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Ist unser Geldsystem etwa doch teuflisch?

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In seinem Standpunkt „Wie entsteht Geld“ (Inside Paradeplatz vom 31.5.2017) bekräftigt Marc Meyer seine These, dass die herrschende Geldschöpfungstheorie grundlegend falsch sei, weil sie auf Goethes Mephisto basiere. Schon vor vielen Jahren hat sich Meyer für eine alternative Theorie der Geldschöpfung eingesetzt. Dass er deswegen seine Stelle verlor und ein Leben lang vom Arbeitsmarkt der Banken ausgeschlossen wurde, ist ein Skandal. Es ist in der Tat so, dass die SNB – zumindest in früheren Zeiten – jegliche Kritik mit harten Bandagen zu unterdrücken versuchte und damit offensichtlich auch zweifelhaften Erfolg hatte. Der Schreibende selbst hatte Glück, dass sein SNB-kritisierender NZZ-Artikel im Jahr 1985 bloss

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Christoph Zenger considers the following as important: , , , , ,

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In seinem Standpunkt „Wie entsteht Geld“ (Inside Paradeplatz vom 31.5.2017) bekräftigt Marc Meyer seine These, dass die herrschende Geldschöpfungstheorie grundlegend falsch sei, weil sie auf Goethes Mephisto basiere. Schon vor vielen Jahren hat sich Meyer für eine alternative Theorie der Geldschöpfung eingesetzt. Dass er deswegen seine Stelle verlor und ein Leben lang vom Arbeitsmarkt der Banken ausgeschlossen wurde, ist ein Skandal.

Es ist in der Tat so, dass die SNB – zumindest in früheren Zeiten – jegliche Kritik mit harten Bandagen zu unterdrücken versuchte und damit offensichtlich auch zweifelhaften Erfolg hatte. Der Schreibende selbst hatte Glück, dass sein SNB-kritisierender NZZ-Artikel im Jahr 1985 bloss einen scharfen Verweis und nicht auch eine Entlassung zur Folge hatte. Die SNB intervenierte damals bei der alten SBG ganz oben, aber sie forderte offensichtlich und glücklicherweise nicht den Kopf des harmlosen Assistenten des Chefökonomen.

Es gibt heute weiterhin eine vielleicht etwas subtilere Art von Meinungsunterdrückung – nicht nur bei der Frage der Geldschöpfung. Unliebsame Ideen werden von den Medien oft von einer Publikation ausgeschlossen. Das beraubt den Leser und Bürger einer freien Meinungsbildung.

Autoritäres Wissensgehabe oder zensurähnliche Beschneidungen der freien Meinungsäusserung zum Schutz der angeblich „wahren“ Sicht nagen am Fundament einer freiheitlichen Ordnung. Der Bürger will alle Aspekte eines Themas klar und deutlich auf den Tisch gelegt bekommen, um sich auf dieser Basis seine eigene Meinung und Überzeugung bilden zu können. Wer diese Konkurrenz der Ideen zu beschneiden versucht, macht sich eines Angriffs auf die Demokratie schuldig. Das gilt selbst für die zugegebenermassen schwierige Suche nach der „richtigen“ Geldschöpfungstheorie.

„Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben“ (André Gide).

Deshalb ist es äusserst begrüssenswert, dass Inside Paradeplatz vom Mainstream abweichende Meinungen zulässt und selber auch vertritt. Das hebt sich wohltuend von einem anderen Portal ab, welches Autoren von einer Publikation ausschliesst, die ihre Artikel in gewissen Medien platzieren. Kaum zu glauben, dass es in der heutigen Zeit nicht nur eine Beschneidung der Meinungen, sondern sogar eine Art „stalinistische Säuberung“ der Autoren gibt.

So schlimm ist es bei der NZZ zum Glück bei Weitem nicht. Sie hat meinen Artikel „Wie sicher ist die Schweizer Nationalbank?“ abgelehnt. Das ist ihr Recht. Allerdings dürfte eine Ablehnung freundlicherweise doch etwas besser begründet werden als: „Er (der Artikel) enthält zweifellos interessante Gesichtspunkte. Wir sind dennoch zum Schluss gekommen, von einer Publikation abzusehen.“ Interessanterweise wurde der offene Brief ähnlichen Inhaltes dagegen in Form eines Inserates zugelassen, obwohl sich die Redaktion jeweils das ausdrückliche Recht vorbehält, ein Inserat abzulehnen. Das ist der Glaubwürdigkeit nicht gerade förderlich.

