Photo: Drew Beamer from Unsplash (CC 0) Derzeit ist es besonders schwer, optimistisch in die ökonomische Zukunft zu schauen. Insbesondere, wenn zum tristen Novemberwetter auch noch die Aussicht auf verlängerte und verschärfte Corona-Regeln hinzukommt, und damit weitere Belastungen für die deutsche Ökonomie in den nächsten Monaten. Wenn man allerdings bei der Betrachtung etwas größere Zeithorizont heranzieht, fällt auf, dass auch in den Jahren vor der Corona-Krise die Wachstumsraten der westlichen Volkswirtschaften so niedrig waren, dass Ökonomen von der „Großen Stagnation“ sprachen. Beides zusammen genommen lässt das Bild noch viel mehr verdunkeln. Wenn man sich aber einen Ruck gibt und einmal über den pessimistischen Tellerrand hinausblickt, können aktuelle Forschungen und
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Derzeit ist es besonders schwer, optimistisch in die ökonomische Zukunft zu schauen. Insbesondere, wenn zum tristen Novemberwetter auch noch die Aussicht auf verlängerte und verschärfte Corona-Regeln hinzukommt, und damit weitere Belastungen für die deutsche Ökonomie in den nächsten Monaten. Wenn man allerdings bei der Betrachtung etwas größere Zeithorizont heranzieht, fällt auf, dass auch in den Jahren vor der Corona-Krise die Wachstumsraten der westlichen Volkswirtschaften so niedrig waren, dass Ökonomen von der „Großen Stagnation“ sprachen. Beides zusammen genommen lässt das Bild noch viel mehr verdunkeln. Wenn man sich aber einen Ruck gibt und einmal über den pessimistischen Tellerrand hinausblickt, können aktuelle Forschungen und unternehmerische Entwicklungen Hoffnung geben, dass das Ende der Pandemie mit dem Ende der „Großen Stagnation“ zusammenfallen könnte.
Wachstumsschwäche: Kein neues Phänomen
Der einflussreiche US-amerikanische Ökonom und „public intellectual“ Tyler Cowen verfasste 2011 eines der bedeutsamen ökonomischen Pamphlete der letzten Jahre: The Great Stagnation. In dieser einflussreichen Schrift argumentiert er, dass die westlichen Ökonomien seit Mitte der 1970er Jahre ein technologisches und ökonomisches Plateau erreicht hätten. Noch unsere Groß- und Urgroßeltern erlebten zwischen 1900 und 1975 – trotz Wirtschaftskrisen und Kriegen – beispielloses ökonomisches Wachstum und bahnbrechende Erfindungen buchstäblich wie am Fließband. Seit spätestens den 80er Jahren, so zeigt Cowen, ist das ökonomische Wachstum stabil niedrig gewesen und bahnbrechende Erfindungen sind (vom Internet ausgenommen) eine Seltenheit geworden. Zum Vergleich: Peter, wäre er 1920 geboren, hätte bis zu seinem 40. Geburtstag 1960 massive Reallohnsteigerungen, die Entdeckung des Penicillins, die Erfindung der Pille und die Kommerzialisierung von Auto- und Luftfahrt erlebt. Trotz spannender Innovationen von mobilem Telefonieren bis hin zum Internet, hätte Peter, wäre er 1980 geboren, jedoch deutlich weniger einschneidende Erfindungen und zudem stagnierende Reallöhne bis ins Jahr 2020 erlebt.
Zehn Jahre nach der Publikation seines Buches zeigt sich Cowen allerdings hoffnungsvoll, dass die Zeit der Großen Stagnation ihrem Ende entgegen gehen könnte. Dafür gibt es gute Argumente: Fortschritte in Pharmazeutik und Landwirtschaft stehen exemplarisch für die berechtigte Hoffnung, dass smarte Wissenschaftler und abenteuerlustige Unternehmer unsere Gesellschaften auf einen neuen Pfad von Innovation und Wachstum setzen.
