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In Berlin nur noch Opposition und auch in Bayern unter Druck - damit muss sich die CSU zurechtfinden. Die Sorgen sind groß, was das für die Bayern-Wahl 2023 bedeuten könnte. Besonders beim Parteichef.
Es ist ein etwas eigentümlicher Moment in Markus Söders Rede. Fast scheint es, als hätten die Delegierten auf dem kleinen CSU-Parteitag in Würzburg nur auf diese aufmunternde Botschaft gewartet, so laut, lang und rhythmisch klatschen sie.
„Lasst uns zum einen an einigen Stellen selbstbewusst sein, obwohl wir in Berlin nicht in der Regierung sind“, hat der Parteichef und Ministerpräsident soeben in den Saal gerufen. „Und einfach ein bisschen stolz und dankbar sein, dass wir in Bayern leben dürfen, liebe Freunde. Das ist ein Privileg, und das bleibt ein Privileg.“
Vielleicht kulminiert in diesem Moment noch einmal die Aufarbeitung der bitteren Niederlage bei der Bundestagswahl – für die Union und die CSU, aber auch für Söder, der selber gerne Kanzlerkandidat geworden und ins Kanzleramt eingezogen wäre. Jedenfalls bekommt man den Eindruck, als wäre der christsoziale Selbstfindungsprozess noch längst nicht abgeschlossen – und zwar in verschiedenster Hinsicht.
Bundesregierung passé
Söder muss akzeptieren, dass er nicht Kanzler ist, nicht mehr im Koalitionsausschuss sitzt, dass CDU-Chef Friedrich Merz nun der große starke Mann der Union ist. Und die CSU insgesamt muss verarbeiten, dass sie in Berlin nur noch wenig zu melden hat: Regierung passé, kein Minister mehr, vorbei ist’s – abgesehen von der privilegierten Zusammenarbeit mit der CDU – mit der langen Sonderstellung im Bund.
„Natürlich gab es viel Ärger und Verunsicherung“, sagt Söder selbst rückblickend, und berichtet aus seinen vielen, vielen Gesprächen mit der eigenen CSU-Parteibasis: „Oft kommt die Frage: Wer sind wir?“
Wie schwer sich die CSU mit ihrer neuen Rolle tut, zeigte sich vielleicht nirgends so klar wie beim Streit um den Windkraft-Ausbau. Jahrelang sperrte sich die CSU gegen eine Aufweichung der in Bayern besonders großen Mindestabstandsregel für Windräder. Vor wenigen Tagen konnte sie aber nicht mehr anders, als einzulenken: weil der Druck so groß war, und weil letztlich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die CSU in der Hand hat. Ausgerechnet.
Wo steht die CSU?
Aber wo steht nun die CSU, und wofür? Darauf will dieser Parteitag wenigstens ein paar Antworten geben. Im Zentrum steht eigentlich die Außenpolitik: In einem Leitantrag, der einstimmig beschlossen wird, spricht sich die CSU etwa für einen nationalen Sicherheitsrat und eine „Wirtschafts-NATO“ aus, einen Wirtschaftsverbund von EU, USA und weiteren Staaten wie Kanada, Japan, Australien und Südkorea.
Söders vorrangiges Ziel ist es aber noch viel mehr, seiner Partei Orientierung zu geben, mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2023. Denn so wichtig und schmerzhaft die Bundestagswahl war, so schicksalsträchtig ist die Bayern-Wahl – für die Partei und für Söder persönlich. Zwar droht den Christsozialen nach allen jüngsten Umfragen kein Szenario, bei dem sie die Staatskanzlei räumen müssten. Doch die Frage ist: Wie stark wird die CSU 2023 noch sein? Und wie stark Söder, dessen Glanz-Umfragewerte lange vorbei sind?
Söder versucht es mit einer Mischung aus Attacke und eigener Standortbestimmung. Attacke vor allem auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Ampel-Parteien und Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Scholz wirft er vor, der Bevölkerung in der Ukraine-Krise keinerlei Orientierung zu geben: „Ein solches Zögern, Sich-Verstecken oder Sich-davor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwürdig.“ Der Ampel attestiert er, Deutschland mache „seit Wochen eine peinliche Figur“.
Er wolle nun keine eineinhalb Jahre Dauerwahlkampf, sagt Söder an einer Stelle. Dabei ist seine breit angelegte und von Angriffen gespickte Rede schon ein Stück Wahlkampf pur.
Neues Grundsatzprogramm: „Miteinander“
Doch abgesehen davon versucht Söder eben auch, seiner eigenen Partei wieder ein wenig Orientierung zu geben. Nach zwei Corona-Jahren, die auch die CSU viel Kraft gekostet hätten, solle dem CSU-Motto „Näher am Menschen“ wieder Leben eingehaucht werden. „Miteinander“ soll nicht umsonst der Slogan des geplanten neuen Grundsatzprogramms sein. Und Söder selbst zeigt das „Näher am Menschen“ ja inzwischen ganz praktisch: Eigentlich keine große Volksfest-Eröffnung lässt er aus.
Aber wo und wofür steht die CSU? Es ist der klassische Mix von Konservatismus und Moderne, den Söder wieder bemühen will. „Neue Technik und Erhalt der Schöpfung, Leistung und soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und Wohlfahrt“, zählt er auf, und ergänzt das alte Motto „Laptop und Lederhose“ noch um „Smartphone und Sonnenblume“. Das sei doch das, „was dieses Bayern so prägt und letztlich so sexy macht“. Und selbstredend, dass Söder die CSU als einzig echte und wahre Bayern- und Bierzelt-Partei ansieht: „Fakt ist: Bayern ohne die CSU ist theoretisch möglich, aber völlig sinnlos, liebe Freunde.“
Aber ob das reicht, um bei der Wahl zu punkten? Von der absoluten Mehrheit im Landtag spricht seit Jahren eh keiner mehr. Es geht erst einmal darum, das Landtagswahlergebnis von 2018 (37,2 Prozent) zu halten und nicht Richtung Bundestagswahlergebnis (31,7 Prozent) abzusacken. Doch die Sorgen sind groß, ob das gelingt, auch unter Abgeordneten, die um ihre Mandate fürchten. Was, wenn es in Umfragen in den kommenden Monaten nach unten gehen sollte?
Die CSU war bekanntlich noch nie zimperlich, wenn ihre Vorsitzenden nicht mehr den gewünschten Erfolg garantierten. Appelliert Söder deshalb schon jetzt – quasi vorsorglich – an die Geschlossenheit, die nötig sei, um am Ende zu gewinnen? Söder weiß jedenfalls, dass er liefern muss – sonst blickt auch er in eine ungewisse Zukunft. (dpa/mf)