Auf der Suche nach der „richtigen“ Geldschöpfungstheorie möchte ich im Folgenden die Gemeinsamkeiten und die Differenzen zwischen den Ansichten von Meyer und mir herausschälen.

Ist unser Geldsystem etwa doch teuflisch?

Wir sind uns absolut einig, dass das Buchgeld der Banken durch Kredit entsteht.

Meyer schreibt zu Recht: „Geld entsteht dadurch, indem eine Bank einem Kunden Kredit gewährt und dem Kunden den Betrag dafür auf dessen Konto gutschreibt. Dieser gutgeschriebene Betrag ist Geld.“ Diese Einsicht von Meyer widersprach der gängigen Lehre, die ich an der Universität über mich habe ergehen lassen müssen. Uns wurde damals (und möglicherweise auch den Studenten von heute) die „Märli“-Theorie vom Geldmultiplikator eingetrichtert – wir Naivlinge glaubten sie und meinten zu wissen.

„Es entsteht also nicht Geld, indem die Zentralbank einen Kredit an die Banken gibt, den diese immer weiter und weiter ausleihen (Multiplikator), wie es in allen Lehrbüchern behauptet wird. Nein. Geld entsteht bei jeder neuen Kreditvergabe.“ Dass Meyer wegen diesem, zur damaligen Zeit höchst ketzerischen, aber ebenso zutreffenden Gedanken seine Stelle verlor und bei den Banken keine mehr fand, erinnert an Galileo Galilei, der gesagt haben soll: „Und sie dreht sich doch“. Es ist äusserst bewundernswert, dass Meyer sich von all diesen Hindernissen nicht von seiner Überzeugung abbringen liess. Hut ab.

Wir sind uns auch vollkommen einig, wenn Meyer schreibt: „Eine Ausnahme bilden die heutigen Münzen ohne wertvollen Metallgehalt. Diese werden von der Münzprägestätte „Swissmint“ an die SNB verkauft. Das führt zu einem Gewinn, da sie teurer verkauft werden als ihre Prägungskosten sind. (…) Die Münzen sind aufgrund der Staatsmacht, die dahintersteht, mehr wert als ihr Metallgehalt.“

Ab diesem Punkt beginnt nun das Crescendo unserer Differenzen: Münzen sind Geld, das ohne Kredit entsteht und demzufolge schuldenfrei ist. Sie sind damit klassisches Vollgeld (oder Helikoptergeld) und fast FIAT-Geld (fast, weil sie doch etwas kosten und nicht aus dem absoluten Nichts geschaffen werden).

Wenn der Bund die Banknoten ebenso der SNB verkaufen würde wie die Münzen (und ihr nicht das Notenemissionsmonopol abgetreten hätte), dann wären auch die Noten Vollgeld und der Münzgewinn des Bundes würde sich um den Notengewinn erhöhen.

Gemäss dem verfassungsmässig statuierten Geldmonopol hätte der Bund eigentlich auch die Buchgeldemission in seine Hände nehmen müssen und nicht den Banken überlassen sollen. „Das Recht zur Ausgabe von Banknoten und anderen gleichartigen Geldzeichen steht ausschliesslich dem Bund zu“ (Volksabstimmung über die Revision von Art. 39 der Bundesverfassung im Jahre 1891).

Mit ihrem Giralgeld, das zwar nicht gedruckt aber immerhin gebucht wird, haben die Banken unsere Bundesverfassung ausgehebelt, ohne dass sich je ein Politiker für uns Bürger zur verfassungsmässigen Wehr gesetzt hätte. Im Gegenteil – bei der Revision der Bundesverfassung von 1999 wurde der Passus „und anderen gleichartigen Geldzeichen“ klammheimlich aus dem Artikel gestrichen.

