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Wie wir (nicht) reich werden

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus. Politische Eingriffe, die als Nebenwirkung die Entwicklung der Produktivität hemmen, sollen oft relativ Mittellose gegenüber relativ Wohlhabenden besserstellen. Unter dem ausbleibendem Wachstum leiden in der langen Frist fast alle. Im Mittelpunkt sollte also nicht die Frage stehen, wie der Kuchen verteilt werden soll, sondern wie er größer wird. Vor gut 30 Jahren fragte der Wirtschaftshistoriker David Landes: „Warum sind wir so reich und die anderen so arm?“ Mit „den anderen“ sind

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Wie wir (nicht) reich werden

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Politische Eingriffe, die als Nebenwirkung die Entwicklung der Produktivität hemmen, sollen oft relativ Mittellose gegenüber relativ Wohlhabenden besserstellen. Unter dem ausbleibendem Wachstum leiden in der langen Frist fast alle. Im Mittelpunkt sollte also nicht die Frage stehen, wie der Kuchen verteilt werden soll, sondern wie er größer wird.

Vor gut 30 Jahren fragte der Wirtschaftshistoriker David Landes: „Warum sind wir so reich und die anderen so arm?“ Mit „den anderen“ sind nicht nur Menschen in Entwicklungsländern gemeint, sondern auch unsere eigenen Vorfahren. Ein durchschnittlicher Deutscher hat heute ein etwa sechsmal so hohes Einkommen wie ein durchschnittlicher Deutscher vor 100 Jahren oder ein durchschnittlicher Kubaner heute. Die Antwort auf die Frage nach der Quelle unseres historisch beispiellosen Reichtums lautet: Weil wir so produktiv sind. In der langen Frist wird unser Wohlstand hauptsächlich durch unsere Produktivität bestimmt, also durch unsere Möglichkeiten, Produktionsfaktoren in Konsumgüter zu verwandeln.

Seit geraumer Zeit nimmt das Produktivitätswachstum in der westlichen Welt ab. Zwar herrscht unter Ökonomen keine einheitliche Meinung über die dominanten Gründe, doch unstrittig ist, dass der Politik eine tragende Rolle zukommt. Durch ihre Steuer-, Geld- und Regulierungspolitik kann sie Produktivitätssteigerungen begünstigen oder mögliche Produktivitätssteigerungen zunichtemachen. Viele jüngere politische Maßnahmen in Deutschland stehen dem Ziel eines langfristig höheren Wohlstands im Weg, so z.B. die Niedrigzinspolitik der EZB, technologiefeindliche Regulierungen und höhere Steuern auf Zinserträge. All diese Maßnahmen erfüllen kurzfristige Umverteilungsziele, schaden jedoch langfristig der Produktivitätszunahme. Damit erfolgen sie nicht nur auf Kosten derer, die die Umverteilungspolitik heute finanzieren, sondern auch auf Kosten zukünftiger Generationen.

Was ist Produktivität?

Produktivität ist die Effizienz mit der Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaften Produktionsfaktoren – also beispielsweise Arbeitskraft, Maschinen und Energie – kombinieren und in Konsumgüter verwandeln. Je mehr wir aus einer gegeben Ausstattung an Produktionsfaktoren machen können, desto produktiver sind wir. Ökonomen bezeichnen dieses Effizienzmaß auch als totale Faktorproduktivität.

Von besonderem Interesse, weil durch die Politik beeinflussbar, ist die Arbeitsproduktivität, also die Effizienz des Einsatzes von Arbeitskraft. Studien zeigen, dass die Arbeitsproduktivität weltweit massiv variiert. So erwirtschaftete ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland 2016 pro Stunde etwa 68 US-Dollar, während sein mexikanischer Kollege in der selben Zeit nur 20 US-Dollar erwirtschaften konnte. Produktivitätssteigerungen erlauben es uns, bei konstantem Faktoreinsatz mehr Güter oder Güter besserer Qualität herzustellen. Zudem stellen in gut funktionierenden Marktwirtschaften Arbeitsteilung, Spezialisierung, Kooperation und Wettbewerb zwischen Unternehmen sicher, dass alle Menschen von Produktivitätssteigerungen profitieren.

Wie wir (nicht) reich werden

Politik beeinflusst Produktivitätswachstum

Menschen sind unterschiedlich reich, weil sie unterschiedlich produktiv sind. Doch welche Faktoren rufen Unterschiede in der Arbeitsproduktivität hervor? Ein Teil der Produktivitätsunterschiede wird durch individuelle Unterschiede im Ausbildungsniveau – Ökonomen sprechen vom Humankapital – und arbeitsrelevanten Verhaltensweisen, etwa der Konzentration während der Arbeitszeit, erklärt. Ein gut ausgebildeter und hochkonzentrierter Arbeiter ist produktiver als ein schlecht ausgebildeter oder schlecht konzentrierter Arbeiter – unabhängig von allen sonstigen Umständen, wie etwa dem Arbeitsort.

Doch maßgeblich wird unsere Arbeitsproduktivität auch durch Faktoren bestimmt, die der Einzelne nicht unter Kontrolle hat: Wir sind umso produktiver bei der Arbeit, je mehr andere Produktionsfaktoren – etwa Maschinen oder Energie – wir zur Verfügung haben. Unternehmen und Länder mit einem größeren Kapitalstock, relativ zur Arbeiterschaft, weisen eine höhere Arbeitsproduktivität auf. Wichtig sind darüber hinaus die Bedingungen, die beeinflussen, wie Produktionsfaktoren koordiniert und verwendet werden: Herrscht Rechtssicherheit? Sind Institutionen kooperationsfördernd? Begünstigen Marktstrukturen Kooperation und Wettbewerb? Setzt sich gute Managementpraxis durch?

