Photo: Lupus in Saxonia from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0) Kevin Kühnert wird derzeit hart angegangen. Auch aus seiner eigenen Partei. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat seine Sozialismus-Thesen zurückgewiesen. „Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben“, sagte Nahles. Doch wer ist hier näher an den Grundsätzen der SPD – Kühnert oder Nahles? Gefühlsmäßig würde man eher zu Nahles neigen, doch ein Blick ins Programm der SPD lässt da Zweifel aufkommen. Im bis heute gültigen Grundsatzprogramm der SPD aus dem Jahr 2007, dessen Hauptautoren die heutige Parteivorsitzende Andrea Nahles und der heutige Arbeitsminister Hubertus Heil waren, heißt es: „Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und
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Kevin Kühnert wird derzeit hart angegangen. Auch aus seiner eigenen Partei. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat seine Sozialismus-Thesen zurückgewiesen. „Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben“, sagte Nahles. Doch wer ist hier näher an den Grundsätzen der SPD – Kühnert oder Nahles? Gefühlsmäßig würde man eher zu Nahles neigen, doch ein Blick ins Programm der SPD lässt da Zweifel aufkommen.
Im bis heute gültigen Grundsatzprogramm der SPD aus dem Jahr 2007, dessen Hauptautoren die heutige Parteivorsitzende Andrea Nahles und der heutige Arbeitsminister Hubertus Heil waren, heißt es: „Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte verwirklicht sind … . Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt, sondern die Orientierung der Sozialdemokratie an Grundwerten eindrucksvoll bestätigt. Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.“
An „deren Verwirklichung als eine dauernde Aufgabe“ scheint sich Kühnert eher zu halten als seine Parteivorsitzende. Seine Forderung nach Enteignung und Vergesellschaftung von Vermögen passt in das Grundsatzprogramm der SPD. Denn der Sozialismus setzt darauf, Privatunternehmen und Privateigentum an Produktionsmitteln abzuschaffen und über ein Planwirtschaftssystem die Planung der Wirtschaft einer staatlichen Behörde zu überlassen. Wenn Bürger nur noch ihre eigene Wohnung besitzen dürfen und BMW vergesellschaftet werden soll, dann ist es das, was die SPD in ihrem Grundsatzprogramm eigentlich anstrebt. Vielleicht ist das nicht allen Mitgliedern der Sozialdemokratie bekannt, da hat ihnen Kevin Kühnert etwas voraus. Und dennoch liegt er falsch: nicht im Blick auf die Grundsätze seiner Partei, sondern im Blick auf die Funktionsweise unserer Welt.
Es fängt schon mit der Begrifflichkeit an: „demokratischer Sozialismus“. Guido Westerwelle hat einmal über den demokratischen Sozialismus gesagt, dass dieser so eine Art vegetarischer Schlachthof sei. Oder etwas prosaischer: Sozialismus und Demokratie schließen sich aller Evidenz nach aus. Zwar könnte man die Enteignung von Privatvermögen per Mehrheit beschließen. Man könnte auch theoretisch über eine Planwirtschaft demokratisch entscheiden: wie viele Autos, wie viele Wohnungen oder wie viele Brote sollen pro Tag, Monat oder Jahr geplant und produziert werden? Doch ein historisches Beispiel oder eines aus der Gegenwart, bei dem dies jemals nur einigermaßen funktioniert hätte, gibt es nicht. Aus gutem Grund kennt unser demokratischer Rechtsstaat auch Grenzen des Mehrheitsprinzips. Die Mehrheit darf demnach nicht alles. Das Individuum hat unveräußerliche Rechte. Denn ohne diese unveräußerlichen Grundrechte hätten es die Kevins dieser Welt viel leichter, ihre sozialistischen Utopien zu verwirklichen. Freiheitliche Demokratie funktioniert nur mit klaren Eigentumsrechten.
Man kann sich und vor allem andere nicht oft genug daran erinnern, dass der Sozialismus in allen Facetten gescheitert ist. Das liegt unter anderem daran, dass der Sozialismus planen will, was nicht planbar ist. Die Komplexität des Wirtschaftens kann nicht zentral gelenkt werden. Keiner hat das umfassende Wissen, wie viele Produkte und Dienstleistungen, wann und wo und zu welchem Preis zur Verfügung gestellt werden müssen. Dieses fehlende Wissen kompensieren der sozialistische Staat und seine Regierung durch immer stärkere Eingriffe in individuelle Lebensentscheidungen. Am fehlenden Preissignal sind freilich noch alle Formen des Sozialismus gescheitert.
Auch in einer auf Privateigentum basierenden Marktwirtschaft hat niemand dieses umfassende Wissen. Doch es gibt hier nicht den allumfassenden Plan, sondern ein System des Versuchs und Irrtums. Scheitern Marktteilnehmer mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung an der mangelnden Nachfrage der Konsumenten, dann scheiden sie aus dem Markt aus. Aus diesem Versagen lernen andere und passen ihre Produkte, Preise oder Strategie an. Die Anpassung an die Wünsche der Konsumenten führt zur Anpassung im Kleinen und verhindert die Fehlschläge planwirtschaftlicher Experimente im Großen.
In dieser Woche feierte der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek seinen 120. Geburtstag. Sein wohl einflussreichstes Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ veröffentlichte er 1944 kurz vor dem Zerfall des Dritten Reiches. Darin warnte er davor, dass sich der Sozialismus zumindest langfristig nie nur auf die zentrale Lenkung der Wirtschaft beschränke. Wirtschaftliche Fragen lassen sich von persönlichen Fragen nicht trennen: Wie und wo wir wohnen. Was wir essen, wie wir leben, sind immer sowohl persönliche als auch ökonomische Fragen, die mit Knappheiten und begrenzten Ressourcen zu tun haben. Früher oder später verspürt der Sozialismus das Bedürfnis oder die Notwendigkeit, da auch einzugreifen. Darum kann Hayek auch lapidar schreiben: „Das Kommando über die Güterproduktion ist das Kommando über das menschliche Leben schlechthin.“ Das, lieber Kevin Kühnert, wollen wir doch alle nicht, oder?