Big Pharma gegen die „Große Stagnation“
Ausgerechnet die viel gescholtene Pharmabranche weist mit ihren Fortschritten der letzten Jahre den Weg aus der Pandemie, aber auch aus der Innovationskrise. Die neuartigen COVID-19-Impfstoffe von Unternehmen wie Biontech und Moderna zeigen das Wohlfahrtspotenzial der Pharmaindustrie. Die beiden Impfstoffe ermöglichen nicht nur sehr wahrscheinlich eine Immunisierung gegen COVID-19: die dahinter liegende mRNA-Technologie ist ein Wendepunkt in der pharmazeutischen Forschung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen werden Krankheitserreger bzw. ihre Proteine nicht direkt injiziert. Stattdessen injiziert die neue Impfung die „Bauanleitung“ des Erregers, sogenannte Messenger-RNA (mRNA), um den Körper anzuregen, Immunreaktionen gegen jenes Protein zu entwickeln, das verantwortlich dafür ist, dass sich Corona-Viren überhaupt erst an die Zelloberfläche heften können. Diese Technologie ist nicht nur für die Bekämpfung der aktuellen Pandemie ein Meilenstein, sondern auch eine Revolution in der Behandlung vieler anderer Erkrankungen. Unternehmer und Forscher hinter Organisationen wie Biontech und Moderna ebnen mit ihren COVID-19-Impfungen den Weg für mRNA-Medikamente, die bei verschiedensten Erkrankungen genutzt werden können: z.B. bei menschlichen Geißeln wie Krebs, Aids und Hepatitis.
Mit Auberginen aus der Wachstums-Krise?
Doch nicht nur im medizinischen Bereich scheinen wir das ökonomische Plateau durch technologische Quantensprünge zu verlassen: Auch bei Auberginen ist das der Fall. Was im ersten Blick verwunderlich klingt, ist ein bahnbrechender Erfolg für die globale Ernährungssituation, der mittlerweile kommerzielle Früchte trägt: Während NGOs und Interessengruppen jahrzehntelang gegen die Erforschung und Zulassung von gentechnisch veränderten landwirtschaftlichen Produkten kämpften, indem sie Schreckensszenarien von Umweltzerstörung, hoher Pestizidausgabe und gesundheitliche Risiken zeichneten, taten Forscher und (Kleinbauern-)Verbände das Gegenteil. Sie setzten sich für den Einsatz von Gentechnik ein, um die Umwelt zu schützen, weniger Pestizide nutzen zu müssen und die Gesundheit der Konsumenten zu schützen. Die kommerzielle Nutzung und Erforschung von gentechnisch veränderten landwirtschaftlichen Produkten gibt den Befürwortern nun endgültig recht.
Neue Studien, etwa aus Bangladesch, zeigen, dass Gentechnik in der Landwirtschaft – hier am Beispiel von Auberginen – tatsächlich in allen möglichen Bereichen wohlstandsfördernd wirkt: Im Gegensatz zu den Bauern, die herkömmliche Auberginen anbauen, können Bauern mit dem gentechnisch veränderten Gemüse 51 Prozent mehr Ertrag ernten, müssen 37,5 Prozent weniger für Pestizide ausgeben und reduzieren die Toxizität der ausgebrachten Pestizide um 76 Prozent. Die neue Technologie erlaubt eine Win-Win-Situation. (Klein-)Bauern im globalen Süden realisieren bis zu 120 Prozent höhere Umsätze, die Natur wird geschützt und Konsumenten in der ganzen Welt können Agrarprodukte zu einem Bruchteil des Preises erwarten. Und natürlich hört die Revolution der Gentechnik nicht an der Aubergine auf: Vergleichbare genetische Veränderungen werden schon aktiv an anderen Agrarprodukten, wie z.B. Reis und Baumwolle, vorgenommen. Die Entwicklung der Gentechnik in der Landwirtschaft steht sinnbildlich für die Kooperation von Forschern und unternehmungslustigen Bauern. Gemeinsam sorgen sie nicht nur für bessere Bedingungen vor Ort, sondern auch für einen revolutionären, globalen Wandel zu günstigeren und umweltverträglicheren Produkten.
Auch wenn der vergangene und auch aktuelle ökonomische Alltag nicht viel Grund für Optimismus bietet: Pharmazeutischer und landwirtschaftlicher Fortschritt sind nur zwei Bereiche, die Hoffnung verbreiten können: Experimentierfreudige Forscher und mutige Unternehmer arbeiten auch passioniert daran, neue Prozessor-Technologien zu entwickeln, Kryptowährungen in den Mainstream zu überführen und private Raketen in den Weltraum zu schießen. Nimmt man all das zusammen, fällt es schwer, Tyler Cowens Ausblick nicht wenigstens in Ansätzen zu teilen und hoffnungsfroh zu sein, dass wir davor stehen, die Große Stagnation zu Gunsten des Großen Fortschritts hinter uns zu lassen.