Larry Hatheway, Chefökonom und Leiter Multi-Asset Portfolio Solutions bei GAM. Mit grosser Vorfreude und voller Hoffnung blickt Larry Hatheway,Chefökonom von GAM auf das neue Jahr. Auf unserem Wunschzettel, der den Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen legt, stehen Dinge, für deren Verwirklichung man etwas Vorstellungskraft und eine ordentliche Portion Glück braucht. 1. Mehr LohngerechtigkeitIn den letzten Jahrzehnten ist das Einkommensgefälle immer grösser geworden, vor allem in den etablierten Volkswirtschaften. Könnte sich diese Tendenz 2016 umkehren? Bei einer Reihe von Faktoren, die für die klaffende Lücke zwischen den (Super-) Reichen und dem Rest verantwortlich sind, ist eine Wende unwahrscheinlich. Dennoch dürfte der Umstand, dass in den USA, Grossbritannien, Deutschland und Japan wieder annähernd eine Vollbeschäftigung erreicht worden ist, steigende Löhne zur Folge haben. Schliesslich hat die Vergangenheit gezeigt, dass ein knappes Arbeitskräfteangebot zu Lohnsteigerungen führt. In den oben erwähnten Staaten ziehen die Reallöhne bereits an. Investoren beklagen möglicherweise den damit verbundenen Druck auf die Unternehmensgewinne, vergessen dabei aber, dass mehr Kaufkraft die Gesamtnachfrage stärkt. Durch die höheren Ausgaben der privaten Haushalte steigen auch die Gewinne der Unternehmen.
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Mit grosser Vorfreude und voller Hoffnung blickt Larry Hatheway,Chefökonom von GAM auf das neue Jahr. Auf unserem Wunschzettel, der den Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen legt, stehen Dinge, für deren Verwirklichung man etwas Vorstellungskraft und eine ordentliche Portion Glück braucht.
1. Mehr Lohngerechtigkeit
In den letzten Jahrzehnten ist das Einkommensgefälle immer grösser geworden, vor allem in den etablierten Volkswirtschaften. Könnte sich diese Tendenz 2016 umkehren? Bei einer Reihe von Faktoren, die für die klaffende Lücke zwischen den (Super-) Reichen und dem Rest verantwortlich sind, ist eine Wende unwahrscheinlich. Dennoch dürfte der Umstand, dass in den USA, Grossbritannien, Deutschland und Japan wieder annähernd eine Vollbeschäftigung erreicht worden ist, steigende Löhne zur Folge haben. Schliesslich hat die Vergangenheit gezeigt, dass ein knappes Arbeitskräfteangebot zu Lohnsteigerungen führt. In den oben erwähnten Staaten ziehen die Reallöhne bereits an. Investoren beklagen möglicherweise den damit verbundenen Druck auf die Unternehmensgewinne, vergessen dabei aber, dass mehr Kaufkraft die Gesamtnachfrage stärkt. Durch die höheren Ausgaben der privaten Haushalte steigen auch die Gewinne der Unternehmen. Wohlhabendere Verbraucher sind auch eine solidere Basis für die Wirtschaftserholung in den USA, in Europa und Japan. Kurzum, etwas mehr Gerechtigkeit würde allen zugutekommen.
2. Ein bisschen mehr Euro, Yen und Renminbi
In den vergangenen 18 Monaten ist der US-Dollar gegenüber fast allen Währungen auf den höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten gestiegen. Aber eine anhaltende Dollaraufwertung liegt möglicherweise nicht im Interesse der ganzen Welt. Stattdessen sollten wir 2016 eher auf Stabilität an den globalen Devisenmärkten hoffen. Eine Währungsschwäche trägt zwar dazu bei, die Inflation anzukurbeln, die in vielen Ländern zu niedrig ist. Doch es ist ein Trugschluss zu glauben, dass sie die Exporte und das Wachstum fördert. Die chronisch schwache globale Nachfrage sorgt dafür, dass bei einer Währungsschwäche das Wachstum und die Gewinne eher umverteilt als gesteigert werden. Eine „Beggar-thy-neighbour“-Politik, mit der man sich auf Kosten des Nachbarn Vorteile zu verschaffen versucht, sollten wir uns weder für 2016 noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt wünschen. Ein stärkerer Dollar könnte sogar den Boden für weitere Belastungen und Instabilität bereiten. Für Rohstoffproduzenten hat er zum Beispiel in der Regel niedrigere Preise und sinkende Erträge zur Folge. Eine weitere Dollaraufwertung könnte auch zu Bedenken hinsichtlich der finanziellen Stabilität führen. Dies wiederum könnte eine Ausweitung der Credit Spreads und potenzielle Liquiditätsengpässe auf den Unternehmens- und Staatsanleihenmärkten nach sich ziehen. Zudem könnte ein stärkerer Dollar auch eine protektionistische Reaktion in den USA auslösen.
