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Stadt hat Zukunft

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Photo: Hert Niks from unsplash (CC 0) Man könnte meinen, das Ende der Stadt sei nah. So wirkt es jedenfalls, wenn man die Abgesänge auf das urbane Leben während der Pandemie vernimmt. Städte haben historisch schon häufig krank gemacht: Von Cholera bis Corona – dichtes Zusammenleben hat schon immer anfällig für Krankheiten verschiedenster Art gemacht. Und wer es sich leisten konnte, floh schon während der Pest aufs Land. Auch jetzt haben die wohlhabenden Städter während der Pandemie ihre Siebensachen gepackt (vermutlich: MacBook, Birkenstock, Yoga Matte, Siebträgermaschine, Lastenfahrrad, Mandelmilch und die Paulo-Coelho-Gesamtausgabe) und sind in die Provinz geflohen. Was im vergangenen Jahrzehnt technologisch entwickelt wurde, verhilft der Flucht aufs Land nun zum Durchbruch: Von

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Photo: Hert Niks from unsplash (CC 0)

Man könnte meinen, das Ende der Stadt sei nah. So wirkt es jedenfalls, wenn man die Abgesänge auf das urbane Leben während der Pandemie vernimmt. Städte haben historisch schon häufig krank gemacht: Von Cholera bis Corona – dichtes Zusammenleben hat schon immer anfällig für Krankheiten verschiedenster Art gemacht. Und wer es sich leisten konnte, floh schon während der Pest aufs Land.

Auch jetzt haben die wohlhabenden Städter während der Pandemie ihre Siebensachen gepackt (vermutlich: MacBook, Birkenstock, Yoga Matte, Siebträgermaschine, Lastenfahrrad, Mandelmilch und die Paulo-Coelho-Gesamtausgabe) und sind in die Provinz geflohen. Was im vergangenen Jahrzehnt technologisch entwickelt wurde, verhilft der Flucht aufs Land nun zum Durchbruch: Von Nordfriesland bis Oberbayern erlauben Zoom und Co. die Kombination zweier zuvor unvereinbarer Welten – das idyllische Leben auf dem Land und das finanziell attraktive Arbeiten in der Stadt. Ist das Ende der Stadt damit besiegelt?

Nein, die Stadt ist noch lange nicht am Ende. So argumentieren jedenfalls die beiden Harvard-Ökonomen David Cutler und Edward Glaeser in ihrem neuen Buch Survival of the City. Auch wenn es manchem wohlstandssaturierten (Ex-)Städter nicht so erscheint: Städte haben schon größere Krisen überlebt.

Die Vorteile der Stadt für die Aufstiegsmobilität großer Teile der Bevölkerung sind kaum zu überschätzen. Die Forschung vergleicht Städte wie New York City, Rio de Janeiro und Mumbai mit sozialen Aufzügen. Der urbane Raum potenziert die Anstrengungen der leistungsbereiten Stadtbewohner und vergrößert nicht nur ihren eigenen Wohlstand, sondern auch den der Menschen um sie herum.

Der Grund liegt in der physischen Nähe von Menschen in der Stadt, die in den Pandemien der Menschheitsgeschichte vielen zum Verhängnis wurde. Wohlstand entsteht durch ökonomische Kooperation und neue Ideen. Die Dichte der Stadt ermöglicht es, dass die schlauesten und ehrgeizigsten Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen dicht an dicht leben und arbeiten, neue Ideen entwickeln, Menschen beschäftigen, Wohlstand schaffen und die Welt verändern.

Von den Hansestädten des 14. Jahrhunderts über Venedig, Amsterdam und London bis hin zu New York City und Bangalore waren und sind es dichte Agglomerationsräume, in denen menschliche Kreativität die Welt verbessert hat. Betrachtet man die Krisen, die diese Städte überwunden haben, können wir uns sicher sein: Die Städte der Gegenwart werden auch mit Corona fertig. Und sie werden auch nach Corona attraktiv – womöglich noch attraktiver.

Doch obwohl Städte erstaunlich robust sind gegenüber externen Schocks, so zeigen Cutler und Glaeser, gibt es doch Gefahren für den Wohlstandsmotor Stadt: die Städter selbst. So zum Beispiel die NIMBYs, ein Akronym, das für Not In My Back Yard steht. NIMBYs sind urbane Wutbürger, die die Probleme in ihrer Stadt zwar anerkennen, sich aber jeder Lösung verweigern, die ihre eigene unmittelbare Umgebung betrifft und eine Veränderung des Status quo bedeuten würde.

Der Neokonservatismus der NIMBY-Hipster drückt sich am stärksten beim Thema Wohnungsbau aus: Statt eine alte Flughafen-Brachfläche zu Bauland umzuwidmen und so günstigen Wohnraum für Um- und Zuziehende zu ermöglichen, wollen die privilegierten Städte lieber eine kostenlose Grünfläche für sich behalten. Statt sich für neuen Wohnungsbau durch die Kommune einzusetzen, setzen sich die NIMBYs lieber für Verstaatlichung privater Betriebe ein: So bleiben die Mieten für die Städter gering, für jeden Neuen in der Stadt unbezahlbar hoch, der Wohnraum wird knapper und die Qualität der Wohnungen degeneriert.

Aber warum sind grade die NIMBY-Wutbürger gefährlich für die Zukunft der Stadt? Um das zu erklären, beziehen sich Glaeser und Cutler auf die Insider-Outsider-Theorie des Politikwissenschaftlers Mancur Olson: Die urbanen NIMBYs sind die privilegierten Insider, die in den Städten von den herausragenden Verdienstmöglichkeiten, guten Aufstiegsmöglichkeiten und günstigen Bestandsmieten profitieren. Die Outsider sind die aufstiegs- bzw. veränderungswilligen Zuwanderer: Familien mit Kindern, Migranten, Menschen aus prekären Verhältnissen. Aus Sorge vor steigenden Mieten, Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und der sozialen Veränderung ihres Kiezes bauen die Insider-NIMBYs Mauern gegenüber den Neuen. Die sind zwar nicht physischer Natur, aber ebenso effektiv: Enteignung statt Neubau, Brachflächen statt Wohnfläche, provinzielles Klein-Klein statt ökonomischem Fortschritt. Der Status quo wird festzementiert und die Stadt wird versiegelt.

Genau darin liegt die Gefahr für die Stadt. Urbaner Fortschritt wird nämlich von unternehmungslustigen Bürgerinnen angetrieben, die in der Intimität der Stadt auf andere risikobereite Köpfe stoßen, die bewegen und verändern wollen – und nicht von den biederen Wohlstandsverwaltern im Prenzlauer Berg. Glaeser und Cutler zeigen, dass eine Stadt voller NIMBYs am Ast des eigenen Erfolgs sägt.

Die Forschung ist eindeutig: Städte sind ein robuster Wohlstands- und Ideenmotor – auch nach dieser Pandemie. Und wir sind mehr denn je auf sie angewiesen. Neue Pandemien, der Klimawandel und die noch unbekannten Bedrohungen der Zukunft erfordern ein großes Maß an Kreativität und Wohlstand, um bei der Lösung aus dem Vollen schöpfen zu können. Damit Städte dies auch leisten können, brauchen sie aber weniger NIMBYs und mehr YIMBYs – Yes! In my back yard (please)! Menschen, die Lust haben, Risiken einzugehen, Neues zu probieren und die Zukunft herauszufordern – Menschen, die Stadtluft atmen wollen.

Erstmals erschienen beim Ökonomenblog.

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