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Die Transatlantische Partnerschaft zwischen Hoffen und Bangen

Summary:
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA (TTIP) ist umstritten. Dieser Beitrag erläutert die Ziele der TTIP, zieht Parallelen zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP) und stellt die Frage, ob solche Mega-Verträge für die Handelstreibenden nachvollziehbar sind. Nach Ansicht der EU-Kommission wird sich die Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA (TTIP) wie ein Konjunkturprogramm auswirken und in der Europäischen Union einen wirtschaftlichen Wachstumsschub im Ausmass von jährlich 0.5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) oder von rund 500 € pro Haushalt auslösen. Amerikanische Berechnungen sprechen – nicht weniger tendenziös – von einem potenziellen BIP-Wachstum von "statistisch irrelevanten 0.06 Prozent[ a ]". Unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen fürchten die EU-Konsumentenorganisationen um die bisherige Vorsorgepolitik Europas. Die Verbraucherorganisationen sorgen sich um den Erhalt der heutigen Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen. Und die Umweltschutzvertreter sehen im Schlichtungswesen nach dem "Investor-zu-Staat"-Prinzip das Entstehen einer Parallel-Justiz auf Kosten des Umweltschutzes. Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA finden hinter geschlossenen Türen statt.

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Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA (TTIP) ist umstritten. Dieser Beitrag erläutert die Ziele der TTIP, zieht Parallelen zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP) und stellt die Frage, ob solche Mega-Verträge für die Handelstreibenden nachvollziehbar sind.

Nach Ansicht der EU-Kommission wird sich die Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA (TTIP) wie ein Konjunkturprogramm auswirken und in der Europäischen Union einen wirtschaftlichen Wachstumsschub im Ausmass von jährlich 0.5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) oder von rund 500 € pro Haushalt auslösen. Amerikanische Berechnungen sprechen – nicht weniger tendenziös – von einem potenziellen BIP-Wachstum von "statistisch irrelevanten 0.06 Prozent[ a ]". Unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen fürchten die EU-Konsumentenorganisationen um die bisherige Vorsorgepolitik Europas. Die Verbraucherorganisationen sorgen sich um den Erhalt der heutigen Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen. Und die Umweltschutzvertreter sehen im Schlichtungswesen nach dem "Investor-zu-Staat"-Prinzip das Entstehen einer Parallel-Justiz auf Kosten des Umweltschutzes.

Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA finden hinter geschlossenen Türen statt. Indessen lassen erste Veröffentlichungen wie das Verhandlungsmandat der EU, der Abkommensentwurf "on trade in services, investment and electronic commerce", die Textvorschläge zu Gesundheit und technischer Sicherheit sowie das "Konzept Papier" zu den Direktinvestitionen ahnen, welche Ziele die EU-US-Verhandlungen verfolgen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich zwischen den transatlantischen Verhandlungen und der von den USA und weiteren elf Staaten im Februar 2016 unterzeichneten Transpazifischen Partnerschaft (TPP).

Die folgenden Ausführungen behandeln die einzelnen Themen in der Reihenfolge des EU-Verhandlungsmandats: Zollpolitik und Warenhandel, Dienstleistungen, direkte Investitionen, öffentliche Beschaffung sowie Gesundheit und technische Sicherheit.

Zollpolitik und Warenhandel

Das Ziel der EU-US-Verhandlungen ist die Schaffung einer Zollgemeinschaft mit individuellen Aussenzolltarifen und gegenseitigem Freihandel für Ursprungsprodukte (im Gegensatz zu einer Zollunion).

Im industriellen Güterbereich wird die Realisierung einer transatlantischen Zollgemeinschaft relativ einfach sein. Sowohl in der EU als auch in den USA ist im Verlauf der bisherigen GATT- und WTO-Verhandlungen rund die Hälfte aller Zollpositionen vollständig abgebaut worden. Die restlichen Tarife liegen mehrheitlich unter 5 Prozent. Die noch geltenden Ausnahmen betreffen Leder (Schuhe und Taschen), Bekleidung, Textilien sowie Fahrzeuge und Autozubehör. Der Agrar- und Nahrungsmittelhandel weist unterschiedlich hohe Zollabgaben auf. Die EU belastet alkoholische Getränke und Tabak mit durchschnittlich 14 Prozent Zoll, die USA mit über 80 Prozent. Beträgt der Importzoll für Fleisch in der EU 8 Prozent, liegt er in den USA bei 0.8 Prozent usw.

