Noch im März will Premierministerin Theresa May den offiziellen Antrag auf Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stellen. Mindestens zwei Jahre wird dann über die Modalitäten des Austritts verhandelt. Damit vollzieht May das, was viele Eurokraten in Brüssel ihr nicht zugetraut haben. Großbritannien geht den Weg außerhalb der EU. Sie gehen nicht einmal den Weg Norwegens oder der Schweiz. Sie wollen in ihrem Land den übrigen EU-Staaten keine Personenfreizügigkeit zubilligen und auch noch Tribut an die EU bezahlen müssen, um vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten. Die Briten gehen einen völlig neuen, aber eigentlich einen sehr traditionellen Weg. Sie wollen über ein Freihandelsabkommen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und Großbritannien regeln. Das ist ihr gutes Recht und wir sollten alles dafür tun, ein möglichst liberales Freihandelsabkommen mit den Briten zu erzielen. So sehr Deutschland auf gute Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien angewiesen ist, so sehr verändert der Austritt Großbritanniens die Statik innerhalb der Europäischen Union. Die Briten waren innerhalb der EU ein notwendiges Korrektiv gegen die Zentralisierungsbestrebungen der Brüsseler Bürokratie und die Umverteilungsphantasien der Südstaaten, deren gewichtigster Befürworter Frankreich ist.
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Noch im März will Premierministerin Theresa May den offiziellen Antrag auf Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stellen. Mindestens zwei Jahre wird dann über die Modalitäten des Austritts verhandelt. Damit vollzieht May das, was viele Eurokraten in Brüssel ihr nicht zugetraut haben. Großbritannien geht den Weg außerhalb der EU. Sie gehen nicht einmal den Weg Norwegens oder der Schweiz. Sie wollen in ihrem Land den übrigen EU-Staaten keine Personenfreizügigkeit zubilligen und auch noch Tribut an die EU bezahlen müssen, um vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten. Die Briten gehen einen völlig neuen, aber eigentlich einen sehr traditionellen Weg. Sie wollen über ein Freihandelsabkommen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und Großbritannien regeln. Das ist ihr gutes Recht und wir sollten alles dafür tun, ein möglichst liberales Freihandelsabkommen mit den Briten zu erzielen.
So sehr Deutschland auf gute Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien angewiesen ist, so sehr verändert der Austritt Großbritanniens die Statik innerhalb der Europäischen Union. Die Briten waren innerhalb der EU ein notwendiges Korrektiv gegen die Zentralisierungsbestrebungen der Brüsseler Bürokratie und die Umverteilungsphantasien der Südstaaten, deren gewichtigster Befürworter Frankreich ist. Und der Zentralisierungsdruck droht unaufhaltsam weiter zu wachsen.
Eine Blaupause dieser Zentralisierungsbestrebungen könnte der bislang wenig beachtete Fünf-Präsidentenbericht sein, den die Präsidenten des EU-Parlaments, der EU-Kommission, der EZB, des Rates der EU und der Euro-Gruppe am 1. Juli 2015 vorgelegt haben. Unter Mitwirkung des damaligen Parlamentspräsidenten und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz wurde ein Plan vorgelegt, wie die Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickelt werden soll. Darin wird ein „Schatzamt“ für die Eurozone, eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung und ein „strategischer Investitionsfonds“ zur Angleichung der ökonomischen Verhältnisse innerhalb des Währungsraums vorgeschlagen. Kurzum: es geht um eine größere Zentralisierung und eine größere Umverteilung innerhalb des Euro-Clubs.
Gegen dieses Ansinnen hat sich Deutschland bislang erfolgreich gewehrt. Weder wurde ein europäischer Finanzminister mit einem Schatzamt installiert (ein Schatz ist eh nicht da), noch wurde die Einlagensicherung der Banken zentralisiert. Und auch beim strategischen Investitionsfonds ist, abgesehen vom bislang überschaubaren Juncker-Fonds (16 Milliarden Garantien aus dem EU-Haushalt), nicht viel passiert. Doch wie immer auf der Ebene der EU geht es für die Eurokraten darum, ein Fuß in die Tür zu bekommen – und das ist gelungen. Der Fünf-Präsidentenbericht bietet dafür die Grundlage und ist passend vorbereitet worden.
Die Einlagensicherung kann inzwischen mit einer qualifizierten Mehrheit im Europäischen Rat auch gegen Deutschland beschlossen werden. Mit einem erneuten Aufbrechen der Bankenkrise in Südeuropa würde der Ruf nach mehr öffentlichen Investitionen und für die Euro-Gruppe wieder hochkommen. Eine Krise war für EU-Kommissionspräsident Juncker bislang immer der Anlass, das Rad in Richtung Zentralismus zu drehen. 1999 sagte er dem Spiegel: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Ein Ersatz für die korrigierende Funktion, die bisher die Briten in der EU häufig übernommen hatten, könnte die nächste niederländische Regierung unter dem Liberalen Mark Rutte sein. Seine Wiederwahl am vergangenen Mittwoch ist ein ermutigendes Zeichen für ganz Europa. Es ist keine Gesetzmäßigkeit, dass die Gegner der EU automatisch die Wahlen gewinnen. Das gilt auch in Frankreich, Italien und auch Deutschland. Rutte ist kein EU-Romantiker. Er ist ein Europa-Realist, der den EU-Superstaat und den überbordenden Zentralismus ablehnt, aber den gemeinsamen Markt und die Freizügigkeit als große historische Errungenschaft Europas begreift und zu schützen bereit ist.
Die Niederlande müssen in einer EU der 27 die freihändlerische und marktwirtschaftliche Rolle einnehmen, die bisher oft von Großbritannien ausgeübt wurde. Aus einem deutsch-niederländischen Tandem kann, ja muss ein neuer Impuls für Europa entstehen, der nicht die Extreme bedient: auf der einen Seite „zurück in den Nationalstaat“ und auf der anderen Seite „hinein in den europäischen Superstaat“. Beides währe fatal, weil es das friedliche Zusammenleben, das gemeinsame Wirtschaften und den Austausch von Ideen in Europa bedrohen würde. Neue Grenzen innerhalb Europas können nicht die Antwort auf die Probleme sein. Man muss nicht alles teilen, was die 2016 in Frankfurt gegründete Bewegung „Pulse of Europe“ verkörpert. Aber dass inzwischen in 34 Städten tausende von Bürgern für die europäische Idee auf die Straße gehen, ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass viele Bürger die Zukunft Europas in die eigenen Hände nehmen wollen. Sie wollen diese wichtige Aufgabe weder „fünf Präsidenten“ überlassen noch das Feld räumen für die Nationalisten. Politiker wie Mark Rutte haben das Zeug, den Pulsschlag für ein gesundes Europa vorzugeben.