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Mein Jein zur Erbschaftssteuerinitiative

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Marius Brülhart Regelmässigen Lesern dieses Blogs ist vielleicht nicht entgangen, dass ich mich grundsätzlich für das Prinzip Erbschaftsbesteuerung erwärmen kann. Diese Steuer ist im Vergleich zu den meisten anderen Steuerarten verzerrungsarm. Auf besser Deutsch: Sie bremst das Wirtschaftswachstum kaum oder gar nicht. Zudem steigt die Masse der vererbten Vermögen in der Schweiz stetig an und bildet somit einen volkswirtschaftlichen Fluss welcher im Sinne eines umfassend angelegten Steuersystems nicht brachliegen sollte. Schliesslich spricht auch aus der – zugegeben subjektiven – Gerechtigkeitsperspektive vieles für die Erbschaftssteuer: Wenn man denn umverteilen will, dann langt man doch besser bei den Gewinnern der Geburtslotterie zu als bei Leuten, die sich ihr Vermögen im Schweisse ihres Angesichts erarbeitet haben. Die Gegner der Erbschaftssteuerinitiative führen zudem diverse zweifelhafte Argumente ins Feld. Die Geschichte von den gefährdeten Familien-KMU scheint mir völlig überzeichnet. Es sei hier nur daran erinnert, dass die finanzielle Unabhängigkeit von Unternehmenserben wenig zu tun hat mit dem Erhalt der Arbeitsplätze. Und die immer wieder thematisierte Mehrfachbesteuerung ist im Kreislauf der Wirtschaft ein Makel, welches so gut wie jeder Steuer anhaftet.

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Marius Brülhart

Regelmässigen Lesern dieses Blogs ist vielleicht nicht entgangen, dass ich mich grundsätzlich für das Prinzip Erbschaftsbesteuerung erwärmen kann. Diese Steuer ist im Vergleich zu den meisten anderen Steuerarten verzerrungsarm. Auf besser Deutsch: Sie bremst das Wirtschaftswachstum kaum oder gar nicht. Zudem steigt die Masse der vererbten Vermögen in der Schweiz stetig an und bildet somit einen volkswirtschaftlichen Fluss welcher im Sinne eines umfassend angelegten Steuersystems nicht brachliegen sollte. Schliesslich spricht auch aus der – zugegeben subjektiven – Gerechtigkeitsperspektive vieles für die Erbschaftssteuer: Wenn man denn umverteilen will, dann langt man doch besser bei den Gewinnern der Geburtslotterie zu als bei Leuten, die sich ihr Vermögen im Schweisse ihres Angesichts erarbeitet haben.

Die Gegner der Erbschaftssteuerinitiative führen zudem diverse zweifelhafte Argumente ins Feld. Die Geschichte von den gefährdeten Familien-KMU scheint mir völlig überzeichnet. Es sei hier nur daran erinnert, dass die finanzielle Unabhängigkeit von Unternehmenserben wenig zu tun hat mit dem Erhalt der Arbeitsplätze. Und die immer wieder thematisierte Mehrfachbesteuerung ist im Kreislauf der Wirtschaft ein Makel, welches so gut wie jeder Steuer anhaftet. Ein geraumer Anteil der vererbten Vermögenswerte beruht zudem mutmasslich auf Kapitalgewinnen, und solche sind in der Schweiz steuerfrei (leider fehlen uns zur Quantifizierung dieser Vermögensbildungskomponente allerdings verlässliche Schätzungen).

Schliesslich ist auch der Idee einer Nachlass- statt Erbschaftssteuer Gutes abzugewinnen. Direkte Nachkommen sind zu Lebzeiten des Erblassers und durch die gesetzlichen Pflichtteile eh bevorzugt, und es leuchtet nicht ein, wieso sie auch noch steuerlich besser gestellt werden sollte als Erben, die sich durch besondere Leistung verdient gemacht haben; man denke an den treuen Nachbarn oder die sorgsame Altenpflegerin.

Und dennoch kann mich die am Sonntag zur Abstimmung anstehende Initiative nicht überzeugen.

Erstens erachten die Initianten die Erbschaftssteuer so quasi als gerechtigkeitsfördernden Selbstzweck. Egal was mit den Einnahmen passiert scheint es ihnen wünschbar, dass der Vermögenskonzentration Einhalt geboten werde. Ich sehe bisher jedoch noch keine überzeugenden Anzeichen, dass sich die ökonomische Macht in unserem Land zum Schaden des Durchschnittsbürgers in einigen wenigen Dynastien ballen würde. Daten aus anderen Ländern deuten eher darauf hin, dass das Erbvolumen zwar stetig zunimmt, die Erbschaften sich jedoch auch breiter verteilen (Piketty spricht von „petits rentiers“).

Dass mit reinen Verteilungsargumenten in der Schweiz keine Mehrheit zu gewinnen ist, war offensichtlich auch den Initianten klar. Sie schlugen somit vor, die Mehreinnahmen der AHV zukommen zu lassen. Dabei unterliessen sie es jedoch, im Verfassungstext festzuschreiben, dass die Erbschaftssteuereinnahmen eine entsprechende Senkung der AHV-spezifischen Lohn- oder Mehrwertssteuerprozente zu bewirken hätten. Somit ist die Fiskalquotenneutralität nicht garantiert, und wir stimmen nicht bloss über eine einnahmenneutrale Optimierung des Steuersystems ab sondern über eine zumindest potenzielle Erhöhung der gesamten Steuerbelastung.

Schliesslich beschneidet die Initiative unseren Steuerföderalismus. Dieser ist zwar gewiss keine heilige Kuh, hat uns bisher jedoch gut gedient und sollte nur mit grosser Zurückhaltung eingeschränkt werden. Die Befürworter halten die Kantone für unfähig, Erbschaften angemessen zu besteuern, da sie untereinander unter zu starkem Wettbewerbsdruck stehen. Wenn dem so wäre, könnte man eine Übertragung dieser Steuerhoheit auf die Bundesebene durchaus rechtfertigen. Gemäss meiner Forschungsergebnisse jedoch stehen die Kantone bei der Erbschaftssteuer in einem grösstenteils „vermeintlichen“ Steuerwettbewerb. Die Wanderungsreaktionen vermögender älterer Steuerzahler auf Erbschaftssteuerveränderungen sind nämlich schlicht zu klein um aus finanzpolitischer Sicht ins Gewicht zu fallen.

Somit dürften sich einzelne Kantone durchaus überlegen, ob sie die Erbschaftssteuer nicht doch wieder etwas höher ansetzen sollten – beispielsweise als Kompensation für eine Senkung von Vermögens- oder Handänderungssteuern, oder auch im Zusammenhang mit der anstehenden Unternehmenssteuerreform. Wenn der eine oder andere Stimmbürger vor diesem Hintergrund und angesichts der sich abzeichnenden Abfuhr der Vorlage ein taktisches Ja in die Urne legen würde, hätte ich dafür gewisses Verständnis.

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Urs Birchler
Professor für Banking am Institut für Banking und Finance (IBF) an der Universität Zürich. Doktorat in Volkswirtschaftslehre; mehrjährige Tätigkeit als Direktionsmitglied bei der Schweizerischen Nationalbank, einschliesslich Vertretung der SNB im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht; Aufbau und Leitung der Research Task Force des Basler Ausschusses. Forschungsschwerpunkte: Banken, Finanzmärkte, Regulierung, Informationsökonomik.

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