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Finanzierung von intelligenten Verkehrssystemen

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Das Internet der Dinge gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wichtige Beispiele finden sich in der Organisation von Microgrids, vernetztem/autonomem Fahren, Low Power Networks für intelligente Städte, energieeffizienten Gebäuden, Maschine-zu-Maschine-Vernetzungen in der Landwirtschaft und vielen neuen digitalen Anwendungen in der Verkehrslogistik. Dieser Beitrag analysiert die Frage, ob und wie weit staatliche Subventionen zur Förderung dieser ICT-basierten Technologien aus volkswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind. Internet der Dinge und intelligente Verkehrsnetze Das Internet der Dinge schafft neue Anforderungen für die Datenübertragung.[ 1 ] Echtzeitübertragung sowie eine räumlich differenzierte Datenerhebung gewinnen zunehmend an Bedeutung.[ 2 ] Zudem findet ein Wandel von der traditionellen Sender-Empfänger-Perspektive der TCP/IP-basierten Datenpaketübertragung hin zu Inhaltsrelevanz (z. B. Cloud Computing) und dynamischen Veränderungen des Gerätezustands statt. Diese Anforderungen können im herkömmlichen TCP/IP Internet, bei dem alle Datenpakete gleich behandelt werden, nicht erfüllt werden. Zukünftige Herausforderungen für die Datenpaketübertragung sind der Übergang vom Best-Effort-Internet zur All-IP-Infrastruktur mit einer Hierarchie von Qualitätsklassen mit deterministischen und stochastischen Qualitätsgarantien.

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Das Internet der Dinge gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wichtige Beispiele finden sich in der Organisation von Microgrids, vernetztem/autonomem Fahren, Low Power Networks für intelligente Städte, energieeffizienten Gebäuden, Maschine-zu-Maschine-Vernetzungen in der Landwirtschaft und vielen neuen digitalen Anwendungen in der Verkehrslogistik. Dieser Beitrag analysiert die Frage, ob und wie weit staatliche Subventionen zur Förderung dieser ICT-basierten Technologien aus volkswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind.

Internet der Dinge und intelligente Verkehrsnetze

Das Internet der Dinge schafft neue Anforderungen für die Datenübertragung.[ 1 ] Echtzeitübertragung sowie eine räumlich differenzierte Datenerhebung gewinnen zunehmend an Bedeutung.[ 2 ] Zudem findet ein Wandel von der traditionellen Sender-Empfänger-Perspektive der TCP/IP-basierten Datenpaketübertragung hin zu Inhaltsrelevanz (z. B. Cloud Computing) und dynamischen Veränderungen des Gerätezustands statt. Diese Anforderungen können im herkömmlichen TCP/IP Internet, bei dem alle Datenpakete gleich behandelt werden, nicht erfüllt werden. Zukünftige Herausforderungen für die Datenpaketübertragung sind der Übergang vom Best-Effort-Internet zur All-IP-Infrastruktur mit einer Hierarchie von Qualitätsklassen mit deterministischen und stochastischen Qualitätsgarantien.[ 3 ]

Zusätzlich zu diesen Anforderungen an die Intelligenz der Netzarchitektur im All-IP Internet stellen sich aufgrund der zunehmenden Bedeutung von räumlich differenzierten Echtzeit-Verkehrsdaten auch wichtige Herausforderungen aus Sicht des Datenschutzes (e-privacy) und der Cybersecurity. Im Dezember 2015 sind wesentliche Reformen des Datenschutzrechts vom Europäischen Parlament und Rat innerhalb der e-Privacy-Direktive beschlossen worden, die die Datenschutzrichtlinie aus dem Jahre 1995 ablöst. Ziel ist u. a. der einfachere Zugang zu den eigenen persönlichen Daten, Recht auf Datenübertragbarkeit, Recht zu erfahren, ob Daten gehackt wurden etc.[ 4 ] Im August 2013 wurde zudem eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Gewährleistung einer hohen gemeinsamen Netz- und Informationssicherheit (Cybersecurity) in der Europäischen Union verabschiedet. Im Fokus stehen "kritische Infrastrukturen", deren Störung oder Zerstörung durch gezielte Cyberangriffe mit Schadsoftware erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen hätten. Zu den kritischen Infrastrukturen zählen nicht nur Telekommunikation und Internet sondern auch Infrastrukturen in Energie- und Verkehrsnetzen. Falls Internet Service Provider Datenübertragungsdienste in kritischen Sektoren bereitstellen, gelten durchgängig besondere Sicherheitsregeln. Aus der Perspektive der europäischen Verkehrspolitik stellt sich die Frage, inwieweit zusätzliche sektorspezifische Regelungen im Verkehrssektor erforderlich sind, um die spezifischen Anforderungen an Datensicherheit und Netzsicherheit zu erfüllen.[ 5 ]

