Seung Kwak, Aktienportfoliomanager bei der Capital Group. Seung Kwak, Japan Equity Portfoliomanager bei Capital Group äussert sich im Interview zu den Auswirkungen der Abenomics und des bevorstehenden EU-Austritts Grossbritanniens auf die japanische Wirtschaft. Einige Konjunkturbeobachter waren enttäuscht, weil die Inlandsinvestitionen japanischer Unternehmen trotz Abenomics nicht stärker gestiegen sind. Rechnen Sie hier mit Fortschritten? Seung Kwak: Das Tempo der Abenomics hat auch mich ein wenig enttäuscht, aber eines hat sich nicht geändert: Premierminister Shinzō Abe möchte, dass die japanische Wirtschaft auch nominal wieder wächst. In den letzten zwei Jahrzehnten blieb das japanische BIP nominal unverändert, während es real um jährlich 1% gestiegen ist. Wir hatten es also mit jährlich 1% Deflation zu tun. Trotz mancher Höhen und Tiefen wird Abe von der Bevölkerung noch immer akzeptiert. Die Zustimmungswerte sind hoch und ich glaube, dass sich die Regierung weiterhin um nachhaltiges nominales Wachstum bemüht. Nach dem Sieg der Regierungskoalition bei den Oberhauswahlen am 10. Juli unterstrich Abe mit einem Nachtragshaushalt, wie wichtig ihm die wirtschaftliche Erholung ist. Nach den Wahlen wird sich die Politik zwei wichtigen Themen widmen: Das erste ist die Arbeitsmarktreform.
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Seung Kwak, Japan Equity Portfoliomanager bei Capital Group äussert sich im Interview zu den Auswirkungen der Abenomics und des bevorstehenden EU-Austritts Grossbritanniens auf die japanische Wirtschaft.
Einige Konjunkturbeobachter waren enttäuscht, weil die Inlandsinvestitionen japanischer Unternehmen trotz Abenomics nicht stärker gestiegen sind. Rechnen Sie hier mit Fortschritten?
Seung Kwak: Das Tempo der Abenomics hat auch mich ein wenig enttäuscht, aber eines hat sich nicht geändert: Premierminister Shinzō Abe möchte, dass die japanische Wirtschaft auch nominal wieder wächst. In den letzten zwei Jahrzehnten blieb das japanische BIP nominal unverändert, während es real um jährlich 1% gestiegen ist. Wir hatten es also mit jährlich 1% Deflation zu tun.
Trotz mancher Höhen und Tiefen wird Abe von der Bevölkerung noch immer akzeptiert. Die Zustimmungswerte sind hoch und ich glaube, dass sich die Regierung weiterhin um nachhaltiges nominales Wachstum bemüht.
Nach dem Sieg der Regierungskoalition bei den Oberhauswahlen am 10. Juli unterstrich Abe mit einem Nachtragshaushalt, wie wichtig ihm die wirtschaftliche Erholung ist. Nach den Wahlen wird sich die Politik zwei wichtigen Themen widmen: Das erste ist die Arbeitsmarktreform. Die meisten börsennotierten japanischen Unternehmen gelten als recht unflexibel. Sie zögern mit Neueinstellungen oder Lohnerhöhungen. Die mangelnde Flexibilität erklärt auch die hohen Kosten japanischer Firmen für Vertrieb, Administration und allgemeine Verwaltung.
Veränderungen erwarten wir aber auch bei der Einstellung ausländischer Arbeitnehmer. Hier hat die Regierung vor allem Branchen wie die Alten- und Krankenpflege, den Bau und das verarbeitende Gewerbe im Blick, wo Arbeitskräftemangel herrscht. Die Regierung möchte, dass mehr gut ausgebildete ausländische Spezialisten nach Japan kommen. Dazu will sie Hindernisse für unbefristete Aufenthaltserlaubnisse aus dem Weg räumen.
Höchstwahrscheinlich wird es im Herbst ein weiteres Konjunkturprogramm geben. Wir rechnen mit zusätzlichen Staatsausgaben in Höhe von 5 bis 10 Billionen Yen. Aber wenn die Wirtschaft schwächelt, könnte es auch mehr werden. Zum Vergleich: 5 bis 10 Billionen Yen sind 1–2% des japanischen BIPs. Das ist nicht wenig – und zeigt, wie entschlossen die Regierung wieder für nominales Wirtschaftswachstum sorgen will.
Enttäuschend war auch der private Verbrauch in Japan. Was erwarten Sie hier für die kommenden Jahre?
In Japan bestimmt noch immer die Deflation das Denken, bei Unternehmern wie Verbrauchern. Man rechnet weiterhin mit fallenden Preisen und glaubt, seine Kaufkraft steigern zu können, wenn man zunächst einmal spart. 15 Jahre Deflation haben ganze Arbeit geleistet, aber Abe, die Notenbank und die Regierung bemühen sich um ein Umdenken.
Weil dies beispielsweise durch Reallohnzuwächse erreicht werden kann, sind Arbeitsmarktindikatoren wie Arbeitslosenquote, offene Stellen und die Zahl der Bewerber je Stelle so wichtig. Alle drei Indikatoren haben sich in den letzten zwei Jahren in die richtige Richtung entwickelt. Wenn es so weitergeht, werden steigende Reallöhne in der Tat zu mehr Konsum führen. Die Menschen sind eher bereit, mehr auszugeben und weniger zu sparen, wenn sie mit einem Ende der Deflation rechnen.
Die zweite Mehrwertsteuererhöhung wurde ausgesetzt. Wäre es besser gewesen, sie gleich ganz abzusagen?
