Der Publizist und Medienmanager Gabor Steingart diagnostiziert in seinem „Morning Briefing“-Podcast vom Dienstag (9.7.) eine beunruhigende Entwicklung an den Finanzmärkten. Üblicherweise gelten Aktienkurse und ihre Entwicklungen als Indikatoren für die Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft. Derzeit entwickle sich die Realwirtschaft jedoch in eine diametral entgegengesetzte Richtung. „Finanzmarkt und Realwirtschaft haben sich entkoppelt“, erklärt Steingart und sieht eine „Augenblicksgier“ aufseiten der Akteure: Die Börsen sind der Augenblicksgier verfallen. Sie begannen nach der Injektion immer neuer Billionen durch die Notenbanken ein Leben im Virtuellen.“ Die Aussichten für die Realwirtschaft hingegen seien durchwachsener denn je. Im Juni rutschte der ifo Geschäftsklimaindex auf den
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Der Publizist und Medienmanager Gabor Steingart diagnostiziert in seinem „Morning Briefing“-Podcast vom Dienstag (9.7.) eine beunruhigende Entwicklung an den Finanzmärkten. Üblicherweise gelten Aktienkurse und ihre Entwicklungen als Indikatoren für die Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft.
Derzeit entwickle sich die Realwirtschaft jedoch in eine diametral entgegengesetzte Richtung. „Finanzmarkt und Realwirtschaft haben sich entkoppelt“, erklärt Steingart und sieht eine „Augenblicksgier“ aufseiten der Akteure:
Die Börsen sind der Augenblicksgier verfallen. Sie begannen nach der Injektion immer neuer Billionen durch die Notenbanken ein Leben im Virtuellen.“
Die Aussichten für die Realwirtschaft hingegen seien durchwachsener denn je. Im Juni rutschte der ifo Geschäftsklimaindex auf den tiefsten Stand seit Ende 2014. Die deutsche Wirtschaft stagniert, für den früheren Wachstumsmotor China erwartet der IWF das geringste Wachstum seit 30 Jahren. Die deutsche Industrie hatte im Mai ein Auftragsminus von 8,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zu verzeichnen.
Steingart: „Zentralbankpolitik nährt Illusionen“
Dennoch legte der DAX seit Jahresbeginn um 18,5 Prozent zu, der Dow Jones um 14 und der chinesische SSE Composite in Shanghai um 22 Prozent.
Steingart beschuldigt in diesem Zusammenhang die Zentralbanken, Illusionen zu nähren. Die Bilanzsummen der großen vier Zentralbanken – Fed, EZB und die Notenbanken in Großbritannien und Japan – seien mit 19,6 Billionen US-Dollar fast so groß wie die jährliche Wirtschaftsleistung der USA. Durch das zusätzliche Notenbank-Geld sei so „de facto eine große Wirtschaftsnation hinzugekommen“. Der Publizist wittert ein überdimensionales Potemkin’sches Dorf:
„Seit der Finanzkrise 2009 und verstärkt seit 2011 schaffen die Fed und die EZB, aber auch die Notenbanken in Japan und Großbritannien, mit künstlichem Notenbankgeld – also Banknoten, denen kein realer Wert gegenübersteht – die beste Börsenkonjunktur, die man für Geld kaufen kann.“
Fondsmanager und Buchautor Dirk Müller sieht im Gespräch mit Steingart ebenfalls, dass sich die Aktienmärkte von der Realwirtschaft entkoppeln. Dies geschehe von Zeit zu Zeit immer wieder, derzeit vollziehe sich dies jedoch in einer „außergewöhnlichen Dynamik“. Allerdings sei auch das, was sich konjunkturtechnisch abzeichne, und was nicht positiv sei, mit einer hohen Dynamik versehen.
Müller weist darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft mittlerweile schon über 40 Quartale gewachsen sei, was eine der längsten Aufstiegsperioden seit langer Zeit darstelle. Deshalb sei die Zeit schon länger reif für Gegenbewegung. Dazu kämen noch der Handelskrieg und die konjunkturellen Signale.
Situation läuft jeder Börsenweisheit der letzten 100 Jahre zuwider
Der Börsenexperte spricht von „massiv manipulierten Märkten“, zu den auch die Großinvestoren selbst beitrügen. „Wenn Black Rock kauft, gehen die Märkte eben nicht runter“, erklärt Müller. Zusätzlich trügen Politik und Notenbanken in erheblichem Maße dazu bei, sie zu stabilisieren. Darüber, wie lange das aufrechterhalten wird, darüber kann man nur spekulieren.
Dass es erstmals weltweit gleichzeitig eine rückläufige Konjunktur gäbe, amerikanische Finanzvorstände von einer Rezession spätestens Ende 2020 ausgingen und sich die Aktienkurse trotzdem nach oben bewegten, sei, so Müller, eine „völlig perverse Situation“. Eigentlich sollten sich die Kurse an den Erfolgsaussichten und dem Cash-Flow der Unternehmen orientieren.
Als Treiber hinter Aktienkursen sieht „Mr. DAX“ nicht allein die Niedrig- oder Nullzinspolitik in Europa und auch den USA oder Anleihen-Aufkaufprogramme aller Art, sondern auch Aktienkäufe und vor allem Aktienrückkaufsprogramme – laut Müller „die größten, die in Amerika vonstattengehen“, und weiter mit aufsteigendem Trend. Aktien gerade der Großkonzerne würden zurzeit zurückgekauft.
Müller will dennoch Neulingen an der Börse nicht pauschal davon abraten, von einem Einstieg Abstand zu nehmen. Die Entwicklung auf den stark manipulierten Märkten könne noch über eine ganze Weile so weiterlaufen. Man wisse nicht, wie lange, vielleicht noch über Jahre. Da die Märkte aber manipuliert wären, könne diese Phase auch jederzeit abrupt enden. Aber es lasse sich sagen, dass „kein Wirtschaftsbuch der letzten 100 Jahre eine Konstellation wie die derzeitige“ habe erahnen lassen.