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Konzentration der Innovationstätigkeit in Deutschland nimmt zu

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Seit Jahren weisen die Investitionen in Innovationen und Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland einen ansteigenden Trend auf. Mit 157,4 Milliarden Euro in 2015 sind sie auf ein Rekordniveau gestiegen. Gleichzeitig verteilen sich die Innovationsausgaben auf immer weniger Akteure. Die Innovatorenquote, also der Anteil der Unternehmen, die überhaupt in Innovationen investieren, sinkt stetig. Dadurch steigt die Ungleichheit in der Innovationstätigkeit deutscher Unternehmen. Dieser Beitrag diskutiert mögliche Gründe für diese Entwicklung. Die Ausgaben für die Entwicklung und Einführung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse nehmen weltweit zu. Laut dem EU Industrial R&D Scoreboard stiegen die FuE-Ausgaben der hundert forschungsstärksten Unternehmen von 198,4 im Jahr 2003 auf 269,4 in 2015 (+86 Prozent). Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft um 59 Prozent. Rund ein Drittel der Unternehmen in Deutschland messen der Einführung neuer oder verbesserter Produkte und Dienstleistungen eine hohe Bedeutung für die Umsetzung ihrer Unternehmensziele bei. Gleichzeitig scheinen jedoch immer mehr Unternehmen den Anschluss an diese Entwicklung zu verlieren. Der Anteil der Unternehmen, die überhaupt in FuE und Innovationen investieren, nimmt stetig ab. Im Jahr 2003 betrug die Innovatorenquote, d.h.

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Seit Jahren weisen die Investitionen in Innovationen und Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland einen ansteigenden Trend auf. Mit 157,4 Milliarden Euro in 2015 sind sie auf ein Rekordniveau gestiegen. Gleichzeitig verteilen sich die Innovationsausgaben auf immer weniger Akteure. Die Innovatorenquote, also der Anteil der Unternehmen, die überhaupt in Innovationen investieren, sinkt stetig. Dadurch steigt die Ungleichheit in der Innovationstätigkeit deutscher Unternehmen. Dieser Beitrag diskutiert mögliche Gründe für diese Entwicklung.

Die Ausgaben für die Entwicklung und Einführung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse nehmen weltweit zu. Laut dem EU Industrial R&D Scoreboard stiegen die FuE-Ausgaben der hundert forschungsstärksten Unternehmen von 198,4 im Jahr 2003 auf 269,4 in 2015 (+86 Prozent). Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft um 59 Prozent. Rund ein Drittel der Unternehmen in Deutschland messen der Einführung neuer oder verbesserter Produkte und Dienstleistungen eine hohe Bedeutung für die Umsetzung ihrer Unternehmensziele bei. Gleichzeitig scheinen jedoch immer mehr Unternehmen den Anschluss an diese Entwicklung zu verlieren. Der Anteil der Unternehmen, die überhaupt in FuE und Innovationen investieren, nimmt stetig ab. Im Jahr 2003 betrug die Innovatorenquote, d.h. der Anteil der Unternehmen, die Innovationen eingeführt haben, noch 47 Prozent. Im Jahr 2015 ist sie auf 35 Prozent gesunken. Besonders viele kleine und mittlere Unternehmen haben ihre Innovationstätigkeit eingestellt. Daraus ergibt sich eine Zunahme der Ungleichheit der Innovationstätigkeit in Deutschland. Der Gini-Koeffizient[ 1 ] der Innovationsausgaben (siehe Abbildung 1) weist seit der Mitte der 1990er Jahre einen ansteigenden Trend auf.

Abbildung 1: Gini-Koeffizient der Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft

Quelle: ZEW, Mannheimer Innovationspanel. Berechnungen des ZEW.

Der Gini-Koeffizient wurde auf Basis der Daten der Innovationserhebung für Unternehmen ab 5 Beschäftigte in den Wirtschaftszweigen, die zum jeweiligen Zeitpunkt Teil der Zufallsstichprobe der Innovationserhebung waren, berechnet. Dadurch ergeben sich Brüche in der Zeitreihe in den Jahren 1998, 2000, 2002 und 2004 und 2006. Es wurden die den Unternehmen zugewiesenen Hochrechnungsfaktoren berücksichtigt.

Erklärungsansätze

Laut Schumpeter (1942) kann es zu einer solchen Konzentration der Innovationsausgaben in einer relativ kleinen Gruppen von Unternehmen kommen, wenn Märkte durch oligopolistischen Wettbewerb gekennzeichnet sind und hohe, steigende FuE- und Innovationsausgaben als Marktzutrittsbarriere genutzt werden. Die marktmächtigen Unternehmen können durch beständige, jedoch meist eher inkrementelle, Innovationen ihre beherrschende Position sichern und gleichzeitig die Kosten für einen Markteintritt stark erhöhen, da neu eintretende Unternehmen das Innovationsniveau der Etablierten erreichen oder – wegen Reputationsnachteilen – sogar übertreffen müssen. Diese sogenannten “Schumpeter-II-These” steht der ursprünglichen Argumentation Schumpeters (1912) entgegen, die die Rolle neuer Unternehmen und schöpferischer Zerstörung als Triebkraft für Innovationen betont.

