Eine „gute“ Inflation gibt es nicht, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen 19.07.2021 – Tot ist die Inflation nie, allenfalls nur scheintot – Wann Preissteigerungen Inflation sind – Inflation durch übermäßiges Ausweiten der Geldmenge – Nicht alle Preisanstiege sind Inflation – Alle Preise vermitteln Informationen, zumal wenn sie steigen – Eine „gute“ Inflation gibt es nicht, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen – Die gute Inflation ist Humbug von Klaus Peter Krause Jetzt ist viel von „Rückkehr der Inflation“ die Rede. Wir lesen „Die Inflation lebt.“ Wir lesen „Die Preise steigen so schnell wie lange nicht mehr.“ Wir lesen „Energiepreise treiben Inflation auf Zehnjahreshoch.“ Wir lesen „In Deutschland dürfte die Inflationsrate bald 4 Prozent erreichen.“ Und:
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Eine „gute“ Inflation gibt es nicht, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen
19.07.2021 – Tot ist die Inflation nie, allenfalls nur scheintot – Wann Preissteigerungen Inflation sind – Inflation durch übermäßiges Ausweiten der Geldmenge – Nicht alle Preisanstiege sind Inflation – Alle Preise vermitteln Informationen, zumal wenn sie steigen – Eine „gute“ Inflation gibt es nicht, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen – Die gute Inflation ist Humbug
Jetzt ist viel von „Rückkehr der Inflation“ die Rede. Wir lesen „Die Inflation lebt.“ Wir lesen „Die Preise steigen so schnell wie lange nicht mehr.“ Wir lesen „Energiepreise treiben Inflation auf Zehnjahreshoch.“ Wir lesen „In Deutschland dürfte die Inflationsrate bald 4 Prozent erreichen.“ Und: „Inflation ist unversehens zu einem bestimmenden Thema geworden, das so schnell nicht verschwinden dürfte.“
Wir lesen weiter (in der FAZ): „Ist das jetzt die Zeitenwende? 4,2 Prozent Inflation haben die USA für den April gemeldet. Während das Land nach Corona allmählich wieder öffnet, melden alle möglichen Branchen Nachschubprobleme und Preiserhöhungen. Große Teile der Industrie können nicht so viel produzieren wie nötig, weil Halbleiter und Kunststoffe fehlen. Die Transportkosten für Güter steigen, auch weil es an Schiffs-Containern mangelt. Und dringend benötigte Rohstoffe wie Kupfer, Eisenerz oder Stahl sind teuer, manche so teuer wie nie. Auch in Deutschland klagt die Industrie. Dabei stehen zusätzliche Themen am Ende der Pandemie hierzulande erst noch bevor: überfüllte Hotels, die mit hohen Preisen ihre Verluste der vergangenen Monate wieder hereinholen wollen, eine überschießende Lebensfreude der Menschen nach Monaten des Darbens, die bereit sind, für ihr Vergnügen fast jeden Preis zu bezahlen. Die Inflation, so viel steht fest, ist nicht tot.“[1] Aber wie stets wird hierbei mit dem Verwenden unsauberer Begriffe einiges durcheinandergeworfen.
Tot ist die Inflation nie, allenfalls nur scheintot
Ja, die Inflation lebt. Das tut sie immer. Das ist wie mit dem Sozialismus: Er ist nie tot, er ist immer nur scheintot. Mit der Inflation ist es nicht anders, mit der tatsächlichen, der echten Inflation. Die wird herbeigeführt durch das übermäßige Aufblähen (inflare) der Geldmenge gegenüber der jeweils vorhandenen Gütermenge. Die Geldmenge lässt sich heute elektronisch sehr schnell vermehren, die Gütermenge dagegen – wegen unterschiedlicher, produktionstechnisch bedingter Trägheit – nicht. Eine zu starke Geldvermehrung erleben wir seit vielen Jahren.
