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Wissenschaftler schlagen gleich zwei mögliche Erklärungen für Dunkle Materie vor – und wie man sie experimentell nachweisen könnte. Die zwei Theorien beinhalten ein Paralleluniversum, in dem die Zeit rückwärts läuft, und die Entdeckung des fünften Aggregatzustandes.
Dunkle Materie ist eine geheimnisvolle, nicht leuchtende Substanz, die den größten Teil der Materie im Universum ausmacht. Obwohl Experten die Gravitationswirkung der Dunklen Materie seit Jahrzehnten beobachten, tappen die Wissenschaftler über ihre wahre Natur nach wie vor im Dunklen.
Nun haben zwei Forschergruppen neue Erkenntnisse über diese mysteriöse Substanz gewonnen. So stellt das Physikerteam um Latham Boyle vom Perimeter Institute for Theoretical Physics (Kanada) die Theorie auf, dass unser Universum einen Zwilling hat, in dem die Zeit rückwärts laufe, was wiederum das Vorhandensein von Dunkler Materie erkläre.
Der Physiker Dr. Melvin Vopson hat dagegen eine ganz andere Erklärung: Ein fünfter Aggregatzustand mache die Existenz von Dunkler Materie möglich. Das Besondere an beiden Theorien ist jedoch, sowohl Boyle et al. als auch Vopson beschreiben zugleich ein Experiment, mit dem man ihre Theorie prüfen kann.
Dunkle Materie aus dem Spiegeluniversum
Die Idee eines „Anti-Universums“, dessen Zeit bis zum Urknall rückwärts laufe, klingt im ersten Moment wie eine verrückte Science-Fiction-Geschichte. Für die Forscher um Physiker Latham Boyle bringt diese jedoch Licht ins Dunkle, wenn es um die Existenz der geheimnisvollen Materie geht. In ihrer Theorie¹ gehen die Forscher davon aus, dass das frühe Universum klein, heiß und dicht war – und so einheitlich, dass die Zeit vorwärts und rückwärts symmetrisch verlief.
Wenn dies zutreffen würde, ist die Dunkle Materie gar nicht so geheimnisvoll, sondern nur eine neue Variante des geisterhaften Teilchens namens Neutrino. Die Teilchen können jedoch nur in dieser Art von Universum existieren. Gleichzeitig beinhaltet die neue Theorie, dass es nicht zwingend eine „Expansionsphase“ gab, in der die Größe des jungen Kosmos kurz nach dem Urknall rapide stieg.
Doch ob dieses Spiegeluniversum wirklich existiert, können nur Experimente zur Suche nach Gravitationswellen oder zur Bestimmung der Masse von Neutrinos ein für alle Mal klären.
Erhaltung der Symmetrie
Auf die Idee eines Spiegeluniversums kamen Boyle und seine Kollegen dank Symmetrien, die bereits früher in der Natur aufgespürt wurden. Diese beruhen auf dem CPT-Theorem (engl. charge, parity, time), einem fundamentalen physikalischen Gesetz, indem die Parameter Ladung (C), Parität (P) und Zeit (T) im Einklang mit den Gesetzen der Physik sind. Werden diese drei vertauscht beziehungsweise umgedreht, bleibt die Symmetrie dennoch erhalten und ist damit physikalisch möglich.
Physikalische Wechselwirkungen gehorchen die meiste Zeit diesen Symmetrien, sodass es nur selten Verstöße gibt. Dass jedoch alle drei Symmetrien gleichzeitig verletzt werden, konnten Physiker noch nie beobachten. Wenn man jede einzelne in der Natur beobachtete Wechselwirkung nimmt und alle drei Parameter umdreht, verhalten sich diese Wechselwirkungen immer genau gleich.
In ihrer Studie in der Zeitschrift „Annals of Physics“ gehen die Wissenschaftler sogar noch einen Schritt weiter. So gilt diese Symmetrie normalerweise nur für Wechselwirkungen, also Kräfte und Felder, die die Physik des Kosmos ausmachen. Doch was ist, wenn diese Symmetrie so fundamental und wichtig ist, dass sie möglicherweise für das gesamte Universum selbst gilt? Mit anderen Worten: Nun stehen nicht mehr ausschließlich die „Akteure“ (Kräfte und Felder im Universum) im Rampenlicht, sondern die „Bühne“ (das Universum) selbst.
„Rechtshänder“ wären Beweis für Existenz von Dunkler Materie
Um die CPT-Symmetrie im gesamten Kosmos zu erhalten, muss es einen spiegelbildlichen Kosmos geben, der unseren ausgleicht. Dieser Kosmos hätte alle entgegengesetzten Ladungen, wäre spiegelverkehrt und würde in der Zeit rückwärts laufen. Unser Universum hätte also mindestens eine Negativkopie. Zusammengenommen gehorchten die beiden Universen der CPT-Symmetrie. Gleichzeitig fragten sich Boyle und seine Kollegen in ihrer Studie, welche Folgen ein solches Universum hätte.
Ein solches regeltreues Universum würde zudem einige zusätzliche Neutrinos in den Prozess einbringen, nämlich „rechtshändige“ Neutrinos (das heißt, die Drehrichtung ist gleich zur Bewegungsrichtung).
Derzeit gibt es nur drei bekannte Neutrino-Arten: das Elektron-Neutrino, das Myon-Neutrino und das Tau-Neutrino. Seltsamerweise sind alle drei Varianten „Linkshänder“. Da alle in der Physik bekannten Teilchen links- und rechtshändige Varianten haben, muss es also rechtshändige Neutrinos geben, um die CPT-Bedingung zu erfüllen. Diese Art wäre für physikalische Experimente weitgehend unsichtbar und würde den Rest des Universums nur durch die Schwerkraft beeinflussen – dies würde die Existenz von Dunkler Materie erklären.