Die Arbeitsproduktivität eines Individuums hängt also maßgeblich davon ab, in welchem Unternehmen oder Land es arbeitet. So kann ein peruanischer Arbeitnehmer allein dadurch, dass er seinen Job in den USA statt in seiner Heimat ausführt, fast viermal so viel verdienen – weil er viermal so produktiv ist.

Nur wenige dieser Faktoren sind von politischen Einflüssen zumindest mittelfristig unberührt, etwa das Klima, die langfristigen Folgen historischer Zufälle, Traditionen und kulturelle Eigenheiten. Auf viele Determinanten der Arbeitsproduktivität hat die Politik dagegen maßgeblichen Einfluss, etwa durch die Geld- und Steuerpolitik oder Regulierungsaktivitäten. Einer Regierung, der das Wohlergehen ihrer Bürger am Herzen liegt, sollte viel daran gelegen sein, Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen. Gemessen an diesem Anspruch sind viele aktuelle politische Maßnahmen in Deutschland kritisch zu bewerten. Drei Beispiele:

Niedrigzinsen stützen unproduktive Firmen

Seit geraumer hält die Europäische Zentralbank die Leitzinsen auf historisch niedrigem Niveau. Die Niedrigzinspolitik soll schwächere Volkswirtschaften in Europas Süden stützen und zur allgemeinen Belebung der Wirtschaft beitragen. Wenngleich diese Politik für manche Volkswirtschaften im Süden angemessen sein mag, hat sie für Deutschland negative Folgen. Sie hält Unternehmen, die sich im Umgang mit knappen Ressourcen als relativ unproduktiv erwiesen haben, künstlich solvent und verhindert deren Marktaustritt. Unproduktiven Unternehmen werden so zulasten ihrer produktiveren Wettbewerber künstlich beatmet, was unmittelbar die Produktivität der Industrie verringert.

Regulierung behindert neue Geschäftsmodelle

Technologischer Fortschritt führt in vielen Branchen zu Umwälzungen. Einige Unternehmen treten aus dem Markt aus und andere Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen nehmen ihren Platz ein. Um diesen Prozess zu verhindern, setzen Interessengruppen aus betroffenen Unternehmen und ihren Stakeholdern einiges in Gang: Taxifahrer kämpfen gegen Uber, Hoteliers gegen Airbnb und staatlich finanzierte Medien gegen neue dezentrale Medien. Die Politik zeigt sich verständnisvoll: So sind Airbnb und Uber in zahlreichen deutschen Großstädten verboten oder eingeschränkt und die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender dürfen sich auch bei sinkenden Einschaltquoten und abnehmender Relevanz klassischer Offline-Medien über ein wachsendes Budget freuen.

Was manchen Zeitgenossen als sympathische Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Betroffenen erscheint, hat langfristig deutliche Produktivitätseinbußen zur Folge. In den kommenden Jahrzehnten werden zahlreiche Branchen enorme Produktivitätsgewinne durch den Einsatz künstlicher Intelligenz erleben. Dieser Prozess wird unweigerlich dazu führen, dass einige heutige Berufe und Arbeitsfelder wegfallen sowie neue Berufe und Arbeitsfelder entstehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik nicht den erprobten Weg geht und Produktivitätsgewinne durch Steuern und Verbote verhindert.

Abgeltungsteuer Adé: Investitionen weniger attraktiv

Steuerpolitik ist Anreizpolitik. Die Besteuerung einer Handlung führt in der Regel dazu, dass diese Handlung seltener erfolgt. So führt die Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Zinserträge dazu, dass Investoren ihre Zinseinnahmen zukünftig wieder mit ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern müssen – bei vielen Investoren dürfte der über dem bisherigen Steuersatz von 25 % liegen – und so betroffene Kapitalinvestments weniger attraktiv werden.

Investitionen in den Kapitalstock sind jedoch von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Arbeitsproduktivität. Selbst jene, die von der kurzfristigen Höherbesteuerung von Kapitalerträgen heute profitieren mögen, werden langfristig unter dem geringen Produktivitätswachstum leiden.

Produktivitätsentwicklung in den Fokus rücken

Weshalb bewerten viele Menschen die Wichtigkeit produktivitätssteigernder Investitionen vergleichsweise niedrig? Ein Grund könnte darin liegen, dass sie langfristige Zinseszinseffekte oft unterschätzen. So wie der Wert eines Assets exponentiell steigt, wenn dessen jährlicher Zinsgewinn dem Anlagekapital hinzugefügt wird, nimmt das Einkommen der Menschen in einer Region bei einer konstanten Wachstumsrate exponentiell zu.

Politische Eingriffe, die als Nebenwirkung die Entwicklung der Produktivität hemmen, sollen oft relativ Mittellose gegenüber relativ Wohlhabenden besserstellen. Doch selbst wenn die Verfolgung derartiger Ziele als wünschenswert erachtet wird, sollten die negativen Folgen für die Produktivitätsentwicklung ernstgenommen werden. Schon nach 30 Jahren ist eine jährlich um 2 statt 3 % wachsende Volkswirtschaft um knapp ein Viertel ärmer. Unter ausbleibendem Wachstum leiden in der langen Frist fast alle, darunter auch viele, die kurzfristig von Umverteilungsmaßnahmen profitieren.

Zuerst erschienen bei IREF.

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