In jüngster Zeit hat sich im Verkehrssektor das Schlagwort "intelligente Verkehrssysteme" (IVS) innerhalb der EU herauskristallisiert: "Intelligente Verkehrssysteme (IVS) sind hochentwickelte Anwendungen, die – ohne Intelligenz an sich zu beinhalten – darauf abzielen, innovative Dienste im Bereich verschiedener Verkehrsträger und des Verkehrsmanagements anzubieten, und die verschiedenen Nutzer mit umfassenderen Informationen zu versorgen und sie in die Lage zu versetzen, die Verkehrsnetze auf sicherere, koordiniertere und "klügere" Weise zu nutzen."[ 6 ] Es ist zu erwarten, dass der zunehmende Einsatz von ICT die traditionelle physische Beförderung von Personen und Gütern revolutionieren wird. Die Potenziale einer Kombination von ICT mit Logistikkonzepten im Verkehrsbereich werden durchgängig sowohl im Bereich der Transportmärkte als auch der Verkehrsinfrastrukturen vielfältige Anwendungen finden, wobei sowohl intramodale als auch intermodale Koordinationspotenziale von Bedeutung sind. Beispiele für innovative ICT-basierte Anwendungsfelder im Personenverkehr sind Rufbus, Carsharing, App-basiertes Bestellen, Routenwahl und Bezahlen von Taxifahrten vermittelt über konkurrierende elektronische Plattformen. Zur Förderung der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Nahverkehrsanbietern werden inzwischen auch landesweite e-Ticket- Konzepte für Bus und Bahn entwickelt. Aber auch im Bereich vernetzten und autonomen Fahrens sind ICT-basierte Innovationen zu beobachten, die sowohl Fahrzeug-zu-Fahrzeug Kommunikation als auch Fahrzeug-Infrastruktur- und Infrastruktur-Infrastruktur-Kommunikation beinhalten.[ 7 ]

Der Charakter von ICT als "General Purpose"-Technologien

In jüngster Zeit wird innerhalb der EU vermehrt die Bedeutung von öffentlichen Investitionen im digitalen Binnenmarkt betont.[ 8 ] Dabei sollen einerseits das Wachstum ICT-basierter privater oder öffentlicher Dienstleistungen wie e-health, e-government, e-culture gefördert werden, andererseits verbleibende Investitionslücken beim Aufbau von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen durch Mittel des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds gefördert werden. Im Folgenden soll daher auf die Frage näher eingegangen werden, wie staatliche Subventionen im ICT-Kontext aus volkswirtschaftlicher Sicht zu beurteilen sind.

In der endogenen Wachstumstheorie wurde das Konzept einer General Purpose Technologie (GPT) entwickelt zur Charakterisierung von Technologien, die in allen Lebensbereichen einsetzbar sind, die entwicklungsfähig sind und die Innovationen in vielfältigen Anwendungsfeldern begünstigen. Da Innovationen einer GPT komplementäre Innovationen in den Anwendungsfeldern begünstigen, handelt es sich um vertikale Externalitäten zwischen einer GPT und jedem Anwendungsbereich. Aufgrund dieser innovativen Komplementarität zu vielfältigen Anwendungsfeldern ("innovational complementarities") wird für die GPT eine mögliche Rechtfertigung für staatliche Subventionen hergeleitet, da der Anbieter einer GPT die vertikalen Externalitäten nicht internalisieren kann.[ 9 ] Während Wasserkraft und Elektrizität klassische Formen von General Purpose Technolgien darstellen, wird inzwischen die Halbleitertechnologie ebenfalls als GPT angesehen (Bresnahan, Trajtenberg 1995).

