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Kein Gläschen in Ehren

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Photo: Loco Steve from Flickr (CC BY-SA 2.0) Von Justus Enninga und Alexander Albrecht. Der neuste “Aktionsplan zur Stärkung der Umsetzung der Globalen Strategie zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums” der WHO bietet Anlass zu Besorgnis. Das Ziel, schädlichen Alkoholkonsum zu reduzieren, ist verdienstvoll. Doch die vorgeschlagenen Mittel sind kaum geeignet, diesem Ziel näherzukommen. In einigen Fällen bewirkt der Aktionsplan sogar das Gegenteil, indem er mehr Aufwand betreibt, den verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol zu sanktionieren als den Opfern von Alkoholmissbrauch zu helfen. Der Aktionsplan trifft fünf gravierende Fehlannahmen: Jede Form des Alkoholkonsums ist schädlich Höhere Preise reduzieren den schädlichen Konsum Strenge Regulierung hilft bei der Bekämpfung des

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Photo: Loco Steve from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Justus Enninga und Alexander Albrecht.

Der neuste “Aktionsplan zur Stärkung der Umsetzung der Globalen Strategie zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums” der WHO bietet Anlass zu Besorgnis.

Das Ziel, schädlichen Alkoholkonsum zu reduzieren, ist verdienstvoll. Doch die vorgeschlagenen Mittel sind kaum geeignet, diesem Ziel näherzukommen. In einigen Fällen bewirkt der Aktionsplan sogar das Gegenteil, indem er mehr Aufwand betreibt, den verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol zu sanktionieren als den Opfern von Alkoholmissbrauch zu helfen. Der Aktionsplan trifft fünf gravierende Fehlannahmen:

  • Jede Form des Alkoholkonsums ist schädlich
  • Höhere Preise reduzieren den schädlichen Konsum
  • Strenge Regulierung hilft bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes
  • Private Interessengruppen kümmern sich nicht um die öffentliche Gesundheit
  • Ein Werbeverbot reduziert den schädlichen Konsum

Im Folgenden werden die einzelnen Irrtümer im Detail aufgedeckt.

Irrtum Nr. 1: Jede Form des Alkoholkonsums ist schädlich

Ziel der WHO ist es, “einen Aktionsplan zur Stärkung der Umsetzung der Globalen Strategie zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums” zu entwickeln. Was zunächst als ein vernünftiger Versuch erscheint, Alkoholmissbrauch weltweit zu bekämpfen, geht jedoch einher mit einem Angriff auf die Souveränität der Konsumenten. Denn anstatt sich um Schadensprävention zu bemühen und sich um diejenigen zu kümmern, die unter den schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen eines schädlichen Alkoholkonsums leiden, verurteilt das Arbeitspapier stattdessen de facto jede Form des Alkoholkonsums.

Dies wird deutlich, wenn im Arbeitspapier mehrfach auf den Pro-Kopf-Konsum von Alkohol als Maß für Alkoholmissbrauch verwiesen wird. Es gibt jedoch keine empirischen Hinweise, dass ein Zusammenhang zwischen der Verringerung des Pro-Kopf-Alkoholkonsums und der Verringerung des schädlichen Konsums besteht. (Duffy und Snowdon, 2014). Daher scheinen die Verfasser des Aktionsplans eher ein Problem mit Alkoholkonsum an sich zu haben: “Die gesammelten Beweise deuten darauf hin, dass Alkoholkonsum [sic!] mit inhärenten Gesundheitsrisiken verbunden ist, obwohl diese Risiken in ihrem Ausmaß und ihren gesundheitlichen Folgen unter den Konsumenten erheblich variieren” (WHO, 2020, S. 4). Im gesamten Dokument wird dann auch nicht erwähnt, dass der Konsum geringer Mengen alkoholischer Getränke sogar gesundheitliche Vorteile haben kann (French und Zavala, 2007).

Indem die WHO den Schwerpunkt auf die Prävention jeder Form des Alkoholgenusses anstatt auf schädlichen Alkoholkonsum legt, wird die Mehrheit der verantwortlichen Konsumenten für den Alkoholmissbrauch einer kleinen Minderheit in Mithaftung genommen.

