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Im Banne der Lohnknechtschaft

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Photo: Mathew Schwartz from Unsplash (CC 0) Von Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Florian Rösch, Masterstudent Money and Finance an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt. Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck, dass die Erwerbstätigkeit immer mehr den gesamten Alltag bestimmt, nimmt die Erwerbstätigkeit heute weniger Zeit in Anspruch als in der nahen und fernen Vergangenheit. Vier-Tage-Woche oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen? Die Forderung nach einer Verkürzung der Erwerbszeit, am besten bei vollem Lohnausgleich, darf in keinem Wahlkampf fehlen. Aber arbeiten wir tatsächlich immer mehr, sodass unsere Familien und Hobbies leiden und es einer politischen Reduzierung des

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Photo: Mathew Schwartz from Unsplash (CC 0)

Von Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Florian Rösch, Masterstudent Money and Finance an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt.

Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck, dass die Erwerbstätigkeit immer mehr den gesamten Alltag bestimmt, nimmt die Erwerbstätigkeit heute weniger Zeit in Anspruch als in der nahen und fernen Vergangenheit.

Vier-Tage-Woche oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen? Die Forderung nach einer Verkürzung der Erwerbszeit, am besten bei vollem Lohnausgleich, darf in keinem Wahlkampf fehlen.

Aber arbeiten wir tatsächlich immer mehr, sodass unsere Familien und Hobbies leiden und es einer politischen Reduzierung des Erwerbsumfangs bedarf? Zwar mag für einige der Umfang der Erwerbstätigkeit sehr hoch sein, doch lässt sich diese Beobachtung nicht verallgemeinern, wie ein Blick auf verschiedene Statistiken zur Zeitverwendung zeigt.

Deutschland: Ein genauerer Blick

Das Statistische Bundesamt führt in großen Abständen Befragungen über die Zeitverwendung der Bevölkerung durch. Die Erhebung untersucht wie Menschen die 24 Stunden eines Tages verwenden. Für die Zeit nach der Wiedervereinigung liegen bisher zwei Erhebungen vor, die in den Jahren 1990/91 und 2012/13 durchgeführt wurden.

Im Banne der Lohnknechtschaft

Während 1990/91 jeder Deutsche im Durchschnitt 3 Stunden und 14 Minuten eine Erwerbstätigkeit ausübte, sind es 2012/13 nur noch 2 Stunden und 43 Minuten – eine Reduzierung von 16 Prozent. Männer sind 1990/91 im Durchschnitt 4 Stunden und 25 Minuten ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen. 2013/14 sind es noch 3 Stunden und 19 Minuten. Das entspricht einem Rückgang von fast 25 Prozent.

Im Vergleich zu Männern ist die durchschnittliche Zeit, die Frauen mit Erwerbstätigkeit verbringen, nahezu gleichgeblieben, mit einem leichten Rückgang von 2 Minuten auf 2 Stunden und 9 Minuten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Frauenerwerbsquote im Vergleich zu der der Männer seit 1991 deutlich stärker angestiegen ist. Trotz der gestiegenen Erwerbsbeteiligung bei Frauen ist für die Bevölkerung als Ganzes ein Trend zu weniger Erwerbszeit pro Tag auszumachen.

Schlafen und ein „bisschen“ Haushalt

Doch womit verbringen wir unsere Zeit, wenn wir nicht gegen Bezahlung arbeiten? Die Erwerbstätigkeit macht zumindest nur einen kleinen Teil aus und ist erst die viertgrößte Position.

Die meiste Zeit des Tages verbringen die Deutschen schlafend. Im Durchschnitt schlafen wir knapp 8,5 Stunden am Tag. Nach dem Schlaf nehmen die Haushaltsführung und Betreuung der Familie die meiste Zeit des Tages in Anspruch. Für die Haushaltsführung wenden die Deutschen im Durchschnitt 3 Stunden und 7 Minuten am Tag auf. Das ist deutlich weniger als 1990/91, als die Haushaltsführung täglich noch gut eine halbe Stunde mehr in Anspruch nahm. Auf die Haushaltsführung folgt die Mediennutzung mit gut 3 Stunden, die im Vergleich zu 1990/91 um eine halbe Stunde anstieg. Diese Entwicklung trifft Männer und Frauen im ähnlichen Maße.

Im Banne der Lohnknechtschaft

Die Zeit, die wir mit Sport, Hobbys und Spielen verbringen, ist leicht von 1 Stunde und 8 Minuten auf 59 Minuten gesunken. Diese unerwartete Entwicklung kann mit der deutlich intensiveren Mediennutzung erklärt werden. Die Nutzung von Medien wie Handys oder Computer in der frei verfügbaren Zeit hat deutlich an Bedeutung gewonnen.

Die Zeit, die die Befragten mit Bildungsaktivitäten zubringen, liegt nach wie vor stabil bei etwa einer halben Stunde am Tag. Zusammenfassend verbringen wir mehr Zeit mit angenehmen Dingen wie Hobbys oder dem sozialen Leben und weniger Zeit mit der Arbeit oder der Haushaltsführung.

Arbeitszeit historisch niedrig – nicht nur in Deutschland

Ein Blick auf einen längeren Zeitraum lässt erkennen, dass der Trend zu weniger Erwerbszeit außerhalb des eigenen Haushalts pro Tag in Deutschland nicht erst seit den 1990er Jahren besteht. Seit 1870 gingen die jährlichen Erwerbsstunden von Vollzeitbeschäftigten um fast 60 Prozent zurück.

Eine ähnliche Entwicklung kann auch in anderen Staaten beobachtet werden. In Frankreich gingen die jährlichen Erwerbsstunden seit 1870 um mehr als 50 Prozent zurück. Im Unterschied zu Deutschland stagnieren dort die Zahlen seit dem Jahr 2000. In den USA kam es seit 1870 zu einem Rückgang von über 40 Prozent. In allen drei Ländern ist die Erwerbszeit historisch niedrig. Im selben Zeitraum stieg das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Deutschland um mehr als das 15-Fache, in Frankreich um mehr als das 12-Fache und in den USA um mehr als das 11-Fache. Die Reduktion der Erwerbszeit ging also mit einem starkem Anstieg des Wohlstandes einher.

Im Banne der Lohnknechtschaft

Der Rückgang der jährlichen Erwerbsstunden von Vollzeitbeschäftigten wird nicht nur durch einen Rückgang der wöchentlichen Erwerbszeit begleitet, sondern auch durch einen Anstieg der erwerbsfreien Tage, wie Urlaubs- und Feiertage. Die Anzahl der freien Tage stieg vor allem in Deutschland und Frankreich stark an. Während 1870 im Durchschnitt in Deutschland jeder Vollzeitbeschäftigte nur 13 freie Werkstage hatte, waren es 43 Tage im Jahr 2000.

Der Beruf – Lebensmittelpunkt unseres Alltags?

Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck, dass die Erwerbstätigkeit immer mehr den gesamten Alltag bestimmt, nimmt die Erwerbstätigkeit heute weniger Zeit in Anspruch als in der nahen und fernen Vergangenheit. Wir arbeiten weniger und haben mehr freie Tage.

Trotz weniger Erwerbszeit stieg der materielle Wohlstand deutlich. Diese Erkenntnis lässt hoffen, dass auch in Zukunft Wohlstandsgewinne mit weniger Erwerbszeit zu erreichen sein werden. Politischen Handlungsbedarf, um einem vermeintlichen Trend zu immer längeren Erwerbszeiten entgegenzuwirken, scheint es jedenfalls nicht zu geben.

Erstmals erschienen bei IREF.

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