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Ciao, Italia!

Summary:
Lange Zeit wurde die Mär verbreitet, die Zukunft des Euro würde von Griechenland abhängen. Das war 2010 beim ersten Bail-Out so und dann auch in den Folgejahren. Scheitert der Euro in Griechenland, dann scheitert Europa, so das Credo. Heute ist klar, Griechenland ist ein Failed State, der durchgefüttert wird, aber bei dem allen Beteiligten klar ist, dass er dauerhaft am Tropf hängt, so lange er im Euro verbleibt. Seit dem Rettungsversuch Griechenlands hat sich die Krise jedoch wie ein Virus in das Zentrum Europas verbreitet. Die Mitte des Orkans ist inzwischen Italien. Italien steckt nicht erst seit dem gescheiterten Referendum vom vergangenen Sonntag in einer fundamentalen Strukturkrise. Doch das Scheitern Renzis bringt die Strukturprobleme deutlich ans Tageslicht. Seit der Euro-Einführung 1999 hat sich die Staatsverschuldung Italiens um rund 1.000 Milliarden Euro erhöht. Nur in den Zwischenkriegsjahren war die relative Verschuldung zur Wirtschaftsleistung höher. Heute beträgt sie fast 135 Prozent. Die steigende staatliche Verschuldung geht einher mit einem Verlust von Wirtschaftskraft im Norden wie im Süden des Landes. Bis zur Einführung des Euros entwickelten sich der Norden und der Süden – natürlich von unterschiedlichen Ausgangsniveaus – im Gleichklang.

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Ciao, Italia!

Lange Zeit wurde die Mär verbreitet, die Zukunft des Euro würde von Griechenland abhängen. Das war 2010 beim ersten Bail-Out so und dann auch in den Folgejahren. Scheitert der Euro in Griechenland, dann scheitert Europa, so das Credo. Heute ist klar, Griechenland ist ein Failed State, der durchgefüttert wird, aber bei dem allen Beteiligten klar ist, dass er dauerhaft am Tropf hängt, so lange er im Euro verbleibt. Seit dem Rettungsversuch Griechenlands hat sich die Krise jedoch wie ein Virus in das Zentrum Europas verbreitet. Die Mitte des Orkans ist inzwischen Italien. Italien steckt nicht erst seit dem gescheiterten Referendum vom vergangenen Sonntag in einer fundamentalen Strukturkrise. Doch das Scheitern Renzis bringt die Strukturprobleme deutlich ans Tageslicht.

Seit der Euro-Einführung 1999 hat sich die Staatsverschuldung Italiens um rund 1.000 Milliarden Euro erhöht. Nur in den Zwischenkriegsjahren war die relative Verschuldung zur Wirtschaftsleistung höher. Heute beträgt sie fast 135 Prozent. Die steigende staatliche Verschuldung geht einher mit einem Verlust von Wirtschaftskraft im Norden wie im Süden des Landes. Bis zur Einführung des Euros entwickelten sich der Norden und der Süden – natürlich von unterschiedlichen Ausgangsniveaus – im Gleichklang. Während der Norden seitdem seine Wirtschaftskraft zwar nicht steigern, aber zumindest halten konnte, verlor der Süden massiv an Wirtschaftskraft: im Vergleich zu 2001 sind es 11,2 Prozent.  Das lässt sich auch an einigen wichtigen Wirtschaftszweigen ablesen. Das produzierende Gewerbe ging gegenüber dem Hoch im Dezember 2006 um 27,8 Prozent zurück und verharrt seit über 3 Jahren auf diesem niedrigen Niveau. Die Automobilindustrie, eine der wichtigen Schlüsselindustrien Italiens, folgt einem stetigen Niedergang und produziert heute so viele Autos wie 1960. Im Vergleich zu den Hochzeiten Anfang der 1990er Jahre hat sie über 66 Prozent der Produktion eingebüßt. Auch andere Branchen wie die Stahlindustrie produzieren auf dem Mengenniveau der 1970er Jahre.

