ergebnisse des Gutachtens veröffentlicht werden und was der Präsident dann tun wird. Zölle auf Autos können gemäss dem CIO einen folgenreichen Wachstumsschock auslösen. "Für die japanische und die deutsche Automobilindustrie, die schon jetzt unter einem Einbruch des Dieselabsatzes leiden, hätten sie enorme Folgen – aber auch für Europa als Ganzes", betont er: "Und ein harter Brexit würde die Lage nur noch schlimmer machen."
Notenbanken Ursprung der steigenden Kurse
Ein Hauptgrund für die steigenden Aktienkurse sind laut Knutzen die grossen Notenbanken. Die US-amerikanische Notenbank hat sich im Januar gemässigt geäussert und die Europäische Zentralbank hat bestätigt, dass sie vor zehn Tagen über neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte, sogenannte Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTROs), gesprochen hat. Zudem deutete der Gouverneur der japanischen Notenbank letzte Woche an, dass eine lockerere Geldpolitik in Vorbereitung sei. "In China könnte das überraschend starke Kreditwachstum der erste Hinweis darauf sein, dass die expansive Geldpolitik funktioniert, und in ein paar Monaten könnten auch die Einkaufsmanagerindizes wieder steigen", meint Knutzen. "Dies sind gute Nachrichten", so der CIO. Die Anpassungen der Geldpolitik würden wesentlich zu einer weichen Landung der Weltwirtschaft beitragen, die wir noch immer für die wahrscheinlichste Entwicklung halten. Es solle aber allen bewusst sein, dass die Notenbanken letztlich auf erhebliche Risiken reagieren.
Zurechtkommen mit komplexem Zusammenspiel
Der seit dem Ende der Finanzkrise laufende Marktzyklus, in dem Aktienkurse immer wieder und trotz aller Zweifel stark zugelegt haben, reift laut Knutzen am Ende dieses Zyklus zu einer grossen "Wand der Sorge" heran. Und in einer Endphase eines Zyklus, der vom Quantitative Easing bestimmt wird – jener Put-Option der Notenbanken, die aus schlechten Nachrichten gute und aus guten schlechte macht – mussten Investoren schon immer mit dem komplexen Zusammenspiel zwischen nachlassendem Wachstum, expansiver Geldpolitik und potenziell irritierenden Extremrisiken zurechtkommen. "Die aktuelle Gold-Rallye verdeutlicht dieses Dilemma: Bedeutet sie, dass die Zinsen noch länger niedrig bleiben, was den Konjunkturzyklus verlängert? Oder ist sie ein Vorbote eines vorzeitigen Zyklusendes?", fragt der CIO. Ein Investor müsse in der Endphase des Zyklus beides in Betracht ziehen.
Portfoliodiversifikation behält ihre Wichtigkeit
Eine weiche Landung schiene zwar denkbar, aber sorgfältige Portfoliodiversifikation bleibe wichtig. Dazu würde auch weiterhin eine konsequente Diversifikation durch die Kürzung von Aktien- und Kreditrisiken zählen, wenn die Märkte steigen. "Damit sichern sich Investoren nicht nur für den Fall ab, dass die weiche Landung ausbleibt, sondern verringern auch die Verluste, wenn die Volatilität zurückkehrt", erklärt er. Gut diversifizierte Investoren seien oft weniger stark gezwungen, in volatilen Zeiten bei illiquiden Märkten zu verkaufen. Sie würden schwankende Kurse besser nutzen können und Positionen aufstocken, die von einer Fortsetzung des Zyklus profitieren. "Das kann auch die Verlustrisiken begrenzen", sagt Knutzen abschliessend.