Die wesentlichen Treiber der ICT-Innovationen basieren, aufbauend auf der Halbleitertechnologie, auf Fortschritten in der Mikroprozessortechnologie und einer damit einhergehenden rapiden Zunahme der Rechnergeschwindigkeit (Moore`s Law).[ 10 ] ICT entwickelten sich inzwischen allerdings in Richtung vernetzter Computer, die aufgrund der Konvergenz der verschiedenen Kommunikationsinfrastrukturen hin zu einem All-IP Internet nicht nur vielfältige Innovationspotenziale für Kommunikationsanwendungen (IP-TV, voice over IP, etc.) schaffen, sondern auch vielfältige standortabhängige, adaptive Echtzeitanwendungen ermöglichen. Beispiele hierfür sind echtzeitbasierte lokale Erzeugung, Speicherung und Konsum von Elektrizität (microgrids) sowie intelligente Verkehrssysteme (z. B. vernetztes/autonomes Fahren, vernetzter intermodaler Nahverkehr, intelligente Zugüberwachungssysteme).

Wesentliche Charakteristika für ICT Potentiale in Netzsektoren, insbesondere auch im Verkehr, sind die Nutzung von Echtzeit- Verkehrsdaten und die satellitengestütze Geopositionierung. Hierbei spielt das Internet der Dinge bzw. Maschine-zu-Maschine-Kommunikation eine wichtige Rolle, wobei die reale Welt der Fahrzeuge, Verkehrsleitsysteme und Verkehrsinfrastrukturen mittels Sensornetzen und breitbandigen Datenpaketübertragungsnetzen im All-IP Internet verknüpft werden. Sowohl die Satellitennavigationssysteme als auch die breitbandigen Kommunikationssysteme besitzen den Charakter einer General Purpose Technologie, da sie die Basis für eine Vielzahl von Anwendungen bilden, die in der App-Economy von Bedeutung sind. Vielfältige Anwendungspotenziale ergeben sich auf jeder Netzebene.

Finanzierung von ICT mittels auslastungsabhängiger Benutzungsentgelte

Ausgangspunkt ist die Frage nach den unternehmerischen Anreizen, Investitionen in GPT spontan bereitzustellen. Bereits in der sogenannten Grenzkosten-Kontroverse  um die öffentliche versus private Finanzierung von Infrastrukturen hat Hotelling die Einführung einer mautfreien Brückenbenutzung nur für den Fall gefordert, dass keine Stauexternalitäten bei der Inanspruchnahme vorliegen, und Coase verwies ausgehend von Grenzkosten auf die Rolle mehrteiliger Tarife zwecks Kostendeckung. In bahnbrechenden Arbeiten Anfang der 1960er Jahre hat Coase das Problem der physischen Externalitäten näher betrachtet und dabei institutionelle Lösungen zur Internalisierung von Externalitätskosten hergeleitet, die den Märkten eine zentrale Rolle zugestehen.[ 11 ]

Auch wenn Prosumer Aktivitäten etwa im Bereich des Carsharing eine zunehmende Bedeutung erlangen, werden auch in Zukunft die Knappheiten auf den Märkten für Verkehrsleistungen eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur wird durch Einsatz von ICT die Erhebung von nutzungsabhängigen Entgelten für Beförderungsleistungen vereinfacht. Auch die Implementierung von auslastungsabhängigen Benutzungsentgelten für Wegeinfrastrukturen wird durch ICT-basierte Erhebungstechniken stark vereinfacht. Sozial optimale Stautarife führen zu einer effizienteren Nutzung der Infrastruktur und reduzieren folglich den Ausbaubedarf. Sie führen aber auch zu Einnahmen, die für den Ausbau von Wegeinfrastrukturen genutzt werden können und reduzieren dadurch den Finanzierungsbedarf aus dem öffentlichen Finanzhaushalt.lin11