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Wann Preissteigerungen Inflation sind
Diese Geldvermehrung („Geldschöpfung“) geschieht durch bloße Vergabe von Krediten. Es sind Kredite, die nicht (wie einst) durch Spargelder ermöglicht sind, gleichsam „gedeckt“ sind. Aber solche allein spargestützte Kreditvergabe ist lange vorbei. Jede Kreditvergabe schafft Kaufkraft und erhöht die Geldmenge. Sobald der Kreditempfänger mit dem Kredit auf Einkaufstour geht, ist das neue Geld in der Welt. Nimmt die Kreditvergabe und Kaufkraft derart große Ausmaße an, dass die daraus resultierende Güternachfrage das Güterangebot für längere Zeit deutlich übertrifft, führt das auf freien Märkten zu Preissteigerungen. Weil deren Ursprung das Aufblähen der Geldmenge ist, heißen diese Preissteigerungen Inflation.
Inflation durch übermäßiges Ausweiten der Geldmenge
An der Spitze der Geldschöpfer über den Geldbedarf der Gütermärkte hinaus stehen die Zentralbanken (ZB). Seit Jahren hat sich bei ihnen das Unheil breitgemacht, Staats- und Bankanleihen zu kaufen, um die betreffenden Staaten und Banken vor einem Finanzkollaps zu bewahren, sie zu retten, wobei es in der EU weiterhin und letztlich um die Euro-Rettung geht, dessen Scheitern um jeden Preis verhindert werden soll. Damit treten sie neben die privaten Geldanleger, die außer Aktien und Fondsanteilen auch Staats- und Bankanleihen in ihr Portefeuille zu nehmen pflegen. Dafür erhalten diese Staaten und Banken von den Zentralbanken frisches Geld, das diese elektronisch herbeizaubern. Folglich schnellt die Geldmenge in die Höhe. Und je länger und umfangreicher das geschieht, umso bedrohlicher wird die Inflationsgefahr. Dabei sollen die Zentralbanken, statt Staaten und Banken zu finanzieren, den Geldwert der Währung sichern, also die Bürger vor Inflation bewahren. Jedenfalls soll es die EZB für die Europäische Union.
Nicht alle Preisanstiege sind Inflation
Nun war kürzlich ein Beitrag mit der Überschrift „Die gute Inflation“ zu lesen (FAZ vom 21. Juni 2021, Wirtschaftsteil, Seite 18). Geschrieben hat ihn der Professor für Geschichte und internationale Beziehungen an der Princeton University Harold James. Aber diesem Autor muss unbekannt sein, dass nicht alle Preissteigerungen als Inflation zu gelten haben, wenn sie nicht inflationsbedingt sind, sondern andere Ursachen haben. Er setzt Teuerung aus Marktgründen gleich mit Inflation aus Gründen maßloser Geldmengenausweitung, verwendet jedenfalls beide Begriffe synonym, als seien sie ein und dasselbe. Das sind sie aber nicht. Wenn Harold James Inflation nennt, was aber nur Teuerung ist, dann ist das unsauber. Das Verwenden unsauberer Begriffe erschwert Unkundigen das Verständnis.
Alle Preise vermitteln Informationen, zumal wenn sie steigen
Doch was Harold James klarmachen will, ist durchaus zutreffend. Preisbewegungen, schreibt er, vermitteln eine Botschaft. Die Inflationsrate sei nur ein Index, der auf einem repräsentativen Warenkorb basiere und die Veränderung der Preise dieser Waren insgesamt betrachtet angebe. „Was aber passiert“, fragt er rhetorisch, „wenn sich die einzelnen Preise in unterschiedliche Richtungen bewegen? Auch das ist eine Botschaft: Preise sagen Marktteilnehmern, wie sie ihre wirtschaftliche Aktivität anpassen sollten. Wir sollten höhere Preise begrüßen, weil sie Informationen vermitteln.“ Leider sei der Sinn für die fundamentale Bedeutung des konkreten Preises zerstört worden. Sobald man aber die Inflation in ihre Komponenten zerteilt betrachte, lasse sich die Logik von Preissteigerungen verstehen und dabei auch erkennen, wofür Inflation gut sein könne.
