Photo: Niedersächsisches Landesmuseum from Wikimedia Commons (CC 0) Das Ende der Corona-Krise naht. Und ja, es fühlt sich an wie Zauberei. Noch vor wenigen Monaten versicherten uns Ärzte, Gesundheitsexperten und Politiker, dass die Entwicklung von Impfstoffen Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern wird – von mehreren Impfstoffen ganz zu schweigen. Stattdessen sollten sich Bürger auf eine harte Zukunft einstellen. Ohne Beschränkung der sozialen Kontakte für lange Zeit, Masken auf öffentlichen Plätzen für Jahre und Verzicht auf Reisen werde es in Zukunft nicht gehen. Doch als hätte jemand seinen Zauberstab geschwungen, lässt der Blick auf Länder wie Israel und Großbritannien immer mehr auf die Rückkehr der Normalität hoffen. Die düsteren Prophezeiungen der Untergangspropheten spielten
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Das Ende der Corona-Krise naht. Und ja, es fühlt sich an wie Zauberei. Noch vor wenigen Monaten versicherten uns Ärzte, Gesundheitsexperten und Politiker, dass die Entwicklung von Impfstoffen Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern wird – von mehreren Impfstoffen ganz zu schweigen. Stattdessen sollten sich Bürger auf eine harte Zukunft einstellen. Ohne Beschränkung der sozialen Kontakte für lange Zeit, Masken auf öffentlichen Plätzen für Jahre und Verzicht auf Reisen werde es in Zukunft nicht gehen. Doch als hätte jemand seinen Zauberstab geschwungen, lässt der Blick auf Länder wie Israel und Großbritannien immer mehr auf die Rückkehr der Normalität hoffen. Die düsteren Prophezeiungen der Untergangspropheten spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle. Für das magische Ende der Krise ist wieder einmal eine chronisch unterschätzte Gruppe verantwortlich: die Zauberer der unternehmerischen Innovation.
In seinem beeindruckenden Buch The Wizard and the Prophet: Two Remarkable Scientists and their Dueling Visions to Shape Tomorrow’s World unterscheidet der bekannte Wissenschaftsjournalist Charles C. Mann genau jene zwei Gruppen: die Zauberer und die Propheten. Anhand zweier Wissenschaftler zeigt er, wie die großen Fragen der letzten Jahrzehnte anhand dieser Trennlinie verliefen:
Auf der einen Seite stehen die Propheten, personifiziert durch den US-amerikanischen Umweltaktivisten William Vogt. Mit seinen Büchern begründete der Wissenschaftler, was man heute wohl als apokalyptisches Umweltbewusstsein bezeichnen würde: Wenn die Menschheit ihren Konsum nicht drastisch reduziere, ihren Verbrauch einschränke und die Bevölkerungszahl verringere, stehen die globalen Ökosysteme vor dem Kollaps und die Menschheit vor dem Abgrund. Das Ende der Menschheit steht bevor, wenn nicht sofort drastische Verhaltensänderungen eingeleitet werden. Sein Mantra: „Schränkt Euch ein! Oder wir werden alle verlieren!“
Die Zauberer hingegen sind die Erben von Norman Borlaug. Dessen Agrarforschung machte ihn zwischen den 1940er und 1960er Jahren zum „Vater der Grünen Revolution“. Die massive Ausweitung landwirtschaftlicher Produktionsmöglichkeiten, die durch die von ihm maßgeblich angetriebene Entwicklung widerstandsfähiger Getreidesorten eingeleitet wurde, rettete Schätzungen zu Folge mehr als eine Milliarde Menschen vor dem Verhungern. 1970 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sein Mantra: „Erfindet! Nur so können wir alle gewinnen!“
Charles Mann stellt in seinem Buch beide Schulen – die der Propheten und die der Zauberer – sehr ausgewogen gegenüber und zeigt, wie sich Debatten der letzten Jahrzehnte irgendwo auf dem Kontinuum zwischen Prophetie und Zauberei abspielten: Lösungen für Umweltzerstörung, die Verknappung der Ressourcen oder den schon angesprochenen Kampf gegen den Hunger.
