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Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Summary:
Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist am Freitag auf 0.58% geklettert, was einen Höchstpunkt seit 18 Monaten verzeichnet.Nach dem Mario Draghi angedeutet hat, dass der Stimulus im Euroraum nicht für ewig gilt, ist die Rendite der 10-jährigen German Bunds in den vergangenen zwei Wochen um 24 Basispunkte gestiegen.Der Auslöser des Rendite-Anstiegs ...

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Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist am Freitag auf 0.58% geklettert, was einen Höchstpunkt seit 18 Monaten verzeichnet.

Nach dem Mario Draghi angedeutet hat, dass der Stimulus im Euroraum nicht für ewig gilt, ist die Rendite der 10-jährigen German Bunds in den vergangenen zwei Wochen um 24 Basispunkte gestiegen.

Der Auslöser des Rendite-Anstiegs war im Grunde genommen die Aussage des EZB-Präsidenten, dass deflationäre Kräfte durch reflationäre Kräfte abgelöst worden seien.

Auf der jährlichen Konferenz der EZB in Sintra, Portugal hat auch die britische Zentralbank (BoE: Bank of England) angekündigt, künftig weniger expansive Geldpolitik zu führen.

Und die EZB könnte nach eigenen Angaben sogar im nächsten Jahr mit dem Tapering (der graduellen Reduktion der Anleihekäufe) beginnen. Derzeit kauft sie Wertpapiere auf dem offenen Markt im Wert von 60 Mrd. EUR pro Monat an. 

Zur Erinnerung: Die Fed kauft seit Ende 2014 keine zusätzlichen Anleihen mehr.

Deshalb nennt die FT aus London das gegenwärtige Geratter auf den Anleihemärkten „Sintra-Pact“: eine koordinierte Verlagerung der Geldpolitik in eine eher „hawkish“e Richtung.

Während die Fed sich auf dem Weg zur geldpolitischen Normalisierung befindet, hätten die koordinierten Massnahmen sicherlich grosse Auswirkungen auf die Wechselkurse auf beiden Seiten des Atlantiks.

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Der „Sintra-Pakt“ und die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit im Anstieg, Graph: FT



Doch ist es zugleich ein offenes Geheimnis, dass die Zentralbanken sich zunehmend Sorgen über die niedrige Volatilität und die hohen Asset-Preise machen.

Denn trotz der expansiven Geldpolitik in unkonventioneller Form bleibt der Inflationsdruck gering, sowohl in den USA als auch im Euroraum. Es gibt kaum Anzeichen, dass die Inflation anzieht.

Die Währungshüter stehen vor einem Rätsel, heisst es öfters in den Schlagzeilen. „Das Thema wird in den Zentralbanken intensiv diskutiert“, sagt Thomas Jordan, Präsident der SNB dazu.

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Der Verlauf der Rendite der Staatsanleihen aus den USA (USD), Deutschland (EUR) und Grossbritannien (GBP), Graph: FT


Ist es aber überhaupt ein Rätsel?

In der VWL-Vorlesung im ersten Semester lernen wir, dass fallende Preise ein Beweis für den Rückgang der Nachfrage sind, und zwar der Nachfrage nach Geld, Arbeit, Gütern & Dienstleistungen. 

Ein Sachverhalt, den jeder beobachten kann, ist, dass der Markt-Fundamentalismus in Europa alle Regierungen verführt hat, sich völlig auf die „unsichtbare Hand“ zu verlassen und an der Ideologie von dem kleinen Staat (small government) zu hängen.

Die daraus folgende Austeritätspolitik hat aber versagt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu animieren und die Beschäftigung zu stützen. Fiscal Austerity hat stattdessen die globale Wirtschaft geschwächt, die Nachfrage gedämpft und deflationäre Kräfte beschleunigt.

Entscheidend ist, vor Augen zu halten, dass die Zinsen nicht durch die Nachfrage nach Ersparnissen ermittelt werden, wie die neoklassische Schule es beschreibt, sonder wie Keynes es mit seiner Theorie der Liquiditätspräferenz erklärt. 

In einer bank-money Wirtschaft sind die Investoren mit einem akkumulierten Überschuss an Kapital nicht auf die Ersparnisse angewiesen. Die Banken können aus dem Nichts (out of thin air) Geld schöpfen. 

Wichtig ist daher nicht die Verfügbarkeit von Ersparnissen, sondern die Funktionsfähigkeit der Kreditnehmer.

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Die schrumpfende Ausgabe der Staatsanleihen, Graph: FT


Der Ankauf von Wertpapieren auf dem offenen Markt durch die Zentralbanken (sog. QE-Politik) ist mit der Kürzung der Staatsausgaben einhergegangen, was zu einer Verknappung von sicheren, liquiden und erstklassigen Staatspapieren (collateral) geführt hat.

Der Versuch, mit der QE-Politik (der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik) die Wirtschaft anzukurbeln, hat einen Mangel an Kollateral (Sicherheiten) ausgelöst.

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken


Die finanziellen Konditionen, Graph: FT


Finanzinstitute, Hedge Funds und Investmentbanken verwenden Kollateral, um sich zu finanzieren oder die überschüssigen Mittel über Nacht anderen Finanzinstituten zu leihen. Die Verknappung von Sicherheiten hat sozusagen die Rohrleitung in der Wirtschaft verstopft.

Der Prozess ging so weit, dass manche Marktteilnehmer bereit waren, Cash gegen Negativzinsen zu tauschen, um im Gegenzug sichere Staatsanleihen als Kollateral zu kriegen. Das heisst nichts anders als dass man anderen Marktteilnehmern für die Anlage von Cash etwas zahlt, um selbst zu sicheren Wertpapieren zu gelangen.

Das „Rätsel“ der Inflation und der „Sintra Pact“ der Zentralbanken

Lohnstückkosten (unit labor cost) im Euroraum, Graph: Heiner Flassbeck in: Makroskop, July 7, 2017.
Wie aus der Abbildung hervorgeht, hat sich der deflationäre Prozess zuletzt kaum verlangsamt.

Das ist vielleicht rätselhaft, aber eher bizarr. Während zu wenig Kreditaufnahme die Geldmenge verringert, entsteht Disinflation oder sogar in bestimmten Fällen Deflation. Das ist entscheidend, und zwar so, dass das Kreditwesen nicht völlig der unsichtbaren Hand überlassen werden darf. 

Die Geldpolitik, die an der zero lower bound an ihre Grenzen gestossen ist, braucht die Unterstützung der Fiskalpolitik. Die öffentliche Hand müsste nun Investitionen in produktive Produkte wie Infrastruktur, Bildung, Umweltschutz usw. lenken. Wer jetzt die Zinsen erhöht, verschlimmert die Notlage der angeschlagenen Volkswirtschaften im Euroraum. 

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