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ARD und ZDF könnten bald ganz anders aussehen

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Von Carlos A. Gebauer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht. Man kann die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auf zweierlei Art erzählen. Misanthropen sehen ihn als Fortsetzung der staatlichen Zensur, deren Zeilenschwärzer und Bücherbeschlagnahmer vor den Radiowellen kapitulierten und also das Medium selbst besetzten. Philanthropen beschreiben ihn als den Versuch, seriös und ausgewogen das Wahre, Gute und Schöne zu verbreiten. Welcher dieser beiden Theorien man auch huldigen mag: Unbestreitbar ist der pflichtfinanzierte öffentliche Rundfunk in eine schwere Legitimationskrise geraten. In der digitalisierten Welt ist das traditionelle Rundfunkempfangsgerät ebenso entbehrlich geworden wie die

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ARD und ZDF könnten bald ganz anders aussehen

Von Carlos A. Gebauer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht.

Man kann die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auf zweierlei Art erzählen. Misanthropen sehen ihn als Fortsetzung der staatlichen Zensur, deren Zeilenschwärzer und Bücherbeschlagnahmer vor den Radiowellen kapitulierten und also das Medium selbst besetzten. Philanthropen beschreiben ihn als den Versuch, seriös und ausgewogen das Wahre, Gute und Schöne zu verbreiten.

Welcher dieser beiden Theorien man auch huldigen mag: Unbestreitbar ist der pflichtfinanzierte öffentliche Rundfunk in eine schwere Legitimationskrise geraten. In der digitalisierten Welt ist das traditionelle Rundfunkempfangsgerät ebenso entbehrlich geworden wie die Postkutsche oder die Telefonzelle. Und mit der technischen Allgegenwart von schier endlosen Informationsmöglichkeiten steht die Frage im Raum, wozu es eines behördlichen Nachrichtenzwischenhändlers überhaupt noch bedarf.

Die faktischen und rechtlichen Angriffe auf die Rundfunkanstalten sind daher inzwischen wohl auch unzählbar. Ein Millionenheer von beitragszahlungsverpflichteten Bürgern leistet den monatlichen Informationstribut schon nicht mehr freiwillig und nötigt die Anstaltsbetreiber damit zur zwangsweisen Beitreibung mittels staatlicher Vollstreckungsorgane. Hilfesuchend wenden sich Bürger daher an Gerichte, um die von ihnen als illegitim empfundene Zwangsfinanzierung des behördlichen Rundfunkprogramms einstellen zu können.

Die Justiz an der Seite der Sendeanstalten

Bislang hat es die Justiz quer durch alle Gerichtszweige und Instanzen verstanden, das etablierte Sendesystem der Öffentlich-Rechtlichen tapfer zu verteidigen. Obschon mit einer Unzahl guter und bester juristischer Kritik konfrontiert, stellten sich die Richter felsenfest vor die Sendeanstalten. Alles, so der Tenor, habe schon irgendwie seine rechtliche – und insbesondere verfassungssystematische – Ordnung. Zwar fußt die gesamte Legitimierung des Konstrukts in ihrem Kern nur auf der einen zentralen Säule, die Informationsversorgung der Bevölkerung kraft bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur für wesentlich und geboten zu halten.

Die historisch ursprüngliche Prämisse, nur staatliche Gewalt könne das demokratisch nötige Nachrichtenwissen sicher bis in das letzte Dorf hinter dem Wald transportieren, ist jedoch – Hand auf’s Herz! – eher brüchig. Und insbesondere die Interpretation des Begriffs von der „Grundversorgung“ als einer Versorgung auch mit kleinteiligsten Spartenprogrammen für jedes ästhetische Mikrobiotop droht auf Dauer die Seriosität des Interpreten selbst zu beschädigen.

In diesem Kontext konnte schließlich nicht mehr wundern, dass der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht Martin Pagenkopf seine ehemaligen Kollegen wegen deren Revisionsurteils vom 18. März 2016, mit dem auch sie das System noch einmal mit Ach und Krach rundum gutgeheißen hatten, öffentlich schwerstens kritisierte. Seine scharfen Einwendungen, die hier zu wiederholen der Platz nicht reicht, dürften wohl bewirkt haben, dass die Urteilsverfasser von Leipzig sich bis heute nicht wieder in die Cafeteria des Hauses gewagt haben. Jüngsten Meldungen zufolge setzen sich nun aber sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesverfassungsgericht selbst in Bewegung, um den Korrekturbedarf zu prüfen. Es kommt Bewegung in die Sache. Wenigstens drei Aspekte der Diskussion sollte jeder Beitragszahler kennen:

1. Behördenstatus

Erstens hat ein Richter am Landgericht Tübingen in jüngerer Zeit mit erheblichem argumentativem Aufwand die Frage erörtert, ob denn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst überhaupt noch „Behörden“ im traditionell verstandenen, verwaltungsrechtlichen Sinne seien. Machen Behörden Werbung? Bezahlen Behörden ihren Chefs Honorare, die oberhalb der Vergütungsgrenzen des Bundeskanzlers liegen? Verlosen Behörden Konzertkarten? Verschenken Behörden Stofftiere? Haben Behörden Umsatzsteueridentifikationsnummern?

