Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin. Die skandinavischen Staaten sind für vieles bekannt, für einen schlanken, wenig eingreifenden Staatsapparat allerdings nicht. Zumindest um die wirtschaftliche Freiheit ist es in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland bei weitem nicht so schlecht bestellt, wie manch einer vielleicht glaubt. Bei genauerem Hinsehen könnte das andere Vorurteil in sich zusammenfallen. Skandinavien gilt für viele als Vorbild. Das sogenannte „skandinavische Modell“ verbinde wirtschaftlichen Erfolg mit einem umfassenden Sozialstaat. Der Ökonom Jeffrey D. Sachs
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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.
Die skandinavischen Staaten sind für vieles bekannt, für einen schlanken, wenig eingreifenden Staatsapparat allerdings nicht. Zumindest um die wirtschaftliche Freiheit ist es in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland bei weitem nicht so schlecht bestellt, wie manch einer vielleicht glaubt. Bei genauerem Hinsehen könnte das andere Vorurteil in sich zusammenfallen.
Skandinavien gilt für viele als Vorbild. Das sogenannte „skandinavische Modell“ verbinde wirtschaftlichen Erfolg mit einem umfassenden Sozialstaat. Der Ökonom Jeffrey D. Sachs schreibt: „Die nordischen Länder haben erfolgreich einen Wohlfahrtsstaat mit hohem Einkommensniveau, solidem Wirtschaftswachstum und makroökonomischer Stabilität kombiniert.“ Ist also die wirtschaftliche Freiheit in Skandinavien deutlich stärker eingeschränkt als beispielsweise in Deutschland? Ein Blick auf den Index für wirtschaftliche Freiheit zeigt, dass die skandinavischen Länder im Mittel gar ein wenig wirtschaftlich freier sind als Deutschland – trotz umfangreicherer staatlicher Aktivität.
Skandinavien ist (erfolg-)reich
Das höchste reale pro Kopf Einkommen unter den skandinavischen Ländern ist in Norwegen zu finden. Es ist dort fast 20% höher als in Dänemark. Dies liegt unter anderem an den reichen norwegischen Rohstoffvorkommnissen. Der Öl- und Gassektor macht rund 22 % der Wirtschaftsleistung aus.
Das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen in Dänemark und Schweden ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Finnland ist nach diesem Maßstab ökonomisch weniger erfolgreich als seine Nachbarländer. Das finnische BIP pro Kopf ist gut ein Viertel niedriger das norwegische.
Skandinavien: Hohe Staatsquote
Im Vergleich zu Deutschland ist der Umfang staatlicher Aktivitäten in Skandinavien deutlich ausgeprägter. Die Staatsausgaben liegen in Deutschland bei gut 44 % des BIP, während sie in den skandinavischen Ländern mehr als die Hälfte des BIP ausmachen. Soweit passen die Beobachtungen zum verbreiteten Bild von umfassenden Wohlfahrtsstaaten.
Wirtschaftliche Freiheit
Das kanadische Fraser Institut berichtet regelmäßig über die weltweite Lage der wirtschaftlichen Freiheit. Es werden verschiedene Kategorien betrachtet, um ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Freiheit der Menschen eines Landes zu zeichnen. Negativ fließen der Umfang staatlicher Aktivität sowie staatliche Regulierung ein. Positiv fließen Rechtssicherheit und Sicherung privater Eigentumsrechte, monetäre Stabilität sowie grenzüberschreitender Handel ein.
Die skandinavischen Länder, angeführt von Dänemark, sind nach diesem Maßstab ähnlich wirtschaftlich frei wie Deutschland. Deutschland befindet sich in Bezug auf die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Mitte der vier skandinavischen Länder.
Dieser Befund mag überraschen, da er der verbreiten Wahrnehmung widerspricht, die skandinavischen Staaten schränkten im Vergleich zu Deutschland wirtschaftliche Freiheit stärker ein.
Obwohl die Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP in Skandinavien deutlich höher als in Deutschland ausfallen, ist die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Gesamtschau auf einem ähnlich hohen Niveau. Die drei Unterkategorien des Indexes, die sich mit sicheren Eigentumsrechten, grenzüberschreitendem Handel und Regulierung befassen, geben Hinweise darauf, wie dieses für einige überraschende Ergebnis zustande kommt.