Vorhersagen im Spiegel
Doch wie kann die Existenz von etwas bewiesen werden, dass vor unserer Existenz existierte? Auch hierfür haben die Physiker eine Idee. So glauben die Forscher, dass die drei bekannten linkshändigen Neutrinoarten alle sogenannte Majorana-Fermionen, also ihre eigenen Antiteilchen, sind (im Gegensatz zu normalen Teilchen wie dem Elektron, das ein Antimaterie-Gegenstück, das Positron, hat). Bislang ist jedoch unbekannt, ob Neutrinos diese Eigenschaft haben oder nicht.
Außerdem müsse eine der Neutrinoarten masselos sein, wie die Physiker in der Studie schreiben. Gegenwärtig können die Physiker jedoch nur Obergrenzen für die Massen festlegen. Wenn die Physiker die Neutrinomassen jemals eindeutig messen können und eines der Neutrinos tatsächlich masselos ist, würde dies die Idee eines CPT-konformen Universums erheblich untermauern.
Die bislang etablierte Theorie zum Urknall besagt, dass eine kosmische Inflation gab. Diese hätte die Raumzeit so stark erschüttert, dass sie den Kosmos mit Gravitationswellen überschwemmte. Um diese Theorie zu bestätigen, suchen viele Experimente nach eben diesen Gravitationswellen. In Boyles Theorie von einem CPT-konformen Universum vor dem Urknall sollte es jedoch keine solchen Wellen geben. Wenn die Suche nach Gravitationswellen ins Leere läuft, könnte dies Boyles Spiegeluniversumtheorie ebenfalls bestätigen.
5. Aggregatzustand: fest, flüssig, gasförmig, Plasma und … ?
Eine völlig andere Theorie zur Existenz von Dunkler Materie stellte der Physiker Dr. Melvin Vopson von der Universität Portsmouth in seiner Studie² vor. Demnach könnte das Vorhandensein eines fünften Aggregatzustands die nötige Erklärung liefern und die Physik, wie wir sie kennen, verändern.
Die meisten Menschen werden noch die drei klassischen Aggregatzustände aus dem Physikunterricht kennen: fest, flüssig und gasförmig. Geht man über den gasförmigen Zustand hinaus, trifft man auf den gesonderten vierten Aggregatzustand: Plasma. Außerdem gibt es weitere nicht-klassische Materiezustände, die nur unter speziellen und extremen Bedingungen auftreten, wie beispielsweise das Bose-Einstein-Kondensat oder das Fermionen-Kondensat. Nach Dr. Vopson gibt es nun zudem einen fünften Zustand, den alle Teilchen haben: Information.
„Das wäre ein Heureka-Moment. Es würde die Physik, wie wir sie kennen, verändern und unser Verständnis des Universums erweitern. Gleichzeitig würde es keinem der bestehenden physikalischen Gesetze widersprechen“, erklärt Dr. Vopson. „Sie widerspricht weder der Quantenmechanik, der Elektrodynamik, noch der Thermodynamik oder der klassischen Mechanik. Sie ergänzt die Physik lediglich um etwas Neues und unglaublich Spannendes.“
Laut seiner Studie, die er im Fachjournal „AIP Advances“ veröffentlichte, besitzen alle Elementarteilchen, die kleinsten bekannten Bausteine des Universums, Informationen über sich selbst. Demnach hat jedes Teilchen einen „Körper“ und „Informationen“ – so ähnlich, wie jede menschliche Zelle DNA enthält, die die Baupläne der Zelle selbst enthält. Physikalisch nachgewiesen hat der Physiker diesen Zustand bislang nicht, jedoch hat auch er ein Experiment entworfen, wie es gehen könnte.
Dunkle Materie möglicherweise „neue Information“
Dr. Vopsons frühere Forschungen deuten darauf hin, dass Information der fundamentale Baustein des Universums ist und diese eine physikalische Masse besitzt. Diese Information, so der Physiker weiter, wäre nicht nur der fünfte Aggregatzustand, sondern könnte auch die schwer fassbare Dunkle Materie sein.
„Wenn wir davon ausgehen, dass Information physisch ist und Masse hat und dass Elementarteilchen eine DNA mit Informationen über sich selbst haben, wie können wir das beweisen?“, fragt Dr. Vopson. In seiner neuesten Arbeit geht es daher vor allem darum, „diese Theorien auf den Prüfstand zu stellen, damit sie von der wissenschaftlichen Gemeinschaft ernst genommen werden können“.
In seinem Experiment schlägt der Physiker die Annihilation als Nachweismethode vor. Dabei werden Elementarteilchen auf ihre Antiteilchen geschossen, sodass diese ausgelöscht werden. „Die Information in einem Elektron ist 22 Millionen Mal kleiner als seine Masse, aber wir können den Informationsgehalt messen, indem wir ihn auslöschen. Wir wissen, dass bei der Kollision eines Materieteilchens mit einem Antimaterieteilchen die beiden sich gegenseitig vernichten. Aber die Information des Teilchens muss irgendwo hingehen, wenn es vernichtet wird.“
Bei diesem Prozess werde die gesamte verbleibende Masse der Teilchen in Energie – in der Regel in Gammaphotonen – umgewandelt. Enthalten Teilchen jedoch Information, werde diese in niederenergetische Infrarot-Photonen umgewandelt
.Quellen:
(1) Boyle et al. (2022); doi.org/10.1016/j.aop.2022.168767
(2) Vopson (2022); doi.org/10.1063/5.0087175
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 38, vom 2. April 2022.