3. Mehr echte Ingenieurskunst
Es wäre schön, wenn sich CEOs und CFOs etwas mehr für echte technologische Neuerungen statt für neue finanztechnische Massnahmen interessieren würden. Während richtige unternehmerische Initiativen ausbleiben, deuten Fusionen und Übernahmen aus steuerlichen Gründen, Aktienrückkäufe und selbst Dividendenerhöhungen darauf hin, dass nur ein geringes Mass an Vorstellungskraft, Initiative und Vertrauen auf eine bessere Zukunft vorhanden ist. Fortschritt wurzelt allerdings nicht in Finanzplänen. Geschichte wird von Personen geschrieben, die es wagen, in die Zukunft zu investieren. Hoffen wir also, dass die CEOs 2016 mehr Vertrauen in ihre Belegschaft und ihre Innovationsfähigkeit haben werden. Neue Technologien, vom Internet der Dinge bis zu Big Data, bieten für Wagemutige gute Renditechancen. Grossprojekte erfordern einen hohen Einsatz von menschlichem und physischem Kapital, wenn wir für alle eine bessere Zukunft schaffen wollen. Infrastruktur, kohlenstoffarme Energie und Gesundheitswesen sind gerade einmal drei Bereiche, in denen Innovationen sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft Fortschritte mit sich bringen können. Es ist an der Zeit, dass dies in den Chefetagen ankommt und dort auf echten Wandel gesetzt wird.
4. Konstruktiver Sozialismus
Vor einigen Jahren bat mich der Chairman eines grossen europäischen Unternehmens um meine Meinung zu einem Treffen politischer Entscheidungsträger in den Alpen. Es sollte über den Bedarf an weiteren Investitionen in die öffentliche Infrastruktur diskutiert werden. Ich war von der Idee begeistert, nur ein Punkt missfiel mir. Ich schlug vor, jedem der Teilnehmer ein Paar Turnschuhe zu kaufen und mit ihnen einen Spaziergang von Shoreditch nach Paddington in der Londoner Innenstadt zu machen, statt vor einer prächtigen Bergkulisse Cognac zu schlürfen. So sollte jeder einen persönlichen Eindruck davon bekommen, wie Investitionen in die Infrastruktur – in diesem Fall in das Eisenbahnnetz Crossrail – ganze Stadtviertel und Skylines buchstäblich transformieren können. Denken Sie nur einmal darüber nach, was ein Schienennetz zur Verbindung der fünf New Yorker Stadtteile und des nördlichen New Jersey mit den drei grossen Flughäfen der Region für Vorteile bringen könnte. Oder wie ein modernisierter öffentlicher Nahverkehr in Ballungsräumen von Connecticut bis Kalkutta, von Peking bis Bangkok und von Lagos bis Los Angeles, dazu beitragen könnte, die Mobilität der Menschen zu erhöhen und gleichzeitig die Luftverschmutzung zu verringern. Vielleicht funktioniert der Kapitalismus einfach am besten, wenn man ein wenig konstruktiven Sozialismus beimischt.
5. Gesunder Menschenverstand
Unser letzter Wunsch bezieht sich auf den gesunden Menschenverstand. Wenn Menschen sich als globale Gemeinschaft verstehen, sollte es möglich sein, dass sie die weltweiten Herausforderungen gemeinsam und auf vernünftige Weise zusammen angehen. Der Welthandel ist ein Beispiel dafür. Wie schön wäre es, die festgefahrene Doha-Welthandelsrunde neu zu beleben – etwa mit dem Ziel, den Agrarhandel zu liberalisieren? Dies könnte eine nachhaltige Entwicklung in Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Südasiens anstossen, die bislang im Zuge der Entwicklung der Schwellenländer kaum Beachtung fanden. Es wäre auch die einzige grosse Hoffnung für nachhaltige Verbesserungen des realen Lebensstandards der Ärmsten unter uns. Aber unsere gemeinsamen Träume erstrecken sich auch auf konkrete Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels. Aus Respekt vor unseren Kindern und Enkelkindern müssen wir an das Erbe denken, dass wir ihnen überlassen werden. CO2-Steuern und Handel mit Emissionsrechten sind ein sinnvolles Geschenk für das Gemeinwohl. Den gesunden Menschenverstand sollten wir auch 2016 nutzen.
Autor: jog