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Der Chinaschock: Was macht Deutschland anders?

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Der Eintritt Chinas in die WTO im Jahr 2001 scheint einen stark negativen Einfluss auf die Arbeitsmarktsituation von wenig qualifizierten Arbeitern in den USA gehabt zu haben. Für Deutschland trifft dies nicht zu. Das Land hatte sich bereits vor dem Aufstieg Chinas an Billigkonkurrenz, vor allem aus Osteuropa, angepasst und die chinesische Nachfrage nach deutschen Produkten ist seit langem hoch. In einer weit beachteten Arbeit zeigen die Ökonomen David Autor, MIT, David Dorn, Universität Zürich und Gordon Hanson, Universität California San Diego, dass der Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 einen profund negativen Einfluss auf Arbeitsplätze und Löhne von wenig qualifizierten Arbeitern in den USA hatte.[ 1 ] Arbeitskräfte, die ihren Job wegen der

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Der Eintritt Chinas in die WTO im Jahr 2001 scheint einen stark negativen Einfluss auf die Arbeitsmarktsituation von wenig qualifizierten Arbeitern in den USA gehabt zu haben. Für Deutschland trifft dies nicht zu. Das Land hatte sich bereits vor dem Aufstieg Chinas an Billigkonkurrenz, vor allem aus Osteuropa, angepasst und die chinesische Nachfrage nach deutschen Produkten ist seit langem hoch.

In einer weit beachteten Arbeit zeigen die Ökonomen David Autor, MIT, David Dorn, Universität Zürich und Gordon Hanson, Universität California San Diego, dass der Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 einen profund negativen Einfluss auf Arbeitsplätze und Löhne von wenig qualifizierten Arbeitern in den USA hatte.[ 1 ] Arbeitskräfte, die ihren Job wegen der chinesischen Importkonkurrenz verloren, konnten keinen Job in anderen Sektoren finden. Jene Arbeitskräfte, die einen Job in anderen Sektoren finden konnten, mussten erhebliche Einbußen im Einkommen hinnehmen. Eine analoge Studie für Deutschland von Wolfgang Dauth, Sebastian Findeisen und Jens Suedekum findet keinen negativen Einfluss auf den deutschen Arbeitsmarkt von Chinas Eintritt in die Welthandelsgemeinschaft. Wieso kommen diese beiden Studien zu so unterschiedlichen Einschätzungen von Chinas Wirkung?

Wie stark ist der Chinaschock in Deutschland?

Ich habe kürzlich die Zahlen betrachtet, wie stark die reichen Industrieländer vom Chinaschock betroffen waren. Dabei ergibt sich ein interessantes Bild. Alle Industrieländer waren stark der chinesischen Konkurrenz ausgesetzt. Aber die USA war tatsächlich am stärksten vom Chinaschock beeinflusst. Zwischen 2000 und 2010 stieg der Importanteil Chinas an den Gesamtimporten in den von der Importkonkurrenz aus China betroffenen Industriezweigen um 25 Prozentpunkte. In England und den Niederlanden bezifferte sich derselbe Anstieg des Importanteils Chinas auf 16 Prozentpunkte. Deutschland rangierte gemeinsam mit Spanien und Italien mit einem Anstieg um 14 Prozentpunkte im mittleren Bereich. Am wenigsten betroffen waren Frankreich und Schweden (mit 13 Prozent). Damit war Deutschland weit weniger vom Chinaschock betroffen als die USA, was zumindest teilweise die Diskrepanz zwischen den beiden Studien erklärt.

Warum Deutschland weniger unter der Konkurrenz aus China litt als die USA hat jedoch noch andere Gründe. Wie die deutsche Studie zeigt, hat Deutschland gerade in jenen Industriezweigen (wie z.B. Textilien) massiv aus China importiert, in denen es vor dem Aufstieg Chinas aus Griechenland, Italien und der Türkei Waren importiert hatte. Dadurch hat China die Importe aus diesen Niedriglohnländern verdrängt, was Arbeitsplatzverluste in diesen Ländern, aber nicht in Deutschland bewirkt hatte.

Die helfende Hand Osteuropas

Zudem ging der Aufstieg Chinas mit der Handelsliberalisierung der vormaligen Planwirtschaften in Osteuropa nach dem Fall der Mauer einher. Als Nachbarland war Deutschland stark von der Marktliberalisierung Osteuropas betroffen. Der China-Handelsschock unterscheidet sich jedoch wesentlich vom Osteuropa-Handelsschock. Der Handel mit Osteuropa war eine Handelsintegration mit einer Region, die reich an Arbeitskräften mit Hochschulabschluss war. Der Handel mit China ist eine Handelsintegration mit einem Land, das reich an unqualifizierter Arbeit ist. Daher war zu erwarten, dass sie Auswirkung dieser beiden Handelsliberalisierungen unterschiedlich auf den deutschen Arbeitsmarkt wirken.