Eine „gute“ Inflation gibt es nicht, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen
Nein, Inflation kann nicht gut sein, es gibt keine „gute“ Inflation, aber es gibt „gute“ Preissteigerungen. Oder allgemeiner und genauer: Es gibt „gute“ Preisbewegungen, seien es solche nach oben oder nach unten. Gut sind sie, wenn sie natürliche – nicht künstliche[2] – Knappheiten anzeigen und damit den Anbietern und Nachfragern Knappheitstendenzen und Knappheitsgrade signalisieren. In einer Volkswirtschaft sind es Signale für alle Menschen: zum einen für jene, die Waren produzieren und Dienstleistungen bereitstellen, also für die Anbieter dieser Güter, zum anderen für jene, die diese Waren und Dienstleistungen verwenden, also für die Nachfrager dieser Güter. Und darauf pflegen sie alle zu reagieren – jeder auf seine Weise.
Die gute Inflation ist Humbug
Solche Signale steigender wie sinkender Preise sind notwendig, damit sich die Marktteilnehmer dem anpassen, was sich verändert oder verändert hat. Da hat Harold James sehr wohl recht, auch wenn er es verdreht formuliert.[3] Inflation dagegen sendet ganz andere Signale. Sie ist ein Zeichen für missratene staatliche Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Es sind schlechte, nie gute Signale. Inflation bedeutet ursachenbedingt stets Preisanstieg, nie Preissenkung. Preisbewegungen als marktbedingte natürliche Signale gehen in beide Richtungen, die Inflation geht nur in eine. Die gute Inflation, mit Verlaub, ist Humbug.
P.S. „Zurückgekehrt“ übrigens ist die Inflation keineswegs. Sie war immer da. Zentralbanken wie die EZB steuern eine Inflationsrate von 2 Prozent geradezu an. Eine Null-Rate ist unerwünscht. Die EZB hat Angst vor Deflation und glaubt, die 2 Prozent als Puffer haben zu müssen: lieber etwas zuviel Geld im Umlauf als zu wenig. Wenn zu wenig Geld im Umlauf sei, drohe Deflation, obwohl dann der Geldwert steigt und bei Inflation laufend sinkt. Die Argumentation lautet: Bei Inflation kaufen die Leut‘, weil es später teurer wird; bei Deflation warten die Leut‘ ab, weil es später noch billiger werden kann. Ganz schön verrückt.
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[1] https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmaerkte-in-aufregung-neue-zeit-mit-inflation-und-hohen-zinsen-17341926.html
[2] Zum Beispiel durch Kartellbildung (Beispiel Preisabsprachen) oder durch staatliche Intervention (Beispiel Mindestpreisvorschriften, Mietpreisbremse, das Verteuern fossiler Energieverwendung durch Preissetzungen für anthropogenes CO2 vorgeblich gegen Klimaerwärmung). Viele Ökonomen sind der Ansicht, mit der Preissetzung für anthropogenes CO2 durch das Versteigern von CO2-Ausstoßrechten durch den Staat sei der Marktwirtschaft genüge getan. Sie wissen nicht oder wollen nicht wahrhaben, dass die Grundlage dieser Preissetzung nicht stimmt, nämlich auf einer These beruht, die nicht bewiesen, aber umfassend widerlegt ist. Die Klimaschutzpolitik und was in Deutschland „Energiewende“ heißt, ist unzulässige massive staatliche Intervention mit überaus schlimmen Folgen für die Wirtschaft und die Menschen. Ihr wird mit dem Versteigern von Ausstoßrechten nur ein marktwirtschaftliches Mäntelchen umgehängt.
[3] „Wir müssen uns jetzt entscheiden, ob wir eine gute Inflation erlauben, bei der die Preise Signale senden, auf die wir reagieren müssen, oder sie in eine schlechte Inflation umkehren, die unser Versagen verdeckt, auf die Signale des Marktes richtig zu reagieren.“
Über Klaus Peter Krause: Jahrgang 1936. Abitur 1957 in Lübeck. 1959 bis 1961 Kaufmännische Lehre. Dann Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel und Marburg. Seit 1966 promovierter Diplom-Volkswirt. Von 1966 bis Ende 2001 Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, davon knapp elf Jahre (1991 bis Ende 2001) verantwortlich für die FAZ-Wirtschaftsberichterstattung. Daneben von 1994 bis Ende 2003 auch Geschäftsführer der Fazit-Stiftung gewesen, der die Mehrheit an der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH und der Frankfurter Societäts-Druckerei gehört. Jetzt selbständiger Journalist und Publizist. Seine website ist www.kpkrause.de
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