Aufgrund des einheitlichen standardisierten Internetprotokolls IP können unterschiedliche stationäre und mobile Breitbandtechnologien im zukünftigen All-IP Internet zur Datenpaketübertragung eingesetzt werden.[ 12 ] Auslastungsabhängige Benutzungsentgelte werden auch bei der Datenpaketübertragung im All-IP Internet unerlässlich. Die Priorisierung von Datenpaketen innerhalb unterschiedlicher Qualitätsklassen zur Bereitstellung von deterministischen oder stochastischen Qualitätsgarantien macht Zulassungskontrollen und damit einhergehende Preis- und Qualitätsdifferenzierungen für unterschiedliche Qualitätsklassen unerlässlich. Die dabei anfallenden Erträge können von den Betreibern der Breitbandnetze neben den fixen Anschlussgebühren ebenfalls für die Finanzierung eingesetzt werden.[ 13 ]

Können staatliche ICT-Investitionen volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein?

Es stellt sich die Frage, ob die Eigenschaft einer GPT bereits als per se Rechtfertigung für eine staatliche Subventionierung von ICT-Investitionen angesehen werden kann. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass es aus ordnungs- und wettbewerbsökonomischer Perspektive nicht ratsam erscheint, die Charakteristika einer GPT mit öffentlichem Subventionierungsbedarf gleichzusetzen. Vielmehr sollten sich die Wettbewerbspotenziale zwischen konkurrierenden Infrastrukturen entfalten können und die Marktpotenziale von Knappheitspreisen und auslastungsabhängigen Benutzungstarifen möglichst umfassend genutzt werden. Allerdings kann in denjenigen ICT-Bereichen, in denen der Markt keine kostendeckende Preise ermöglicht oder überhaupt keine Nutzungsrivalität vorliegt, eine Subventionierung aus dem öffentlichen Haushalt gerechtfertigt sein, damit die volkswirtschaftlichen Vorteile einer GPT ausgeschöpft werden können.

Als aktuelles Beispiel wird die EU-Finanzierung von Breitbandinfrastrukturen in dünnbesiedelten Gebieten oder die nationale Breitbandstrategie in Deutschland angeführt.[ 14 ] Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen der Pfadabhängigkeit heterogener Breitbandnetze, die alle ohne öffentliche Subventionen lebensfähig sind, und dem verbleibenden Subventionsproblem der "weißen Flecken", also derjenigen Gebiete, die ohne öffentlichen Subventionen keine Breitbandversorgung erhalten würden und folglich die darauf basierenden vielfältigen Echtzeit-Anwendungsdienste nicht in Anspruch nehmen könnten.

In intelligenten Verkehrssystemen (wie auch in anderen Anwendungsfeldern des Internets der Dinge) gewinnt neben der Echtzeitübertragung auch eine räumlich differenzierte Datenerhebung mit einer immer höheren Positionsgenauigkeit zunehmend an Bedeutung. Somit kommt den Satellitennavigationssystemen in ihrer Eigenschaft als GPT eine immer stärkere Bedeutung zu. Das Geopositionierungs-Overlay-System EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay Service[ a ]) ist im Kern ein Erweiterungssystem in Form eines satellitengestützten Differential GPS. Es sendet kostenlos Korrektursignale, die ohne zusätzliche Empfangsgeräte europaweit empfangen werden können. Dadurch wird die Positionsgenauigkeit des GPS bzw. Galileo Satellitensystems entscheidend verbessert. EGNOS kann in sämtlichen Bereichen, in denen präzise Geopositionierung besonders wichtig ist, wie Luftfahrt, autonomes/vernetztes Fahren, Zugverkehrskontrolle, Navigation in Smart Cities oder Landwirtschaft eingesetzt werden. Geopositionierungs-Systeme unterscheiden sich von denjenigen der Breitbandinfrastrukturen darin, dass keine Nutzungsrivalität beim Empfang der Positionsdaten entsteht. Aufgrund der perfekten Nichtrivalität im Konsum kann das Finanzierungsziel nicht über auslastungsabhängige Benutzungstarife erreicht werden. Eine staatliche Finanzierung erscheint hier daher naheliegend.


©KOF ETH Zürich, 21. Mär. 2017

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