Urs Birchler Der Bundesrat macht nicht alles falsch. Gemäss Medienmitteilung zum Einlegerschutz hat er die Weichen für einmal in die richtige Richtung gestellt. Vorab die Ausgangslage: In der Schweiz sind Guthaben des Publikums bei Banken bis 100’000 Franken (pro Person und Bank) gesichert durch (a) ein Konkursprivileg und (b) die Einlagenversicherung. Das Konkursprivileg sichert die Substanz der Guthaben, die Einlagenversicherung ermöglicht deren rasche Auszahlung (da die Substanz einer fallierten Bank lange Jahre blockiert sein kann). Dies ist das beste System und ähnlich in vielen anderen Ländern (inkl. USA) im Einsatz. Was will man also mehr? Das Problem der Schweiz liegt darin, dass eine Einlagensicherung in der Schweiz sozusagen Pedalos und Dampfschiffe gleichzeitig versichern muss. Der Untergang eines Dampfschiffs, d.h. einer Grossbank, kann aber nicht durch die kleineren Banken aufgefangen werden, jedenfalls nicht, ohne dass letztere mit in den Strudel gerissen würden. Deshalb hat die Einlagenversicherung bisher einen „Deckel“ (genannt Systemobergrenze) für den maximalen Garantiebetrag. Dieser beträgt 6 Mrd. Franken und würde die versicherten Guthaben bei rund einem Dutzend Banken nicht voll und bei den Grossbanken nur zu einem Bruchteil abdecken.
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Urs Birchler
Der Bundesrat macht nicht alles falsch. Gemäss Medienmitteilung zum Einlegerschutz hat er die Weichen für einmal in die richtige Richtung gestellt.
Vorab die Ausgangslage: In der Schweiz sind Guthaben des Publikums bei Banken bis 100’000 Franken (pro Person und Bank) gesichert durch (a) ein Konkursprivileg und (b) die Einlagenversicherung. Das Konkursprivileg sichert die Substanz der Guthaben, die Einlagenversicherung ermöglicht deren rasche Auszahlung (da die Substanz einer fallierten Bank lange Jahre blockiert sein kann). Dies ist das beste System und ähnlich in vielen anderen Ländern (inkl. USA) im Einsatz.
Was will man also mehr? Das Problem der Schweiz liegt darin, dass eine Einlagensicherung in der Schweiz sozusagen Pedalos und Dampfschiffe gleichzeitig versichern muss. Der Untergang eines Dampfschiffs, d.h. einer Grossbank, kann aber nicht durch die kleineren Banken aufgefangen werden, jedenfalls nicht, ohne dass letztere mit in den Strudel gerissen würden. Deshalb hat die Einlagenversicherung bisher einen „Deckel“ (genannt Systemobergrenze) für den maximalen Garantiebetrag. Dieser beträgt 6 Mrd. Franken und würde die versicherten Guthaben bei rund einem Dutzend Banken nicht voll und bei den Grossbanken nur zu einem Bruchteil abdecken. Schlaue Einleger solcher Banken würden also im Problemfall ihr Geld so rasch als möglich abholen, was ziemlich genau das Gegenteil dessen ist, was die Einlagenversicherung bezweckt.
Kein Wunder war es dem Bundesrat nicht wohl. Daher (auch auf Empfehlung der Expertengruppe zur «Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie» vom Dezember 2014) die vorliegenden Reformpläne.
Das beste an diesen ist, was der Bundesrat nicht will: nämlich einen Fonds zur Finanzierung der Einlagensicherung (den wir im Zusammenhang mit der EU bereits hier kritisiert haben). Ein solcher wäre immer zu gross für die Pedalos und zu klein für die Dampfschiffe. Zudem besteht ein solcher Fonds in der Substanz bereits: Das Konkursprivileg sichert den Einlegern den Zugriff auf die verbliebene Substanz der Bank. Sofern solche Substanz noch da ist.
Der Bundesrat will diese Substanz nun dadurch sicherstellen, dass die Banken ihre versicherten Einlagen zur Hälfte durch hinterlegte Wertpapiere absichern müssen. Für den Rest bürgt via esisuisse nach wie vor die Gemeinschaft der Banken. Der Bundesrat geht damit immerhin den halben Weg in Richtung einer Volldeckung der privilegierten Einlagen durch Bankvermögen. Eine solche war seinerzeit bei der Revision von 2003 auf Druck der Bankiervereinigung aus der bundesrätlichen Vorlage herausgestrichen worden.
[Der Bundesrat knüpft damit auch an die Tradition des 19. Jahrhunderts an: Damals mussten die Banken in einzelnen Kantonen ihre Spareinlagen durch hinterlegte Wertpapiere sichern. Diese Wertpapiere lagen in einem Tresor, der nur gemeinsam mit zwei Schlüsseln, einem bei der Bank, dem andern beim kantonalen Schlüssler, geöfffnet werden konnte. Dieses System machte die Wertschriftenverwaltung der Banken schwerfällig; heute ersetzt die Elektronik die beiden Schlüssler. Die regulatorische Konsequenz des 19. Jahrhunderts verbindet sich mit der elektronischen Eleganz des 21. Jahrhunderts.]
Weshalb aber begnügt sich der Bundesrat mit der halben Sicherheit? Weil auch die EU bisher nur 50 Prozent Deckung verlangt. Einmal mehr kommt der Schweizer Denkprozess bei der nächsten EU-Regelung zum Stehen. Trotzdem ist das Glas eher halb voll als halb leer. Erstens hat der Bundesrat das richtige Konzept beibehalten. Zweitens will er die Bestimmung abschaffen, wonach die Banken in Abhängigkeit ihrer versicherten Einlagen flüssige Mittel halten müssen. Diese sind nämlich im Normalfall zu hoch und im Krisenfall zu tief. Gut, dass er diese Augenwischerei erkannt hat. Vermutlich hat er auch erkannt, dass im Krisenfall nur eine Quelle in grösserem Ausmass flüssiges Geld zur Verfügung stellen kann: Die Nationalbank. Mit der Hinterlegung von 50 Prozent der versicherten Einlagen fände sie immerhin belehnbares Material, auch wenn 100 Prozent besser wäre. „Gäng sovu“, wie die Berner sagen.
Zu hoffen wäre dann noch, dass die FINMA den Culot hat, von den Banken Transparenz hinsichtlich der versicherten Einlagen und der hinterlegten Wertpapiere zu verlangen. Ebenfalls müssten die Banken ihre Eventualverpflichtungen offenlegen, die ihnen aus der gegenseitigen Beistandspflicht (für die nicht-hinterlegten 50 Prozent) im Rahmen der esisuisse erwachsen. Es gibt nämlich auch ungesicherte Geldgeber, und auch diese möchten wissen, woran sie sind.