Das ist keine einfache Frage, denn die erwarteten zusätzlichen Einnahmen waren eigentlich für die Finanzierung von Sozialleistungen vorgesehen. Sie wissen, dass die japanische Bevölkerung rasch altert. Die Sozialausgaben, also die Gesundheits- und Altenpflegekosten, dürften daher steigen.
Kurzfristig ist der vorläufige Verzicht auf eine höhere Mehrwertsteuer sicher gut, da er dem Land hilft, die Deflation in den nächsten Jahren zu überwinden. Ich glaube aber auch, dass Abe das Richtige getan hat, als er die Steuererhöhung nur verschob und nicht vollständig absagte. Auf diese Weise kann er sicherstellen, dass in Zukunft Geld für Sozialausgaben zur Verfügung steht.
Obwohl die Zinsen in Japan unter null gefallen sind, hat der Yen stark aufgewertet. Was bedeutet dies Ihrer Ansicht nach für den japanischen Export?
Die Negativzinspolitik der japanischen Notenbank ist auch im Land selbst stark umstritten. Der Yen hat aufgewertet, ohne dass die Unternehmen erkennbar mehr ausgeben oder das Kreditvolumen deutlich stärker wächst. Daran haben die historisch niedrigen, negativen Zinsen nichts geändert.
Die Yen-Aufwertung wird den Gewinnen japanischer Exporteure kurzfristig sicher schaden. Ende Juni kostete der US-Dollar nur noch 102 Yen, nach fast 120 Yen vor einem Jahr. Dies hatte zweifellos Auswirkungen auf die Gewinne. Andererseits stand der US-Dollar vor acht Jahren noch bei 80 Yen, sodass viele japanische Unternehmen ihre Kosten an Wechselkurse von 80 bis 85 Yen je US-Dollar angepasst haben. Die jüngste Aufwertung hat kurzfristig Auswirkungen auf die Gewinne. Langfristig sind die japanischen Exporteure bei einem durchschnittlichen Wechselkurs von 100 Yen je US-Dollar aber wettbewerbsfähig.
Man fürchtet, dass die negativen Zinsen den Banken schaden, die einen Grossteil des japanischen Aktienmarkts ausmachen. Wie schätzen Sie die langfristigen Folgen der Negativzinsen auf deren Rentabilität ein?
Die Negativzinsen haben den Gewinnaussichten der japanischen Banken zweifellos geschadet, insbesondere aufgrund ihrer Auswirkungen auf die inländischen Kreditzinsen. Aber das inländische Kreditgeschäft macht nur etwa 25% der Gewinne japanischer Grossbanken aus. Viele Institute haben ihr Geschäftsmodell geändert und setzen jetzt stärker auf das Gebührengeschäft, beispielsweise auf offene und geschlossene Investmentfonds sowie Asset Management. Einige Banken sind auch im Ausland gewachsen.
Unsere japanischen Bankenanalysten haben einige ihrer Empfehlungen geändert. In der Japan-Equity-Strategie haben wir von Megabanken in spezialisiertere Finanzinstitute umgeschichtet, die von manchen Entwicklungen profitieren können. Dazu zählen das Wachstum des Asset Managements und der Ausbau des gebührenabhängigen Geschäfts anstelle des margenschwachen Kreditgeschäfts.
Auf Sicht von drei bis fünf Jahren sollten wir nicht übersehen, dass die negativen Zinsen kein Selbstzweck sind, sondern der Reflationierung der japanischen Wirtschaft dienen sollen. Wenn die Deflation aufgrund der Negativzinspolitik in den nächsten ein bis zwei Jahren nachlässt, könnte dies japanischen Finanzwerten starken Auftrieb geben.
Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die japanische Wirtschaft?
Der Brexit ist eine noch sehr neue Entwicklung, die wir weiter analysieren und durchdenken werden. Ein Übergreifen auf den internationalen Finanzsektor halten wir für denkbar. Wir sind aber durchaus zuversichtlich, dass die japanischen Behörden und die Notenbanken weltweit die nötigen Instrumente haben, um, falls nötig, zusätzliche Liquidität bereitstellen zu können. Beim Brexit ist noch viel im Fluss; der EU-Austritt wird erst in zwei Jahren abgeschlossen sein. Bis dahin bleibt offen, ob andere EU Mitgliedsländer dem britischen Beispiel folgen.
Um die vollen Auswirkungen des Brexits auf Japan zu verstehen, arbeiten wir weiter eng mit unseren Kollegen in Europa zusammen. Gut für Japan ist zweifellos, dass die Regierung Abe stabil ist. Sie hat ein überzeugendes Mandat, das Land zu nominalem Wachstum zurückzuführen. In den letzten fünf bis zehn Jahren schien es in den wichtigen Ministerien (und im Amt des Premierministers) häufige Wechsel zu geben. Doch jetzt, unter Abe, der die Unterstützung der Bevölkerung hat, steht Japan gemessen an der grösseren Instabilität Europas gut da.
Die Märkte könnten zu einer Neubewertung kommen, wenn es Anzeichen für eine stärkere japanische Binnenkonjunktur gibt und in Europa Unklarheit herrscht. Eine Rolle könnten die wirtschaftsfreundlichen Massnahmen spielen, von denen ich bereits gesprochen habe, beispielsweise die Arbeitsmarktreform und die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in ausgewählten Sektoren. Im weiteren Verlauf des Jahres werde ich auch die Auswirkungen der grossen staatlichen Ausgabenprogramme analysieren, die das Wirtschafswachstum in Japan stärken dürften.