All das bleibt nicht ohne Folgen. Das Bankensystem ist durch die strukturelle Wachstumsschwäche überschuldet. Rund ein Drittel der faulen Kredite europäischer Banken sind in den Büchern der italienischen Institute. Insgesamt sind dies inzwischen über 360 Milliarden Euro, rund 200 Milliarden davon sind länger als 90 Tage im Zahlungsverzug. Über 22 Prozent aller Kredite in Italien sind damit im Feuer. Daher geht es in Italien nicht nur um die Existenz der Skandalbank, der Banca Monte dei Paschi die Siena, sondern um eine lang aufgestaute Strukturkrise des gesamten Bankensektors.

Die offizielle Arbeitslosigkeit verharrt auf fast 12 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 36 Prozent. Die tatsächlichen Zahlen liegen wahrscheinlich erheblich höher. Die Folge ist, dass die jungen Menschen das Land verlassen. Ausdruck des wirtschaftlichen Niedergangs ist der negative Target2-Saldo gegenüber anderen Ländern der Eurozone. Mit 358 Milliarden Euro ist die italienischen Notenbank in der Kreide. Wahrscheinlich ist nicht nur der wirtschaftliche Niedergang der italienischen Wirtschaft insbesondere im Export dafür verantwortlich, sondern auch eine steigende Kapitalflucht aus dem Land. Ein Indiz dafür ist der stetig ansteigende Banknotenumlauf. Seit der Einführung der Euro-Banknote 2002 ist dieser von rund 50 Milliarden Euro auf jetzt 177 Milliarden Euro gestiegen.

Umgekehrt sind die Target2-Salden auf Seiten der Deutschen Bundesbank mit 754 Milliarden Euro auf einem Allzeithoch. Auch dies drückt die Grundproblematik des Euros aus. Die Ökonomien im Euro-Club entwickeln sich immer weiter auseinander. Während Deutschland seine Industrieproduktion zum Vorkrisenjahr längst wieder erreicht hat, liegt Italien immer noch 20 Prozent darunter.

Italien wird immer mehr zum neuen Griechenland für die Euro-Zone. Derzeit rettet alleine der EZB-Präsident Mario Draghi sein Heimatland. Die Verlängerung seines Schuldenaufkaufprogrammes um weitere 540 Milliarden Euro auf dann 2.280 Milliarden Euro sichert für eine gewisse Zeit noch das niedrige Zinsniveau in Italien. Würde dies nicht geschehen, wäre Italien sofort zahlungsunfähig. Mitte der 1990er Jahre musste der italienische Staat bei 1.000 Milliarden Staatsverschuldung noch 14 Prozent Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen bezahlen, heute sind es bei 2.200 Milliarden Euro nur noch 2 Prozent.

Wahrscheinlich muss Italien den Euro aufgeben, um ihn und sich zu retten. Das wird ein äußerst schmerzhafter Prozess. Aber der Euroraum ist zu inhomogen, um dauerhaft diese divergierenden Spannungskräfte auszuhalten. Daher ist es zwingend notwendig, dass die Eurostaaten sich endlich über eine geordnetes Ausstiegsverfahren aus dem Euro verständigen. Die Zeit dafür ist knapp. Die Eurogruppe hat viele Jahre vergeudet, um etwas künstlich zusammenzuhalten, was nicht zusammenpasst. Ein weiter so darf es nicht geben.

Frank Schäffler
1997 bis 2010 selbstständiger Berater für die Marschollek, Lautenschläger und Partner AG (MLP), Wiesloch Seit 1987 engagiert in der Lokal- und Landespolitik in Nordrhein-Westfalen als Mitglied der FDP 2005 – 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages Schäffler ist sehr verbunden mit dem freiheitlichen Denken in der Schweiz und ist daher in economicblogs.ch

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