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„Hol mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier!“

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Photo: Gustavo Benitez from Wikimedia Commons (CC 0) Mittlerweile ist es 21 Jahre her, dass Altkanzler Gerhard Schröder beim Signieren von Wahlplakaten seiner trockenen Kehle Ausdruck verschaffte. Am Wahlsonntag sah man den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz nach Verkündigung der Wahlergebnisse einen kräftigen Schluck Bier aus dem Plastikbecher (sic!) nehmen, bevor er in der „Berliner Runde“ den Wahlsieg zelebrierte. Obwohl insbesondere unter Spitzenpolitikern das Credo der Selbstoptimierung und der Enthaltsamkeit stetig an Popularität gewonnen hat, ist der Genuss von alkoholischen Getränken integraler Teil der sozialen und politischen Kultur geblieben. Wenn es nach der Weltgesundheitsorganisation WHO geht, könnte das jedoch bald Geschichte sein: In einer neuen Strategie hat sie dem

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Photo: Gustavo Benitez from Wikimedia Commons (CC 0)

Mittlerweile ist es 21 Jahre her, dass Altkanzler Gerhard Schröder beim Signieren von Wahlplakaten seiner trockenen Kehle Ausdruck verschaffte. Am Wahlsonntag sah man den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz nach Verkündigung der Wahlergebnisse einen kräftigen Schluck Bier aus dem Plastikbecher (sic!) nehmen, bevor er in der „Berliner Runde“ den Wahlsieg zelebrierte. Obwohl insbesondere unter Spitzenpolitikern das Credo der Selbstoptimierung und der Enthaltsamkeit stetig an Popularität gewonnen hat, ist der Genuss von alkoholischen Getränken integraler Teil der sozialen und politischen Kultur geblieben.

Wenn es nach der Weltgesundheitsorganisation WHO geht, könnte das jedoch bald Geschichte sein: In einer neuen Strategie hat sie dem Alkoholgenuss den erbitterten Kampf angesagt. Mit einem kleinteiligen Plan und viel Mikromanagement versucht sie, den globalen pro-Kopf Konsum bis 2030 um 20 Prozent zu verringern. In einem vorläufigen Entwurf findet sich gar der Vorschlag, Frauen im „gebärfähigen Alter“ vollständig vom Trinken abzuhalten. Frauen als puritanische Gebärmaschinen? Willkommen im Mittelalter.

Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, muss die WHO zum Generalschlag ausholen. Es ist keineswegs im Fokus des globalen Plans, Menschen mit Alkoholproblemen die Hilfe anzubieten, die sie zur Bewältigung ihrer Suchtkrankheit benötigen. Vielmehr möchten man den mündigen und verantwortungsbewusst konsumierenden Bürger zur Askese erziehen. Mit paternalistischen Methoden wie Werbe-, Ausschank- oder Verkaufsverboten für Unternehmen soll formal die Konsumautonomie des Individuums gewahrt, und gleichzeitig der pro-Kopf Konsum an Alkohol verringert werden. Aus ökonomischer Sicht in das nichts anderes als in der Konsumfunktion des Bürgers herumzupfuschen. Ausgehend von den rationalen Kalkulationen der Politik schreibt man dem nur begrenzt zu rationalem Denken fähigen Individuum durch verschiedene Signale vor, welche Handlungsoption in das (politisch!) gewünschte Gleichgewicht führe. Ein Recht auf Unvernunft oder gar selbständiger Risikoabschätzung wird dem Individuum nicht eingeräumt. Anstatt die Vielfalt der Lebensentwürfe in einer freien Marktwirtschaft zu zelebrieren, die auch das ein oder andere Feierabend- und Kanzlerbier umfassen, propagiert die WHO ein asketisches Gesundheitsideal.

Zudem argumentieren Befürworter paternalistischer Regulierungen, dass begrenzt rationale Individuen gar nicht erst zu autonomen Handlungsentscheidungen fähig seien. Eine staatliche Anreizkorrektur sei deshalb nötig, um den Agenten eine vollständige Kosten-Nutzen-Analyse zu ermöglichen. Das zugrundeliegende Kriterium einer autonomen Handlungsentscheidung ist jedoch weder an moralische Parameter noch an epistemische Vorrausetzungen geknüpft. Vielmehr setzt eine informierte und autonome Handlungsentscheidung die individuelle Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen Ziele und Motive voraus. Dazu sind aber auch begrenzt rational denkende Individuen fähig, wie Prof. Schnellenbach in einem Gutachten für Prometheus erörtert hat.

Die empirischen Erkenntnisse aus den Drogenprohibitionen der letzten hundert Jahre legen nahe, dass Verkaufs- und Ausschankverbote nur von mäßigem Erfolg gekrönt sind. Gut gemeinte härtere Regulierungen finden nämlich unerwartete Unterstützung bei illegalen Händlern. Akteure auf dem Schwarzmarkt haben ein wirtschaftliches Interesse an höheren Preisen für legalen Alkohol und an der Durchsetzung von Alkoholverboten und -beschränkungen, weil dadurch die Gewinnspannen im illegalen Handel mit Alkohol steigen.

Die Evidenz von höheren Steuern auf Alkohol zeigt zudem, dass diese eher verantwortungsbewusste Konsumenten vom Konsum abhalten. Diese betrachten Alkohol nämlich nicht als integralen Bestandteil ihres Lebens, weshalb eine Steuererhöhung zu einem stärkeren Rückgang ihrer Nachfrage führen wird. Bürger mit schädlichem Alkoholkonsum und Suchtneigungen werden sich hingegen nicht durch höhere Preise abschrecken lassen. Eine Steuererhöhung bewirkt, dass diese Konsumentengruppe bei anderen Ausgaben spart, und das überschüssige Geld aufwendet, um Alkohol zu höheren Preisen zu kaufen.

Die Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum sind weltweit ein großes Problem. Wenige Therapieplätze und das soziale Stigma von Suchterkrankten einer Volksdroge tragen dazu bei, dass Betroffene häufig nicht die nötige medizinische Hilfe erhalten, die sie brauchen. Es gäbe viele gute Ansatzpunkte, um Menschen mit problematischem Konsumverhalten zu unterstützen. Der hart arbeitenden Bevölkerung ihr Feierabendbier zu verteuern, verbessert jedoch kaum die Situation von Suchterkrankten. Wenn der Staat mittels paternalistischer Regulierungen permanent verantwortungsbewusste Konsumenten gängelt, streikt irgendwann nicht nur Gerhard Schröder.

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