Bislang sind der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof und auch der Bundesgerichtshof diesen Erwägungen aus Tübingen noch entgegengetreten. Doch der Richter am Neckar gibt keine Ruhe und fragt inzwischen weiter: Sind die kraft Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vereinnahmten Gelder am Ende gar unzulässige Subventionen im europarechtlichen Sinne? Nun hat er seine Akte dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, damit dieser sich damit befasse. Warten wir, was kommt!

2. Bargeldzahlung

Zweitens stellt der Wirtschaftsjournalist Dr. Norbert Häring den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag auf einen weiteren rechtlichen Prüfstand: Die vertragsschließenden Bundesländer haben ihre Rundfunkanstalten qua Landesrecht ermächtigt, die Beitragserhebung selbst durch Haussatzung zu regeln. In diese Satzungen haben sich die Anstalten dann das „verwaltungsvereinfachende“ Privileg geschrieben, Beträge nicht in bar, sondern nur per Bankverkehr vereinnahmen zu müssen. Das verstößt aber sowohl gegen das bundesdeutsche als auch gegen das Geldrecht der Europäischen Union.

„Gesetzliches Zahlungsmittel“ ist danach ausschließlich Bargeld, nicht aber überwiesenes Giralgeld. In jenem Rechtsstreit von Norbert Häring hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main im vergangenen Jahr ein bemerkenswertes Urteil verkündet, in dem es die Gelddefinition des Bundesbankgesetzes mit der riskanten Interpretationsmethode der „teleologischen Reduktion“ in ihr glattes Gegenteil umdeutete. Die Berufung hiergegen ist inzwischen bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig.
Das Bezahlen mit Bargeld wird abgeschafft

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, der mit dem Verfasser dieser Zeilen hier identisch ist, sieht der dortigen Rechtserkenntnis mit Spannung entgegen. Denn die Gerichte werden in jenem Verfahren auch die vielleicht noch weit schwerer wiegende Frage zu beantworten haben, ob ein EU-Mitgliedstaat seinen Bürgern das Bezahlen mit Bargeld überhaupt verbieten kann. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat kürzlich argumentiert, zwar sei in der Regel tatsächlich nur Bargeld das wirkliche gesetzliche Zahlungsmittel, für den „Massenverkehr“ des Bezahlens müsse jedoch etwas anderes gelten. Wo allerdings eine solche „Masse“ beginne, definierte der Senat nicht, was die Schlagkraft seines Gedankens erkennbar deutlich einschränkt: Du sollst nicht töten, es sei denn, es sind zu viele?

3. Gebühr oder Beitrag?

Drittens schließlich wird man sich juristisch auch noch mit diesem Gedanken zu befassen haben: Ursprünglich war die Finanzierung des Rundfunks eine Sache der Gebühr, heute ist sie eine des Beitrags. Hinter diesem Unterschied steckt weit mehr als ein nur terminologischer Wandel. Juristen unterscheiden nämlich drei Arten von Abgaben: Steuern, Beiträge und Gebühren. Während der Bürger Steuern zahlen muß, ohne irgendeinen Anspruch auf konkrete Gegenleistungen dafür zu erwerben, gilt die Gebühr als Preis für eine spezifische Leistung. Wer keinen Reisepass will, der muß auch keine Passgebühr entrichten. Der Beitrag indes ist ein „Mittelding“ zwischen Steuer und Gebühr.

Beiträge zahlt man nicht für eine tatsächliche Leistung, sondern schon für die bloße Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme. Wer also Rentenbeiträge zahlen muß, der kann sich nicht mit dem Argument aus der Zahlungspflicht befreien, er werde vielleicht sterben, bevor er Rentner wird. Genau darin lag auch der Clou für die Umstellung der Gebühr an die alte „GEZ“ zu einem Beitrag an den neuen „Beitragsservice“: Der Haushaltsinhaber hat ja die Möglichkeit, fernzusehen und Radio zu hören. Ob er es tatsächlich macht, ist seine Entscheidung…

Was an dieser Stelle für die Rundfunkanstalt vorteilhaft ist, kann sich aber zu einer ganz wesentlichen Strukturänderung auswachsen. Denn dort, wo der Bundesbürger Beiträge zahlt, da ist er auch zur Partizipation an der Verwaltung befugt. Krankenkassenbeitragszahler wählen ihren Verwaltungsrat und Kammermitglieder wählen ihre Kammervorstände. Kurz: Mit dem Ende der Rundfunkgebühr ist das Ende der Rundfunkräte, wie wir sie kannten, eingeläutet. Die Rechtsanalogie erfordert, dass die Beitragszahler künftig jedenfalls auch ihre Rundfunkräte und, je nach gesetzlicher Ausgestaltung, vielleicht auch ihre Rundfunkintendanten selber wählen können müssen. Warten wir, was kommt!

Erstmals erschienen bei Achse des Guten.

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