Im Vergleich mit dem Pazifischen Markt, in dem 18'000 Zölle des industriellen Güterhandels aufgehoben wurden, und die USA zudem die Grenzabgaben auf "almost all U.S. farm products" beseitigt haben, ist anzunehmen, dass auch in der EU-US-Partnerschaft ein zollfreier Markt realisierbar ist.

Dienstleistungen

In wohl keinem anderen Vertragsbereich widersprechen sich die vorgetragenen Liberalisierungsabsichten und die gleichzeitigen Vorbehalte so markant wie im Dienstleistungshandel. Das EU-Mandat verspricht in Ziff. 15ff. das höchste Liberalisierungsniveau und die Erfassung aller Erbringungsarten. Ungeachtet dieser Forderungen verlangt das Mandat, "der Sensibilität bestimmter Sektoren Rechnung zu tragen", die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung zu garantieren sowie Dienstleistungen in Ausübung hoheitlicher Gewalt und die audiovisuellen Dienste von den Verhandlungen auszunehmen.

Ein ähnliches Konzept verfolgt das Pazifische Abkommen. Einerseits verpflichtet dessen Kap. 10 seine Partner, die Dienstleistungen im Sinne des Allgemeinen Dienstleistungsabkommens der WTO zu liberalisieren und die Prinzipien der Meistbegünstigung und der Inländergleichbehandlung zu beachten. Andererseits enthalten die anschliessenden TPP-Bestimmungen, ungeachtet der vorangehenden euphemistisch geprägten Liberalisierungszugeständnisse, eine fast unübersehbare Vielzahl von Ausnahmen, angefangen bei den Finanzdienstleistungen, der öffentlichen Versorgung und staatlichen Beschaffung bis hin zu den Luftverkehrsleistungen und Reservationssystemen.

Direkte Investitionen

Eine weltweite Investitionsregelung im Sinne der WTO-Ordnung für Handelsgüter und Dienstleistungen existiert zurzeit nicht. Viele Länder unterhalten eine Vielzahl bilateraler Investitionsschutzabkommen. Zwischen der EU und den USA ist aber bis heute keine Investitionsvereinbarung zustande gekommen, obwohl die gegenseitigen Investitionen 30 bis 40 Prozent ihrer totalen Auslandinvestitionen ausmachen. Gemäss EU-Mandat haben die künftigen Investitionsbestimmungen wie bis anhin mit der in den beiden Ländern verfolgten Sozial- und Umweltschutzpolitik sowie der öffentlichen Gesundheits- und Sicherheitspolitik übereinzustimmmen. Die EU verlangt zudem eine Neuregelung des Streitschlichtungsmechanismus. Gemäss "Greenpeace-Paper" vom März 2016 sind die USA aber nicht bereit, die privaten Schiedsgerichte zur Schlichtung von Streitfällen zwischen den Investoren und den Staaten durch ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes EU-US-Gerichtsystem zu ersetzen.

Ein Vergleich mit dem Pazifischen Abkommen mag auch in diesem Bereich von Interesse sein. In Kap. 19 des Pazifischen Partnerschaftsabkommens nimmt die Investitions-Streitschlichtung einen breiten Raum ein. Der Vertrag bestimmt, dass bei Streitigkeiten zwischen einem TPP-Investor und einem TPP-Gaststaat in erster Linie bereits bestehende Schlichtungsstellen wie die der Weltbank (ICSID) und der UNO (UNCITRAL) anzurufen sind. Bei Nichteinigung steht den Parteien das Recht zu, private Stellen zu schaffen. Dabei verlangt das Abkommen, dass die Schiedsrichter neutral sind und nicht aus dem Umfeld der Streitparteien stammen. Es ist anzunehmen, dass die US-Forderungen im Rahmen der EU-US-Partnerschaft in diese Richtung gehen.