Ganz besonders stossend und teuflisch ist, dass die Banken dieses Geld einzig und allein mit dem Versprechen emittieren, dass sie es bei Bedarf in gesetzliche Zahlungsmittel wandeln würden. Bankenbuchgeld ist zwar Geld, aber eben nicht gesetzliches Zahlungsmittel, und es ist nicht einzusehen, warum der Staat ein solches Versprechen als Steuerzahlung überhaupt akzeptiert und es so ohne irgendwelche verfassungsmässige Grundlage zumindest implizit zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel erhebt.

Der Staat wie die Banken wissen nämlich ganz genau, dass letztere eine solche Umwandlung nur in „normalen“ Zeiten vollziehen können. Bei ganz grossen Schocks und entsprechend hohem Umwandlungsbedarf ist dies unmöglich, weshalb unser Geldsystem inhärent instabil ist. Eine massive Buchgeldvernichtung mit einer Depression à la 1920iger Jahre ist jederzeit wieder möglich – trotz oder gerade wegen der teuflischen Verstrickung von Staat und Banken.

Das entsprechende Gefahrenpotenzial ist enorm, denn heute besteht die Geldmenge zu 90 Prozent aus Bankenbuchgeld. Es sind deshalb letztlich die Banken, die die „Geldpolitik“ betreiben und nicht die Notenbanken, auch wenn uns Bürgern das Gegenteil vorgegaukelt wird.

Der Bund hätte das Buchgeld auf die gleiche Art und Weise wie die Münzen emittieren können, ja sogar müssen. Dann wäre es ebenso Vollgeld und reines FIAT-Geld (weil dessen Produktion wirklich fast nichts kostet). Es hätte keinen inneren Wert und wäre wie die Münzen einzig durch die Staatsmacht, die dahinter steht, „garantiert“ respektive durch die Marktmacht des Bundes und seine Möglichkeit, das gesetzliche Zahlungsmittel zu definieren und für Steuerzahlungen zuzulassen oder nicht.

„(…) so entstünde bei einer Geldemission eine ‚Seignorage‘ von sagen wir 999,7 bei einer Tausendernote mit 30 Rappen Druckkosten. Das Eigenkapital würde entsprechend steigen“, schreibt Meyer in seinem Nachtrag zu meinem offenen Brief. Und damit bin ich wieder vollkommen einverstanden.

Ich bin sogar damit einverstanden, auf Mephisto reingefallen zu sein, obwohl ich Goethe (leider) nicht gelesen habe. Unser Geldsystem ist mephistisch oder eben teuflisch. Wir alle sind seine Opfer. Das heutige Geld kommt in der Tat aus dem Nichts, weshalb wir dessen Produktion auch nicht der Privatwirtschaft überlassen dürfen. Bei Produktionskosten von annähernd Null würde bei rein kompetitiven Verhältnissen praktisch unendlich viel Geld gedruckt, was unweigerlich zu einer Hyperinflation führen würde. Es braucht eine staatliche Institution, die der Geldemission Grenzen setzt.

So teuflisch unser Geldsystem auch ist, ein Göttliches gibt es leider nicht. Wer sich den inneren Wert des damaligen Goldgeldes herbeiwünscht, vergisst, dass das Geldmengenkleid für eine Wirtschaft auch zu klein sein kann. Die grosse Depression der 1920iger Jahre war eine direkte Folge des durch den Goldstandard herbeigeführten Geldmangels. Wahrlich ein noch teuflischeres Geldsystem.

In einer mephistischen Geldordnung – wie wir sie heute in der Tat haben – werfen Noten und Giroguthaben systematisch Seignorage ab, welche zu Eigenkapital wird. Wenn die SNB diese Ansicht ebenso klar vertritt („Braucht die Schweizerische Nationalbank Eigenkapital?“ Referat von Thomas Jordan, September 2011), dann sollte sie dies ihren Bürgern ehrlicher- und konsequenterweise auch mit der ökonomisch richtigen Eigenkapitalquote von 85 Prozent in ihrer Buchhaltung offenbaren – und nicht mit irgendwelchen Kunstgriffen verschleiern.


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