Das wird auch tatsächlich in der deutschen Studie gezeigt. Der Beitritt Osteuropas in die Welthandelsgemeinschaft hatte auf den deutschen Arbeitsmarkt eine positive Auswirkung. Es kam zu einem Anstieg des Anteils der Industriebeschäftigung in Deutschland infolge der Ostöffnung. Den USA fehlte diese helfende Hand Osteuropas, da deren Handel mit dieser Region vernachlässigbar ist. Die Ostöffnung bedeutete für Deutschland mehr Importwettbewerb von diesen Ländern, aber auch mehr Exportmöglichkeiten in diese Länder in denselben Sektoren. Deutschlands Handel mit Osteuropa kann als "intra-industrieller" Handel im selben Sektor charakterisiert werden, während der Handel mit China einen "inter-industrieller Handel" zwischen den Sektoren darstellt. Deutschland importiert aus China Textilien, Spielzeugwaren und Computerausrüstungen und exportiert nach China Autos und Maschinen, während es Autos und Autozubehör nach Osteuropa sowohl exportiert als auch importiert.

Wie ich in einer Arbeit anlässlich des 20. Jahrestags des Falls der Mauer zeige, war Osteuropa reich an Arbeitskräften mit Hochschulbildung. Dadurch eröffnete die Ostöffnung nicht nur neue Exportmärkte für Deutschland, sondern auch einen reichen Pool an qualifizierten und billigen Arbeitskräften. Deutschland nutze die Gunst der Stunde und verlagerte seine Produktion nach Osteuropa. Das half Deutschland eine Bildungskrise zu bewältigen, die in den 90ger Jahren akut wurde. Die Produktionsverlagerungen nach Osteuropa halfen Deutschland die Kosten zu senken und neue Marktanteile auf den Weltmärkten zu gewinnen. Die Produktionsverlagerungen nach Osteuropa halfen damit die Beschäftigung in Deutschland zu stabilisieren. Eine erst kürzlich erschienene Studie der Weltbank schätzt, dass die Wertschöpfungsketten Deutschlands mit Osteuropa 60 Prozent des Handels mit dieser Region ausmachen.

Chinas "Liebe" für deutsche Produktqualität

Deutschland mag aber auch deswegen den Chinaschock besser bewältigt haben als die USA, weil seine Exporte nach China rasch wuchsen und dadurch neue Arbeitsplätze für jene Arbeitskräfte geschaffen wurden, die durch die Importkonkurrenz Chinas ihren Arbeitsplatz verloren haben. Erstaunlicherweise ergibt die deutsche Studie keine positiven Beschäftigungseffekte durch deutsche Exporte nach China. Das stellt ein Rätsel dar. Die Studie behandelt die Periode 1988 bis 2008, in der die deutschen Exporte nach China um das Sechsfache stiegen. Aber seit der Finanzkrise 2009 allein haben sich die Exporte nach China fast verdoppelt. Das ist mehr als in jedem anderen Land. Die deutschen Exporte nach Osteuropa, hingegen, haben bis 2013 noch nicht das Niveau von vor der Krise erreicht. Was erklärt diesen raschen Anstieg der deutschen Exporte nach China? Warum lieben die Chinesen deutsche Produkte? In einer neuen Arbeit zeigen meine Ko-Autoren und ich, dass die deutschen Firmen einen dezentralisierten Managementstil eingeführt haben, bei dem die Entscheidungsbefugnisse auf untere Hierarchieebene abgegeben wurden. Dadurch sind die Arbeitskräfte, die mit dem Marktumfeld besser vertraut sind, stärker motiviert, mit neuen Ideen zur Qualitätsverbesserungen ihrer Produkte zu kommen, die den Firmen helfen ihre nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Unsere Studie ergibt, dass deutsche Exporteure ihren Exportmarktanteil mit Produkten hoher Qualität verdreifachen konnten, wenn sie mit einer dezentralisierten Firmenorganisation operierten. Der Fokus Deutschlands auf Produkte "Made in Germany" hat einen hohen Appeal auf die aufsteigende Mittelschicht Chinas, die deutsche Autos bevorzugen. Auch schätzen chinesische Firmen deutsche Maschinenwerkzeuge mit ihrer hohen Qualität.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, Deutschland konnte besser als die USA dem Chinaschock begegnen, weil es sich auf der Importseite bereits vor dem Aufstieg Chinas an die Billigkonkurrenz angepasst hatte, weil die Ostöffnung netto neue Exportmöglichkeiten für deutsche Firmen schufen und weil Chinas Liebe für Produktqualität eine perfekte Paarung mit den deutschen Produkten fanden.

David Autor, David Dorn, Gordon Hanson, 2013, The China Syndrome: Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States, America Economic Review, vol 103, no.6, October 2013.

Wolfgang Dauth, Sebastian Findeisen, Jens Suedekum, 2014, The Rise of the East and the Far East: German Labor Markets and Trade Integration, Journal of the European Economic Association, vol.12, issue 6, 2014.

Dalia Marin, 2010a, The Opening-Up of Eastern Europe at 20: Jobs, Skills, and Reverse Maquiladoras in Austria and Germany, Bruegel Working Paper, 2010/02, Brussels.

Dalia Marin, 2010, Germany’s Super Competitiveness: A Helping Hand from Eastern Europe, VoxEU, June 20, 2010, London.

Dalia Marin, Jan Schymik, Jan Tscheke, 2015, Europe’s Export Superstars – it’s the organization, Bruegel Working Paper 2015/05, Brussels.


©KOF ETH Zürich, 25. Sep. 2017

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