Wenn der Chauffeur den Chef ans Messer liefert – mit seinem persönlichen Notizbuch . Wenn Vertriebs- oder Einkaufsmitarbeiter in einem firmeninternen Kartellrecht-Training „mit einer kurzen Frage“ zu Susanne Zühlke von Willkie Farr kommen, entpuppt sich das öfter kurze Zeit später als Riesenfall. Manchmal sind es auch Führungskräfte, die ziemlich durchsichtig mit vermeintlich hypothetischen Fragen kommen wie „Was wäre, wenn wir dies oder jenes, Preise oder andere interessante Fakten mit Kollegen in anderen Unternehmen ausgetauscht hätten?“ So, als wäre die Frage selbstverständlich rein fiktiv. Antwortet die Kartellrechtsanwältin, die in Frankfurt und Brüssel arbeitet, dann: „Das wäre nicht so gut,“ kommt dann gleich eine erste Rechtfertigung: „Aber das machen alle in unserer Firma
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Claudia Tödtmann considers the following as important: Allgemein, Andreas Mundt, Bundeskartellamt, Compliance-Schulungen, Ein Teller mit, Rache, Susanne Zühlke, Whistleblower, Willkie Farr
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Wenn der Chauffeur den Chef ans Messer liefert – mit seinem persönlichen Notizbuch
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Wenn Vertriebs- oder Einkaufsmitarbeiter in einem firmeninternen Kartellrecht-Training „mit einer kurzen Frage“ zu Susanne Zühlke von Willkie Farr kommen, entpuppt sich das öfter kurze Zeit später als Riesenfall. Manchmal sind es auch Führungskräfte, die ziemlich durchsichtig mit vermeintlich hypothetischen Fragen kommen wie „Was wäre, wenn wir dies oder jenes, Preise oder andere interessante Fakten mit Kollegen in anderen Unternehmen ausgetauscht hätten?“
So, als wäre die Frage selbstverständlich rein fiktiv. Antwortet die Kartellrechtsanwältin, die in Frankfurt und Brüssel arbeitet, dann: „Das wäre nicht so gut,“ kommt dann gleich eine erste Rechtfertigung: „Aber das machen alle in unserer Firma so.“ Oder: „Wir wären gar nicht mehr am Markt, wenn wir das nicht täten – genauso wie die anderen Konkurrenten“.
Compliance-Schulungen als Aha-Erlebnis
Ganz am Ende so einer harmlosen Was-wäre-wenn-Frage steht dann aber manchmal eine Milliarden-Buße der Kartellwächter aus Bonn oder Brüssel. Und zwar für alle die Unternehmen, deren Mitarbeiter sich an den verbotenen Absprachen beteiligt haben. Denn wie oft wird Mitarbeitern erst durch Trainings ihres Arbeitgebers bewusst, was sie da streng Verbotenes tun – und das oft schon seit Jahren, erzählt Zühlke.
Zwar wissen alle Manager heute, dass sie mit den Konkurrenten nicht über Preise reden dürfen. Theoretisch. Aber die jahrelangen Verbandstreffen, wo man sich über die Geschäftslage und Kapazitätsauslastung austauschte – dass diese Geschäftspraxis dann konkret gesetzwidrig sein soll? Das kommt ihnen dann doch nicht in den Sinn.
Oder die beiden Unternehmer, die beide nur begrenzte Kapazitäten hatten. Die zwei arbeiten – so weit so legal – an großen Projekten zusammen. Sie faxten sich jedoch im Vorhinein alle Angebotsentwürfe zu und stimmten sich ab, wer von ihnen den Auftrag annimmt. Dieser eine Fall ist verjährt, erzählt Zühlke, aber nach dem Muster dürften so manche anderen Hersteller auch heute noch arbeiten, mutmaßt sie.
Lügenmärchen sind ebenso strafbar
Wenn sich übrigens alle beteiligten Unternehmen gegenseitig Lügenmärchen auftischten ist den Kartellwächtern egal. Das schützt nicht vor Strafe, erzählt Zühlke.
Oft kann der Anwalts-Rat von Zühlke nur noch heißen: Schnell eine Selbstanzeige beim Bundeskartellamt machen, um – dank Kronzeugenregelung – wenigstens noch ohne hohe Geldbuße davon zu kommen. Vorbilder für erfolgreiche Kronzeugen gibt´s genug. Andreas Mundt vom Bundeskartellamt veröffentlicht sie ab und zu, doch leider nicht vollständig.
Ans Tageslicht kommen via Offenbarungen der Unternehmen etwa verbotene Kartellabsprachen über Preise, Gebiete und so weiter. Hinweise darauf bekommt das Bundeskartellamt auch von Whistleblowern via Homepage.
Whistleblower: Die mit dem Gewissen und enttäuschte Mitarbeiter
Jedoch: Die meisten dieser anonymen Infos seien dann am Ende doch Schall und Rauch, meint Zühlke. Da melden sich auch oft Unzufriedene, Gekränkte oder Mitarbeiter, die etwas Rechtmäßiges missverstehen.
Und wer verbirgt sich hinter ernst zu nehmenden Anzeigen? Das können Führungskräfte oder andere Angestellte sein, die plötzlich verstehen, dass ihr Handeln nicht in Ordnung war. Das seien zudem Mitarbeiter, die sauer sind, dass ihre Karriere ins Stocken geraten ist und die auf einem Abstellgleis gelandet sind, sagt sie. Oder diejenigen mit ethischen Motiven.
Der Aha-Moment kann nach der Compliance-Schulung eintreten oder spätestens wenn die Compliance-Erklärung unterschrieben werden muss: Dass man alle Gesetze einhält und andernfalls ganz persönlich nicht nur die Kündigung sondern obendrein Schadenersatz leisten muss. „Das sind dann meistens Manager, keine untergeordneten Mitarbeiter“, erzählt Zühlke.
Das Bauchgefühl bei Gentleman Agreements
Hellhörig wird sie immer dann, wenn ihr jemand von Gentleman Agreements erzählt. Dann schrillen alle Alarmglocken. Und meistens haben die Betroffenen auch selbst so ein Bauchgefühl, dass sie tatsächlich etwas Unerlaubtes tun. „Andernfalls könnten sie ihre Absprachen ja auch schriftlich machen“, so Zühlke. Und genau das tun sie ja vorsichtshalber nicht, ganz bewusst.
Wie heikel dagegen Angestellte sind, die akribisch mitschreiben, musste ein Geschäftsmann in Brasilien lernen. Um ihm, dem Chef, wegen Geldwäsche auf die Spur zu kommen, nahmen die Behörden seinen Chauffeur in die Mangel. Kaum, dass sie den verhörten, zückte der Fahrer sein persönliches Notizbuch und übergab es den Verfolgern, um ja schnell aus der Nummer heraus zu kommen. Was ihm auch gelang: Hatte er doch sämtliche Fahrten mit seinem Chef über Jahre penibel aufgelistet und es war gut nachvollziehbar, mit wem der Geschäftsmann und wann gesprochen haben müsste.
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