Aktuell wird heftig über die Abschaffung des deutschen Solidaritätszuschlags diskutiert. Wir lassen zwei Ökonomen zu Wort kommen, die dazu ganz unterschiedliche Haltungen vertreten. Andreas Peichl spricht sich im ersten Beitrag für eine Abschaffung verbunden mit einer Begrenzung der Steuerabsetzungsmöglichkeiten aus. Stefan Bach's Contra Votum folgt am Dienstag, 24. September auf der Ökonomenstimme. Der Solidaritätszuschlag in der heutigen Form wurde 1993 durch das „Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG“ eingeführt. Ab 1995 diente er dazu, die Deutsche Einheit zu finanzieren. Anders als beim 1991 eingeführten Soli für die Finanzierung des Golfkriegs 1992/1993, wurde ab 1995 auf eine Befristung verzichtet. Gleichwohl wurde immer wieder der temporäre
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Aktuell wird heftig über die Abschaffung des deutschen Solidaritätszuschlags diskutiert. Wir lassen zwei Ökonomen zu Wort kommen, die dazu ganz unterschiedliche Haltungen vertreten. Andreas Peichl spricht sich im ersten Beitrag für eine Abschaffung verbunden mit einer Begrenzung der Steuerabsetzungsmöglichkeiten aus.
Stefan Bach's Contra Votum folgt am Dienstag, 24. September auf der Ökonomenstimme.
Der Solidaritätszuschlag in der heutigen Form wurde 1993 durch das „Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG“ eingeführt. Ab 1995 diente er dazu, die Deutsche Einheit zu finanzieren. Anders als beim 1991 eingeführten Soli für die Finanzierung des Golfkriegs 1992/1993, wurde ab 1995 auf eine Befristung verzichtet. Gleichwohl wurde immer wieder der temporäre Charakter der Ergänzungsabgabe hervorgehoben. Im Protokoll des Finanzausschusses, der mit Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD für das FKPG gestimmt hat, heißt es jedenfalls: „Die Koalitionsfraktionen hielten eine Befristung auf drei Jahre für wünschenswert […]. Die Fraktion der SPD hielt demgegenüber zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine konkrete Befristung nicht für sinnvoll. Sie hat mit den Koalitionsfraktionen aber darin übereingestimmt, daß die Natur des Solidaritätszuschlags als eine Ergänzungsabgabe, die aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auf Dauer erhoben werden könne, für eine Befristung spreche.“ Auch aus diesem Grund gibt es unter Juristen die Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Legitimation des Solis knapp 30 Jahre nach Vollendung der Deutschen Einheit mehr als fraglich ist.
Wie soll der Solidaritätsbeitrag kompensiert werden?
Insofern ist eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags unumgänglich! Man könnte jedoch im Gegenzug die Steuersätze in der Einkommensteuer anpassen – wenn man die höchsten Einkommen nicht (vollständig) entlasten will. Dies ist in der (politischen) Praxis jedoch nicht so einfach. Die juristische Grundlage des Solis liegt in der Finanzverfassungsreform von 1955, die es dem Bund ermöglichte, Ergänzungsabgaben zu erheben. Das Aufkommen steht allein dem Bund zu. Daher bedarf eine Reform des Solidaritätszuschlaggesetzes auch nicht der Zustimmung des Bundesrats. Die hieraus resultierenden politökonomischen Gründe im deutschen Föderalismus sind es auch, die eine vollständige Abschaffung des Solis bisher verhindern. Würde man ihn beispielsweise (aufkommensneutral) in die Einkommensteuer integrieren, so erhielte der Bund nur noch 42,5% der Einnahmen. Der Rest ginge an Länder und Gemeinden.
Die starke Konzentration des „RestSolis“ auf hohe Einkommen wirft zudem Fragen der Steuergerechtigkeit auf. In der Begründung der Teilabschaffung heißt es, dass „kleine und mittlere Einkommen“ entlastet werden sollen – was sehr zu begrüßen ist. Die wirklich „kleinen“ Einkommen zahlen jedoch weder Einkommensteuer noch Soli, sondern erhalten Transfers. Dort sind die Abschöpfungsraten bei Hinzuverdienst doppelt so hoch wie Einkommensteuer und Soli für Spitzenverdiener. Hier besteht tatsächlich dringender Reformbedarf und eine entsprechende Reform würde nicht nur die Verteilungsgerechtigkeit fördern, sondern wäre auch wachstumssteigernd. Was will man eigentlich mehr? Aber das ist ein anderes Thema, denn die TeilAbschaffung des Soli hilft den wirklich kleinen Einkommen nicht.
Begrenzung der Absetzungsmöglichkeiten als mögliche Ersatzlösung
Wir haben in Deutschland eines der kompliziertesten Steuer und Transfersysteme der Welt. Dieses Gesamtsystem komplett zu überarbeiten (z.?B. die über 500 Absetzungsmöglichkeiten oder die mehr als 150 steuer und abgabenfinanzierten Transferleistungen) ist längst überfällig – aber leider unrealistisch. Dieses System bietet jedoch eine elegante Möglichkeit, den Soli komplett abzuschaffen und dabei weder die (Spitzen)Steuersätze der Einkommensteuer zu erhöhen noch die Reichsten 23% zu entlasten: durch eine Begrenzung der Absetzungsmöglichkeiten, die sehr stark auf hohe Einkommen konzentriert sind. Ökonomisch spricht viel für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Absenkung der Steuersätze. Und politisch könnte dies dazu führen, dass (fast) alle Parteien ihr Gesicht wahren.
Dieser Beitrag ist ebenfalls beim Wirtschaftsdienst[ a ] erschienen.
©KOF ETH Zürich, 23. Sep. 2019