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Ökonomische Bildung beginnt beim Charakter

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Photo: Marcus Hansson from Flickr (CC BY 2.0) Man kann die Uhr danach stellen: alle paar Monate fordert ein Verband, eine Unternehmerin oder ein Journalist mehr oder besseren Wirtschaftsunterricht. Womöglich liegt der Schlüssel zu ökonomischer Alphabetisierung aber gar nicht im Unterricht. Vorsicht Falle: wenn Wirtschaftsunterricht gekapert wird Der Wunsch ist verständlich. Bei Wahlen oder anderen Meinungserhebungen offenbaren viele Bürger, die in der Rundum-Sorglos-Stabilität der Bundesrepublik ihrer Wege ziehen, eine bemerkenswerte Unbelecktheit im Blick auf ökonomische Zusammenhänge. Höhere Renten, niedrigere Mieten, bessere Lohnabschlüsse, günstigere Waren und Dienstleistungen – die Schlaraffenwünsche lassen sich von stimmhungrigen Politikern beliebig hervorzaubern. Und viel zu selten

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Photo: Marcus Hansson from Flickr (CC BY 2.0)

Man kann die Uhr danach stellen: alle paar Monate fordert ein Verband, eine Unternehmerin oder ein Journalist mehr oder besseren Wirtschaftsunterricht. Womöglich liegt der Schlüssel zu ökonomischer Alphabetisierung aber gar nicht im Unterricht.

Vorsicht Falle: wenn Wirtschaftsunterricht gekapert wird

Der Wunsch ist verständlich. Bei Wahlen oder anderen Meinungserhebungen offenbaren viele Bürger, die in der Rundum-Sorglos-Stabilität der Bundesrepublik ihrer Wege ziehen, eine bemerkenswerte Unbelecktheit im Blick auf ökonomische Zusammenhänge. Höhere Renten, niedrigere Mieten, bessere Lohnabschlüsse, günstigere Waren und Dienstleistungen – die Schlaraffenwünsche lassen sich von stimmhungrigen Politikern beliebig hervorzaubern. Und viel zu selten schreit mal jemand auf: „Wer soll denn das bezahlen?“ Da wünscht man sich doch, den Leuten wäre „Wirtschaft“ schon vor Jahrzehnten eingebimst worden wie binomische Formeln und Rechtschreibregeln. Oben drauf kommt noch das Problem mit dem Wirtschaften im eigenen Haushalt: die einen verschulden sich schon im jüngsten Alter über alle verfügbaren Ohren und die anderen legen ihr Geld lieber unter die Matratze des Bausparvertrags, anstatt auf den Märkten echte Renditen zu erwirtschaften.

Ist nicht die Schule gefragt, hier zu einem Werkzeug der Aufklärung zu werden? Wenn schon die ganzen Öko-, Bio- und Veggie-Verbände die Bildungsinfrastruktur nutzen, um ihre Vorstellungen von gesunder und verantwortlicher Ernährung zu verbreiten: Warum sollten das nicht auch diejenigen tun, die an gesundem und verantwortlichem Wirtschaften interessiert sind? Ein entscheidender Faktor wird an dieser Stelle jedoch gerne ausgeblendet: Es ist alles andere als ausgemacht, dass in Lehrbüchern und Unterrichtsstunden die Anlagestrategien und politökonomischen Kausalketten gelehrt werden, die man selber für die besten und schlüssigsten hält. Die Wahrscheinlichkeit ist vielmehr recht hoch, dass es zumindest eine gewisse Schlagseite in Lehre und Unterricht geben wird. Und die schlägt nicht aus in Richtung Marktwirtschaft. Im Zweifel bedeutet dann mehr Wirtschaftsunterricht auch, dass die Schülerinnen noch intensiver marktkritischen Narrativen ausgesetzt werden. „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.“

Persönlichkeit statt Curriculum

Vielleicht ist erst einmal eine Problembeschreibung an der Reihe: Haben wir wirklich ein Wissensproblem, dem man mit den üblichen didaktischen Mitteln begegnen muss und kann? Oder ist womöglich vieles von dem, was ein Fach Wirtschaft vermitteln würde, schneller, kompetenter und aktueller abzufragen über Google, ChatGPT oder Youtube? Um mit Steuererklärung, Kaufverträgen und Aktiendepots klarzukommen, muss man vielleicht nicht viele Schulstunden mit antiquierten Lehrmaterialien zubringen. Aber das Faktum, dass so etwas überhaupt von Schülern, Eltern und Öffentlichkeit gefordert wird, gibt schon einen Hinweis auf den Bereich, in dem wirklich etwas geändert werden muss. Der Sinn von Schule sollte es ja nun wahrlich nicht sein, den jungen Menschen fein vorbereitete Häppchen zu servieren, sie mit fertigen Schubladen auszustatten und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass schon immer jemand da sein wird, der ihnen erklärt, wie es geht und wohin es geht. Der Sinn von Schule ist es, Leute bei ihren ersten Schritten ins Leben zu helfen, mündige, selbständige und verantwortliche Persönlichkeiten zu werden. In diesem Sinne möchte man gerade denjenigen, die sich mehr Verständnis für Marktwirtschaft wünschen, zurufen: setzt auf Persönlichkeitsbildung statt auf Schulfächer!