Für die Schumpeter-II-These spricht die große Stabilität in der Gruppe der forschungsstärksten Unternehmen in Deutschland. In den zwölf Jahren zwischen 2003 und 2015 blieben neun der zehn Unternehmen mit den höchsten FuE-Ausgaben unverändert in den Top-10, und selbst die Verschiebungen in der Rangfolge dieser 10 Unternehmen waren gering (siehe Tabelle 1). Etwas mehr Bewegung gab es auf den Plätzen 11 bis 20. Aber auch hier gab es nur Neuzugänge durch etablierte Unternehmen, die 2003 im Bereich der Plätze 21 bis 36 lagen. Der bestplatzierte Neuzugang war im Jahr 2015 die 1994 gegründete ADVA, die Rang 72 der FuE-stärksten Unternehmen Deutschlands einnahm. Anders sieht dies in den USA aus. Hier waren im Jahr 2015 drei Unternehmen unter den Top-20, die 2003 außerhalb der Top-50 lagen (Google, Apple, Celgene), und ein Unternehmen, das erst nach 2003 gegründet wurde (Facebook).

Tabelle 1: Rangliste der 20 deutschen Unternehmen mit den höchsten FuE-Ausgaben 2015 (und 2003)

Ein anderer Erklärungsansatz findet sich in dem zunehmenden Wettbewerbsdruck durch die Globalisierung. In einer Studie zu US-amerikanischen Industrieunternehmen finden David Autor und Koautoren (2016) einen negativen Effekt durch chinesische Importprodukte auf die Innovationstätigkeit, gemessen in Patentanmeldungen, heimischer Unternehmen. Vergleichbare Studien für Europa zeigen ein ähnliches, wenngleich differenzierteres Bild. Bloom, Draca und Van Reenen (2015) kommen zu dem Ergebnis, dass Importdruck aus China die Innovationstätigkeit europäischer Unternehmen, die verstärkt versuchen sich durch Innovationen im Wettbewerb zu behaupten, durchaus erhöhen kann. Gleichzeitig zeigt die empirische Studie jedoch, dass sich auch die Wahrscheinlichkeit des Marktaustritts im zunehmend härter geführten Wettbewerb erhöht, wodurch sich die gestiegene Innovationsaktivität in den verbleibenden Unternehmen konzentriert.

Schließlich könnte eine gestiegene Ungleichheit in der Innovationskraft von Unternehmen auch Veränderungen im Prozess der Forschung und Entwicklung selbst geschuldet sein. In einem neuen Diskussionspapier stellen Bloom et al. (2017) die Frage ob Produktivitätszuwächse durch FuE heute nur noch schwerer zu erzielen sind als dies in der Vergangenheit der Fall war. In den unterschiedlichsten Branchen und Technologieklassen beobachten die Autoren, dass die Innovationsausgaben steigen, die erzielten Wachstumsraten jedoch stagnieren oder sogar abnehmen. Dieser Trend zeigt sich sowohl auf gesamtwirtschaftlicher, als auch auf der sektoralen und noch feingliedrigeren Ebene. Möglicherweise sind also wegweisende Ideen, die das Wirtschaftswachstum beflügeln, heute schwerer zu finden als früher. Wenn die Produktivität von FuE abnimmt, könnte es sich für viele Unternehmen, gerade kleine und mittelgroße, schlicht nicht mehr lohnen, in Innovationen zu investieren. Die großen Umsatzpotenziale, die sich durch innovative Produkte und Dienstleistungen auf globalisierten Märkten ergeben, können dann nur noch von einer geringeren Anzahl von Gewinnern gehoben werden.

Literatur

Autor, D., D. Dorn, G. H. Hanson, G. Pisano und P Shu (2016): “Foreign Competition and Domestic Innovation: Evidence from U.S. Patents”, NBER Working-Paper Nr. 22879.

Bloom, N., C. I. Jones, J. Van Reenen und M. Webb (2017): “Are Ideas Getting Harder to Find?“, Working-Paper.

Bloom, N., M. Draca und J. Van Reenen (2015): “Trade Induced Technical Change? The Impact of Chinese Imports on Innovation, IT and Productivity”, Review of Economic Studies 83(1): 87-117.

Schumpeter, J. A. (1912), Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin, Duncker & Humblot.

Schumpeter, J. A. (1942), Capitalism, Socialism and Democracy, New York: Harper & Brothers.


  • 1  Der Gini-Koeffizient ist ein Maß für die Ungleichheit der Verteilung einer Größe. Er nimmt dabei Werte zwischen null und eins an. Ein Gini-Koeffizient von null würde bedeuten, dass alle Unternehmen die gleiche Höhe der Innovationsausgaben aufweisen; ein Koeffizeint von eins würde bedeuten, dass die gesamten Innovationsausgaben in Deutschland von einem einzigen Unternehmen aufgebracht würden.

©KOF ETH Zürich, 21. Feb. 2017

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