Sichere Eigentumsrechte
Im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit privater Eigentumsrechte schneiden alle skandinavischen Staaten besser als Deutschland ab. Skandinavische Gerichte sind unabhängiger, das Rechtssystem ist weniger korruptionsanfällig und es erfolgt eine bessere Durchsetzung des Rechts. Das Eigentum der Skandinavier wird besser geschützt, sie können freier als die Deutschen über ihr Eigentum verfügen und Regulierung beschränken den Kauf und Verkauf von Eigentum weniger stark.
Ein funktionierender Rechtsstaat sichert private Eigentumsrechte und schützt die Menschen gegen Übergriffe durch Private oder staatliche Stellen. Der Schutz von Eigentum ist für die wirtschaftliche Entfaltung von Menschen essentiell. Ein Umfeld sicherer Eigentumsrechte animiert zu Investitionen, die zum Wachstum des Kapitalstocks und damit einem höheren Wohlstand in der Zukunft beitragen.
Es wäre möglich, dass auf Grund der größeren Ausgaben des Staates die Eigentumsrechte in Skandinavien besonders sicher und die Gerichte besonders zuverlässig sind. Dies scheint allerdings nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil: Der deutsche Staat verwendet einen höheren Anteil des BIP auf Ausgaben für Polizei und Gerichte. Nicht höhere Staatsausgaben, sondern eine effizientere Durchsetzung von Recht und Ordnung scheinen diesbezüglich das skandinavische Rezept zu sein.
Freier Handel
Mit Ausnahme von Norwegen sind die dem grenzüberschreitenden Handel entgegenstehenden Barrieren in den skandinavischen Ländern weniger stark ausgeprägt als in Deutschland.
Der durchschnittlich erhobene Zoll ist in allen betrachteten Ländern mit fast 9 % gleich hoch. Nur im Nicht-EU-Mitglied Norwegen sind die Zölle im Durchschnitt niedriger (8,7%). Dafür sind sie in Norwegen im Vergleich zu den übrigen Ländern uneinheitlicher – auf verschiedene Produkte werden mehr als in den anderen Ländern unterschiedlich hohe Zollsätze erhoben. Dies lässt Norwegens Indexwert für wirtschaftliche Freiheit in Bezug auf Freihandel etwas hinter die übrigen Länder zurückfallen.
Während Zölle den grenzüberschreitenden Handel in Skandinavien und Deutschland in ähnlicher Weise behindern, ist es für ausländische Investoren einfacher, in Skandinavien geschäftlich aktiv zu werden. Es gibt weniger Hindernisse für Ausländer, in Skandinavien Unternehmen zu kaufen oder in Projekte zu investieren. Außerdem sind Regulierungen, die den grenzüberschreitenden Handel beinträchtigen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Skandinavien weniger verbreitet als in Deutschland. Diese Faktoren erklären, warum Skandinavier durchschnittlich einen besseren Zugang zu grenzüberschreitendem Handel haben als Deutsche.
Weniger Regulierung in Dänemark und Schweden
Dänemark und Schweden weisen zwar die höchsten Staausausgaben auf, sind aber in Bezug auf das Ausmaß der Regulierung der Wirtschaft die beiden zurückhaltendsten Länder.
Der dänische Arbeitsmarkt ist der unter den Vergleichsländern am wenigsten regulierte und die Hürden für den Eintritt in den Arbeitsmarkt sind dort entsprechend niedriger als in den anderen vier Ländern.
Norwegen und Finnland schneiden bezüglich der Regulierungsintensität auf Grund stärkerer Regulierungen des Arbeitsmarktes ähnlich ab wie Deutschland.
Skandinavien: Wirtschaftlich so frei wie Deutschland
Die wirtschaftliche Freiheit ist in Skandinavien nicht deutlich eingeschränkter als in Deutschland. Deutlich höhere Staatsausgaben und entsprechende Staatseinnahmen werden kompensiert durch einen Mix aus einem verlässlichen Rechtsstaat, zurückhaltender Regulierung und niedrigen Barrieren für den grenzüberschreitenden Handel.
Eine Ausweitung staatlicher Aktivität in Deutschland ohne Verbesserung des Justizwesens, Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels und Abbau kooperationshinderlicher Regulierungen würde nicht einer Annäherung an das „skandinavische Modell“ gleichkommen. Bezüglich der wirtschaftlichen Freiheit würde sich Deutschland so weiter vom „skandinavischen Modell“ entfernen.
Erstmals veröffentlicht bei IREF.