Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea AM. Schwächer werdende Wirtschaftsdaten, eine Verschärfung seitens der Zentralbanken und hohe Asset-Preise seien eine unmögliche Kombination, findet Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea AM. Das Makro-Umfeld wurde in der ersten Jahreshälfte von Reflations-Hoffnungen dominiert. Zuletzt hat sich die Inflation allerdings weiter abgeschwächt. Werden die Reflations-Hoffnungen in der zweiten Jahreshälfte neu belebt oder gibt es ein Zurück zur "Lowflation"-Norm? Witold Bahrke: Während die erste Hälfte des Jahres 2017 sehr stark von Reflations-Hoffnungen geprägt war, also von Erwartungen eines stärkeren Wachstums und einer moderat höheren Inflation, gehen wir für die zweite
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Schwächer werdende Wirtschaftsdaten, eine Verschärfung seitens der Zentralbanken und hohe Asset-Preise seien eine unmögliche Kombination, findet Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea AM.
Das Makro-Umfeld wurde in der ersten Jahreshälfte von Reflations-Hoffnungen dominiert. Zuletzt hat sich die Inflation allerdings weiter abgeschwächt. Werden die Reflations-Hoffnungen in der zweiten Jahreshälfte neu belebt oder gibt es ein Zurück zur "Lowflation"-Norm?
Witold Bahrke: Während die erste Hälfte des Jahres 2017 sehr stark von Reflations-Hoffnungen geprägt war, also von Erwartungen eines stärkeren Wachstums und einer moderat höheren Inflation, gehen wir für die zweite Jahreshälfte 2017 von einem "Post-Reflations"-Umfeld aus. Zuletzt hat sich die Inflation weiter abgeschwächt, was sich mit unserer Annahme eines Höhepunkts der Reflation im zweiten Quartal deckt. In den USA und in Europa dürfte die Teuerungsrate unter der Zielmarke der Zentralbanken von etwa zwei Prozent bleiben. Gleichzeitig deutet unser Wachstumsindikator für die zweite Jahreshälfte auf ein nüchternes Szenario hin. Er bewegt sich schon seit einiger Zeit nach unten und lässt damit auf einen zyklischen Wendepunkt in der zweiten Jahreshälfte schliessen. Darin spiegelt sich zum einen eine Verlangsamung des chinesischen Wachstums wider, was nicht zuletzt auf die Bemühungen der Chinesischen Volksbank (PBoC) zurückgeht, die Leverage-Risiken einzugrenzen, und zum anderen das enttäuschende Wachstum in den USA, wo die "Trumponomics" bislang für keinerlei Impulse sorgen konnten. Ein Lichtblick bleibt Europa. Dort zeigen sich keine Anzeichen für eine sich verlangsamende Dynamik. Insgesamt erwarten wir für die zweite Jahreshälfte ein enttäuschendes wirtschaftliches Ergebnis, das sich auch in einem schwächer als erwarteten Ertragszuwachs zeigen sollte. Es bleibt dabei: Die Reflation stellt eine kleine Welle dar, aber noch keinen Paradigmenwechsel.
Die Märkte haben sich zuletzt zunehmend sensibel gegenüber den Signalen der Zentralbanken gezeigt. Ist das bereits ein Vorgeschmack auf die zweite Jahreshälfte?
Die Märkte sorgen sich zu Recht mit Blick auf die Zentralbanken. Angesichts eines hohen, aber sich verlangsamenden Wachstums und einer schwachen Inflation würde man nicht erwarten, dass die Zentralbanken die Geldpolitik verschärfen. Aber genau das passiert gerade: Die grossen Zentralbanken senden restriktive Signale aus. Die Fed ebnet den Weg für einen Bilanzabbau und betritt damit das gänzlich unbekannte Terrain einer quantitativen Verschärfung. Dafür gibt es gute Gründe: Die finanziellen Risiken angesichts der hohen Bewertungen sollen begrenzt werden und ebenso die Risikofreude der Anleger. Aber der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik ist auch ein gigantisches Experiment. Das gab es bisher noch nie, und keiner weiss, welche Auswirkungen es haben könnte. In jedem Fall bedeutet eine restriktivere Gangart der Zentralbanken, dass mit der Verlangsamung des Liquiditätswachstums einer der wichtigsten Treiber für viele Anlageklassen entfällt. Mit anderen Worten: Der Markt muss sich nach neuen Wachstumstreibern umsehen, die den Platz des billigen Geldes einnehmen. Angesichts der eingangs beschriebenen schwachen Makrodaten ist es fraglich, wie erfolgreich diese Suche in den kommenden Monaten sein wird.
Schwache Inflation, sich verlangsamendes Wachstum und eine restriktivere Geldpolitik durch die Zentralbanken – das klingt nach einer Herausforderung. Wie wird sich das auf die Märkte in der zweiten Jahreshälfte auswirken?
Schwächer werdende Wirtschaftsdaten, eine Verschärfung seitens der Zentralbanken und hohe Asset-Preise sind unseres Erachtens eine unmögliche Kombination. Von diesen drei Faktoren dürften höchstens zwei bis zum Ende des Jahres bestehen bleiben. Da die wirtschaftlichen Signale durchweg auf eine "Lowflation" hindeuten, lautet die entscheidende Frage für die zweite Jahreshälfte: Wer gibt zuerst nach? Ein risikobereiter Markt, der risikoscheuer wird, oder restriktiv gestimmte Zentralbanker, die es dann doch etwas lockerer angehen lassen? Wahrscheinlicher erscheint uns eine Zunahme der Risikoaversion in der zweiten Jahreshälfte, da Zentralbanker ihren Kurs zumeist nur sehr zögerlich anpassen. Ein Hin und Her zwischen Straffung und Lockerung würde die Zentralbanken für die Zukunft weniger glaubwürdig erscheinen lassen, und ihre Glaubwürdigkeit ist für Zentralbanken ein hohes Gut – hart erarbeitet, leicht zu verlieren. Das bedeutet, die hohen Bewertungen in vielen Anlageklassen dürften angesichts eines unsicheren Makro-Umfelds und eines weniger deutlichen Zentralbank-Schutzes zunehmend in Frage gestellt werden. Die unmögliche Dreierkombination bedarf einer Auflösung und der wahrscheinlichste Ausgang ist höhere Volatilität und weniger Risikobereitschaft in der zweiten Jahreshälfte.
Letztlich könnte auch den Zentralbanken keine andere Möglichkeit bleiben, als nachzugeben und ihre restriktivere Haltung zumindest für eine Weile abzulegen, da sie die schwache Inflation nicht dauerhaft ignorieren können. Dies könnte im dritten Quartal der Fall sein, was die Abwärtstendenz risikoreicherer Anlagen begrenzt.