Irrtum Nr. 2: Höhere Preise reduzieren den schädlichen Konsum

Es ist ein Irrtum der WHO zu glauben, dass Alkohol weniger schädliche Auswirkungen habe, wenn “die Preise für Alkohol durch Verbrauchssteuern und andere Preispolitiken angehoben werden“ (WHO, 2020, S.11).

Aus ökonomischer Perspektive betrachtet bestraft ein solcher Ansatz den verantwortungsbewussten Konsumenten, anstatt den Betroffenen zu helfen. Die ökonomische Elastizitätstheorie zeigt, wie stark die Nachfrage nach einem Gut sinkt, wenn die Preise z.B. durch Verbrauchssteuern erhöht werden. Da die Konsumenten von Alkohol eine heterogene Gruppe sind, werden sie von Steuererhöhungen unterschiedlich betroffen.

Der verantwortungsbewusste Konsument betrachtet Alkohol nicht als integralen Bestandteil seines täglichen Lebens, weshalb seine Nachfrage relativ elastisch ist: Höhere Preise werden deshalb zu einem relativ starken Rückgang des verantwortungsvollen Alkoholkonsums führen. Bürger mit schädlichem Alkoholkonsum und Suchtneigungen werden sich hingegen nicht durch höhere Preise abschrecken lassen. Ihre Nachfrage ist relativ unelastisch. Vielmehr wird eine Alkoholsteuer dazu führen, dass sie bei anderen Ausgaben sparen und das überschüssige Geld aufwenden, um Alkohol zu höheren Preisen zu kaufen.

Irrtum Nr. 3: Strenge Regulierung hilft bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes

Die Annahme, dass eine stärkere Regulierung eine Eindämmung des Schwarzmarkts zur Folge haben wird, muss ebenfalls kritisch hinterfragt werden (Yandle, 1983). Von der Prohibition der 1920er Jahre über den aktuellen War on Drugs bis hin zur heutigen Diskussion über schädlichen Alkoholkonsum sind Regulatoren wie die Autoren des WHO-Aktionsplans davon überzeugt, dass eine höhere regulatorische Belastung den vom schädlichen Konsum bestimmter Substanzen betroffenen Bürgern einen Weg aus der Sucht weisen kann (Simmons, Yong, Thomas, 2011). Diese gut gemeinten härteren Regulierungen finden jedoch unerwartete Unterstützung bei illegalen Händlern. Akteure auf dem Schwarzmarkt haben nämlich ein wirtschaftliches Interesse an höheren Preisen für legalen Alkohol und an der Durchsetzung von Alkoholverboten und -beschränkungen, weil dadurch die Gewinnspannen im illegalen Handel mit Alkohol steigen (Thornton, 1991).

Während sich sowohl die Regulatoren als auch die Händler auf dem Schwarzmarkt über härtere Regulierungen freuen können, werden die Konsumenten schlechter gestellt. Um zu vermeiden, dass man den Interessen des illegalen Marktes Vorschub leistet, sollten Regulatoren der Versuchung widerstehen, die Preise künstlich zu erhöhen sowie auf härtere Einschränkungen für Alkohol zu drängen. Stattdessen sollten sie sich auf Ansätze konzentrieren, die den Geschädigten tatsächlich helfen.

Irrtum Nr. 4: Private Interessengruppen kümmern sich nicht um die öffentliche Gesundheit

Die WHO stellt die Alkoholindustrie als Unternehmer dar, deren Interessen diametral zu denen der öffentlichen Interessen verlaufen: “Es bedarf einer starken internationalen Führung, um der Einmischung kommerzieller Interessen in die Entwicklung und Umsetzung der Alkoholpolitik entgegenzuwirken, um der öffentlichen Gesundheitsagenda für Alkohol angesichts einer starken globalen Industrie und kommerzieller Interessen Vorrang zu geben.” (WHO 2020, S. 4). Die WHO fordert hiermit einen strikten staatlichen “Command-and-Control”-Regulierungsansatz, um öffentlichen Gütern wie Gesundheit gegen private Interessen zu verteidigen.

Diese Darstellung ignoriert jedoch die letzten 30 Jahre empirischer Forschung im Bereich der Regulierung, die zeigt, wie Kooperation zwischen Regulatoren und Regulierten zu fruchtbaren Ergebnissen führen kann. Wie zum Beispiel Cogliese und Lazar (2003) zeigen, kann ein managementbasierter, kooperativer Regulierungsansatz funktionieren, wenn es eine ausreichende Überschneidung zwischen den Interessen des Unternehmens und dem sozialen Nettonutzen gibt. Dies sorgt für weniger Kosten, höhere Compliance und höhere Flexibilität für die Firmen und führt somit zu besseren regulatorischen Ergebnissen.