Eine fundamentale Voraussetzung sowohl für die erfolgreiche Marktteilnehmerin als auch für den Bürger in einer freiheitlich-demokratischen Republik ist das Verantwortungsgefühl. Also das Bewusstsein, dass es auf einen selber ankommt; dass man sich ernsthaft mit etwas beschäftigen sollte, weil man auch selber die Konsequenzen einer Einschätzung und Entscheidung tragen muss. Schule soll kein Spielverderber sein und auch nicht den jugendlichen Idealismus austreiben, den wir dringend brauchen können. Aber Schule sollte schon dazu beitragen, dass man die Ernsthaftigkeit des Lebens besser versteht. Zugleich können begabte Lehrer einem auch Augen und Herz dafür öffnen, wie beglückend es sein kann, eine Aufgabe in Eigenverantwortung zu erfüllen; wie es dem eigenen Leben Wert, Sinn und Perspektive gibt.

Der Markt als Chance zur Selbstentfaltung statt als Bedrohung

Eine weitere entscheidende Eigenschaft, die beim Heranwachsen entwickelt werden sollte, um das Leben gut zu meistern, und genauso, um sich im Marktgeschehen gut bewegen zu können, ist kritische Wachsamkeit. Also ein Verständnis dafür, dass man selbst und andere immer wieder Fehler machen kann. Bei allem grundsätzlichen Wohlwollen, das man der Welt entgegenbringen darf, sollte einem nicht entgehen, dass auch beste Absichten keine Garantie für ein gutes Ergebnis sind. Schließlich ist ein Schlüsselelement auf dem Weg der Charakterbildung die Einsicht, dass Wünsche nicht immer sofort erfüllt werden können; dass man warten, auf etwas hinarbeiten, sparen, beharren und auch immer mal wieder Enttäuschungen hinnehmen muss. Viele der eklatanten ökonomischen und politischen Fehlentscheidungen, die Menschen treffen, hängen damit zusammen, dass ihnen Geduld fehlt. Unsere Freude an der Aussicht auf den schnellen Vorteil machen sich sowohl Politiker als auch Geschäftsleute hemmungslos zunutze. Menschen mit ausgeprägter Frustrationstoleranz werden sehr viel wahrscheinlicher eine überdachte und abgewogene Entscheidung treffen.

Wenn wir unsere marktwirtschaftliche Ordnung erhalten und womöglich sogar noch ausweiten wollen, sollten wir uns weniger darauf konzentrieren, welche Informationen in Schülerinnen hineingepumpt werden. Viel wichtiger sollte uns sein, welche Persönlichkeitsmerkmale ihnen mit auf den Weg gegeben werden in ihrer Ausbildung. Denn der sanfte Autoritarismus unseres Fürsorgestaates dringt weit in die Schulen (und Elternhäuser) vor. Junge Menschen, die unkritisch alles aufnehmen, was ihnen „im Leben helfen wird“; die erleichtert sind, wenn ihnen Entscheidungen abgenommen werden vom Essensplan bis zur Berufswahl; die in der unerschütterlichen Erwartung leben, dass jemand ihre Wäsche wäscht und sie die neue X-Box kurz nach dem Erscheinen in ihren Händen halten … Solche jungen Menschen werden sich dem samtpfotigen Überstaat mit Freude an den Hals werfen. Die „eiskalte Logik des Marktes“ und die „zerstörerische Kraft des Wettbewerbs“ müssen auf sie wahrlich erschreckend wirken. Und darum müssen wir vor allem darauf achten, ihnen beizubringen, wie wunderschön und beglückend es ist, wenn man nach Mühen und Anstrengungen selbst etwas erreicht. Diese Erfahrung wird sie zu verantwortlicheren und zufriedeneren Menschen machen.

Clemens Schneider
Clemens Schneider, born in 1980, co-founded the educational project „Agora“ Summer Academy and the blog „Offene Grenzen“ („Open Borders“). From 2011 to 2014 he held a scholarship by the Friedrich Naumann Foundation and held responsible positions there organizing several seminars and conferences. He is active as blogger and speaker and is in constant contact with the young members of the pro-liberty movement.

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