Anders als Charles Mann kann und will ich gar nicht neutral auf Zauberer und Propheten blicken, denn ich bin Fan der Zauberer. Insbesondere, weil den Propheten nichts mehr einfällt. Seit Jahrzehnten predigen sie das gleiche, egal, um welches Problem es sich handelt: weniger Konsum gegen den Ressourcenverbrauch, weniger Verschwendung zugunsten der Kinder in Afrika und weniger soziale Kontakte gegen Corona. Die Zauberer hingegen, die Erfinder und die Unternehmer, sind nicht so unkreativ. Sie wenden nie das gleiche Rezept an. Sie experimentieren uns vielmehr aus den Krisen heraus.
Ein aktuelles Beispiel für die gegenüber den Jüngern des Verzichts überlegene Lösungskompetenz der Zauberer in unserer Zeit ist die Ernährung der Zukunft – oder der Burger der Zukunft: Die Propheten in Organisationen wie PETA machen uns auf Missstände in der (Massen-)Tierhaltung bei Rindern und Geflügel aufmerksam und fordern Strafen und Verzicht. Ohne drastische Veränderungen im Verhalten heute, stehe uns die ökologische Katastrophe morgen bevor. Ihr Mantra ist das gleiche wie das aller Propheten in allen Zeiten: „Schränkt Euch ein! Oder wir werden alle verlieren!“
Dagegen stehen die Zauberer unserer Zeit: erfindungsreiche Forscher, clevere Startups wie Mosa Meat und risikobereite Investoren wie zum Beispiel einer der Google-Gründer. Sie predigen nicht den Verzicht, sondern holen die Menschen da ab, wo viele sich wohl und glücklich fühlen: beim Fleischgenuss. Deshalb haben sie sich zusammengetan, um Rindfleisch ohne verabscheuungswürdige Massentierhaltung zu produzieren. Statt aus dem Stall soll das Fleisch jetzt aus der Petrischale kommen – ganz ohne Tierleid. Ihr Mantra: „Erfindet! Nur so können wir alle gewinnen (auch die Tiere)!“
2013 lachten die Propheten noch, als es drei Labortechniker, drei Monate und 250.000 Euro kostete, um einen Burger aus der Petrischale herzustellen. Doch zuletzt lachten die Zauberer: 2022 werden die ersten Burger in Luxusrestaurants rund um die Welt serviert. Kurze Zeit später sollen die Burger nach Angaben des Unternehmens dann nur noch 11 Dollar kosten. Und von da ist der Weg ins Aldi-Regal auch nicht mehr weit. In einem Jahrzehnt von einer Viertelmillion Euro pro Pattie bis ins Aldi-Regal – ganz ohne Verzicht und Tierleid, aber durch erfindungsreiche Innovation? Sounds like magic to me!
Charles C. Man hat natürlich Recht, wenn er die Dinge neutraler betrachtet als ich: die Propheten sind wichtig. Aufmerksamkeit schaffen, zu Verhaltensänderungen aufrufen und Menschen zu bewegen war früher wichtig, ist in der Debatte um die Landwirtschaft wichtig und ja, auch die Mahner und Vorsichtigen in der Corona-Krise sind wichtig. Jedoch verkommen die wichtigen Propheten viel zu häufig zu nervtötenden Untergangspropheten, die hinter jeder Ecke lauern, sich die Haare raufen und das nahende Ende der Welt beklagen. Verändert hat sich dadurch allerdings – nichts.
Schlussendlich sind es doch die Zauberer und nicht die Propheten, die gesellschaftlichen Herausforderungen mit offenem Visier begegnen und Lösungen für unsere Probleme finden. Wenn ich einen Zauberstab schwingen dürfte, um mir entweder einen zusätzlichen Propheten oder einen zusätzlichen Zauberer zu wünschen … die Wahl wäre leicht.