Öffentliche Beschaffung

Sowohl die EU als auch die USA sind zurzeit zusammen mit weiteren 15 WTO-Mitgliedern Partner des plurilateralen WTO-Abkommens über die öffentliche Beschaffung. Das Abkommen trat 1984 in Kraft, ging 1996 ins WTO-Vertragswerk ein und liegt heute in der Fassung vom 7. April 2014 vor. Auf Grund der bisherigen Verlautbarungen ist davon auszugehen, dass die TTIP-Verhandlungen kaum über die bisherigen WTO-Zugeständnisse hinausreichen werden. Auch ist damit zu rechnen, dass die USA, analog zu ihren bisherigen Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, nicht bereit sind, von ihren Sonderbestimmungen abzuweichen (Buy American Act 1933, US-Berry Amendment 1941 und Buy America Act 1983).

Die Transpazifische Partnerschaft lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie der Transatlantische Vertrag die öffentliche Beschaffung regelt. Im TPP werden die Schwellenwerte, ab denen die Güter, Dienste und Bauaufträge für TPP-Anbieter auszuschreiben sind, je nach wirtschaftlichem Entwicklungsstand des Landes differenziert. So gilt beispielsweise in Vietnam für Güter und Dienste während der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags ein Schwellenwert von 2 Mio. SZR , in den anschliessenden fünf Jahren 1.5 Mio. SZR usw. Der für andere TPP-Partner geltende Schwellenwert von 130‘000 SZR tritt für Vietnam nach 25 Jahren in Kraft.

Gesundheit und technische Sicherheit

Ziff. 25 des EU-Mandats verlangt von den transatlantischen Partnern, die vom Rat im Februar 1995 angenommenen Verhandlungsrichtlinien einzuhalten. Das heisst, die künftigen EU-US-Vereinbarungen sind auf die WTO-Abkommen der Gesundheit und der technischen Sicherheit sowie das 1999 zwischen der EU und den USA abgeschlossene Veterinärabkommen abzustimmen.

Im Gesundheitswesen stellt sich das Problem einer gemeinsamen Agrar- und Nahrungsmittelpolitik. Die EU verfolgt seit Jahren eine eigenständige Vorsorgepolitik ("precautionary principles") und erachtet es als fragwürdig, die wissenschaftlich gesicherten Produktionsfördermittel und Frischhaltemethoden der USA zuzulassen. Bei den technischen Sicherheitsbestimmungen handelt es sich um technische Vorschriften und Normen und die damit verbundenen Kontrollkosten von schätzungsweise 20 bis 100 Prozent des Warenwerts.

Nach heutigem Wissensstand gilt als gesichert, dass es in den Verhandlungen zwischen der EU und den USA nicht darum geht, die unterschiedlichen EU-US-Systeme aufeinander abzustimmen, oder wie die EU-"High Level Working Group" festhält, dass ein Partner sein System dem anderen Partner aufdrängt oder ein System gegenüber dem anderen bevorzugt. Das Ziel ist vielmehr, die in den einzelnen Partnern geltenden Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen gegenseitig anzuerkennen. Wie die Strategie der gegenseitigen Anerkennung vertraglich umgesetzt werden kann, verdeutlichen die Kap. 7 und 8 des Pazifischen Abkommens.

… und was bleibt, ist ein ungutes Gefühl

Ein Vergleich zwischen dem bereits unterzeichneten Pazifischen und dem zurzeit in Verhandlung stehenden Transatlantischen Handelsabkommen lässt befürchten, dass analog zur über 3000 Seiten starken Pazifischen Vereinbarung ein nicht weniger umfangreicher Transatlantischer Vertrag entsteht. Damit stellt sich die bange Frage, ob die gegenwärtigen Verhandlungen nicht zu einem aussenhandelspolitischen Regelwerk ausarten, das zwar des Lobes der Politiker sicher ist, aber nur noch von wenigen Fachleuten verstanden wird. Für die Handeltreibenden im In- und Ausland, die Zollbeamten an der Grenze sowie die Konsumierenden besteht die grosse Gefahr, dass über solche Mega-Verträge regionale Handelsordnungen entstehen, die sie kaum mehr zu meistern in der Lage sind.

Senti, Richar (2015): "TTIP: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA[ b ]", DIKE Verlag, Zürich.

©KOF ETH Zürich, 3. Jun. 2016

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