Da auch der Alkoholindustrie ihr öffentliches Image wichtig ist, hat diese auch einen Anreiz, eine regulatorische Lösung zu erarbeiten, die denjenigen hilft, die unter ungesundem Alkoholkonsum leiden. Aufgrund ihres unternehmerischen Interesses werden sie hierzu die für sie am wenigsten belastenden Maßnahmen ergreifen. Der Staat würde innerhalb dieses Prozesses lediglich als Schiedsrichter fungieren, der die Einhaltung der selbstgegebenen Spielregeln überwacht. Es ist keineswegs der Fall, dass nur der Staat öffentliche Interesse berücksichtigen und schützen kann. Gerade das Zusammenspiel aus Zivilgesellschaft, Medienöffentlichkeit und Unternehmen hat sich hier als langfristig robust erwiesen.

Irrtum Nr. 5: Ein Werbeverbot reduziert den schädlichen Konsum

Das Recht, für sein Produkt zu werben, ist ein Grundrecht der Unternehmensfreiheit. Ein komplettes Verbot von Werbung und Marketing, wie es das Arbeitspapier der WHO vorschlägt, ist daher eine gravierende Einschränkung dieses Rechts und muss hinreichend empirisch und moralisch begründet werden. Während es gemischte empirische Belege für die Hypothese gibt, dass Werbung für alkoholische Getränke Nicht-Konsumenten dazu motiviert, mit dem Konsum anzufangen, gibt es keine Belege dafür, dass Werbung für alkoholische Getränke die Menge des Konsums erhöht (Smith und Foxcroft, 2009; Nelson 2010). Es gibt keine ausreichenden Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen schädlichem Alkoholkonsum und Werbung für Alkohol. Anstatt also einer ganzen Branche ihr Recht auf kommerzielle Freiheit zu nehmen, ist ein Fokus auf Aufklärung und Prävention von schädlichem Alkoholkonsum das am wenigsten belastende rechtliche Instrument, das stattdessen gewählt werden sollte.

Das jüngste Arbeitspapier der WHO über den schädlichen Gebrauch von Alkohol weist schwerwiegende Mängel in Methodik, Logik und Argumentation auf. Es bleibt daher zu hoffen, dass der nächste Entwurf des Arbeitspapiers nach Lösungen sucht, um schädlichem Alkoholkonsum vorzubeugen und den Opfern von Alkoholsucht bestmöglich zu helfen, anstatt verantwortungsvolle Konsumenten zu bevormunden.

Literatur:

Coglianese, C. and Lazar, D. (2003) Management-Based Regulation: Prescribing Private Management to achieve Public Solution. Law and Society Review 37(4): 691-730.
Duffy, J. and Snowdon, C. (2014): Punishing the Majority: The flawed theory behind alcohol control policies. Current Controversies No. 49 London: Institute of Economic Affairs.
French, T. and Zavala, S. K. (2007): The Health Benefits of Moderate Drinking Revisited: Alcohol Use and Self-Reported Health Status. American Journal of Health Promotion 21(6): 484-491.
Nelson, J. (2010): Alcohol advertising bans, consumption and control policies in seventeen OECD countries, 1975–2000. Applied Economics 42(7): 870–926.
Simmons, R.; Yonk, R.; Thomas, D. (2011): Bootleggers, Baptists, and Political Entrepreneurs – Key Players in the Rational Game and Morality of Regulatory Politics. The Independent Review 15(3): 367-381.
Smith, L. and Foxcroft, D. (2009): The effect of alcohol advertising, marketing and portrayal on drinking behavior in young people: Systematic review of prospective cohort studies. BMC Public Health 9(1): 51
Thornton, M. (1991): Alcohol Prohibition Was a Failure. Cato Policy Analysis 157.
World Health Organisation (2020) Working document for development of an action plan to strengthen implementation of the Global Strategy to Reduce the Harmful Use of Alcohol. 14 November.
Yandle, B. (1983): Bootleggers and Baptists: the education of a regulatory economist”. Regulation 7 (3): 12-16

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