Sunday , December 22 2024
Home / Ökonomenstimme / Die Schweizer und ihr Bargeld im Lichte der neuen 200-Franken-Note

Die Schweizer und ihr Bargeld im Lichte der neuen 200-Franken-Note

Summary:
Die Beziehung der Schweizerinnen und Schweizer zu ihrem Bargeld ist einzigartig. Der Schweizer Franken geniesst Kultstatus. Über die Euphorie für die neue 200-Franken-Note und die Bedeutung von Bargeld in der Schweiz. Bereits eine Woche vor der eigentlichen Lancierung der neuen 200-Franken-Note hat die Nationalbank in einer ausgiebigen Medienkonferenz die vierte Note der jüngsten Serie der Öffentlichkeit vorgestellt.[ 1 ] Das mediale Interesse war riesig: Das neue Design, das neue Format und die neusten Sicherheitsmerkmale standen dabei besonders im Fokus der Berichterstattung. Zusätzlich wurde prominent darauf hingewiesen, bei welchen Instituten die neue Banknote am 22. August 2018 bezogen werden kann. Warum wird in der Schweiz jedes Mal die Lancierung einer neuen Banknote mit

Topics:
Tobias Trütsch considers the following as important:

This could be interesting, too:

Dirk Niepelt writes “Report by the Parliamentary Investigation Committee on the Conduct of the Authorities in the Context of the Emergency Takeover of Credit Suisse”

Investec writes Federal parliament approves abolition of imputed rent

investrends.ch writes Novo Nordisk Studie bringt Absturz

Urs Birchler writes Der “Regulatorische Filter”: Das Filetstück des PUK-Berichts:

Die Beziehung der Schweizerinnen und Schweizer zu ihrem Bargeld ist einzigartig. Der Schweizer Franken geniesst Kultstatus. Über die Euphorie für die neue 200-Franken-Note und die Bedeutung von Bargeld in der Schweiz.

Bereits eine Woche vor der eigentlichen Lancierung der neuen 200-Franken-Note hat die Nationalbank in einer ausgiebigen Medienkonferenz die vierte Note der jüngsten Serie der Öffentlichkeit vorgestellt.[ 1 ] Das mediale Interesse war riesig: Das neue Design, das neue Format und die neusten Sicherheitsmerkmale standen dabei besonders im Fokus der Berichterstattung. Zusätzlich wurde prominent darauf hingewiesen, bei welchen Instituten die neue Banknote am 22. August 2018 bezogen werden kann. Warum wird in der Schweiz jedes Mal die Lancierung einer neuen Banknote mit so viel Euphorie und Vorfreude begleitet, zumal es sich doch eigentlich nur um ein Mittel zum Zweck handelt?

Hoher Bargeldanteil in der Schweiz

Die Beziehung der Schweizer zu ihrem Bargeld ist einzigartig. Noch heute machen Barzahlungen in der Schweiz trotz alternativen Zahlungsmitteln wie Kredit- und Debitkarten gemäss SNB (2018) wertmässig fast die Hälfte des Umsatzes an Verkaufspunkten aus. 70 Prozent der Transaktionen werden hierzulande bar abgewickelt. Das sind Höchststände verglichen mit anderen westlichen Volkswirtschaften. Es gibt zudem auf der Welt keine wertmässig grössere Note als den 1000-Franken-Schein, die Fälschungssicherheit der Noten gehört vergleichsweise zu den höchsten und die Werthaltung des Schweizer Frankens ist äusserst beständig. Insgesamt geniesst der Schweizer Franken bzw. das Bargeld Kultstatus.

Bargeld ist das letzte verbleibende Zahlungsmittel, das den Wert in physischer Form überträgt, daher ist es greifbar und sichtbar. Diese hohe Transparenz wird von vielen Konsumenten geschätzt, da sie die Budget- und Ausgabenkontrolle stark erleichtert. Zudem sind Bargeldzahlungen direkt an den Konsum geknüpft, was den „Schmerz des Bezahlens“ erhöht und damit das extensive und impulsive Kaufverhalten mindert. Mit Bargeld sind auch viele positive Emotionen verbunden, welche durch historisch bedingte kognitive Assoziationen im Lauf der Zeit hervorgerufen wurden, und damit den Gebrauch von Bargeld fördern. Der Einsatz von Bargeld basiert daher vielfach auf Gewohnheiten und Automatismen. Die Anonymität von Bargeld wirkt dabei noch unterstützend.

Daneben ist die hohe Beliebtheit von Bargeld in der Schweiz damit zu erklären, dass es noch keine flächendeckende Akzeptanz von Bankkarten gibt und Bargeld damit das einzige gesetzliche Zahlungsmittel bleibt. Um die ungemütliche Situation zu vermeiden, bei einem Kauf weder auf Bankkarten noch auf zu wenig Bargeld im Portemonnaie zurück greifen zu müssen, führen viele Konsumenten als Vorsichtsmassnahme sehr hohe Bargeldbestände mit sich. Aus ihrer Optik ist die Nutzung von Bargeld - verglichen mit bspw. Bankkarten - gratis, was zu erhöhtem Gebrauch führt, obwohl aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive Bargeld hohe soziale Kosten verursacht (z.B. durch Druck, Vertrieb, Lagerung etc.).

Unsere Untersuchung zeigt (vgl. Gehring et. al., 2018), dass mit abnehmenden Zahlungsbetrag vermehrt mit Bargeld gezahlt wird, wo es bei Kleinstbeträgen sogar am kosteneffizientesten ist. Über 70 Prozent der Bartransaktionen entfällt auf Kleinbeträge bis 20 Fr. (80 Prozent bis 5 Fr.). Mit anderen Worten beträgt der durchschnittliche Kaufbetrag mit Bargeld rund 20 Fr. (Median 10 Fr.), denn vielfach werden verderbliche alltägliche statt langlebige Produkte mit Bargeld bezahlt, wovon erstere den Nutzen direkt an den Kauf knüpfen. Die 10- und 20-Franken-Note tragen einen wesentlichen Beitrag bei zur effizienten Kaufabwicklung im Kleinbetragsbereich, wo die meisten Transaktionen am Verkaufspunkt angesiedelt sind, obwohl sie vielfach jedoch nur als Wechselgeld dienen. Bei Beträgen über 500 Fr. nimmt die Relevanz von Bargeld am stationären Verkaufspunkt mit einem Anteil von 40 Prozent wieder zu. Hier zeigt sich u.a. auch das Bedürfnis nach Noten mit hohem Nennwert wie die 200- und 1000-Franken-Note.

Nur gerade 2 Prozent der Schweizer Bevölkerung gibt an, kein Bargeld mit sich zu führen (vgl. Gehring et. al., 2018). Normalerweise führt ein durchschnittlicher Schweizer zwischen 20 Fr. und 120 Fr. (Median) in seinem Portemonnaie und bewahrt bis zu 100 Fr. (Median) zu Hause in bar auf. Rund 3 Prozent der Befragten hatten mindestens eine 200-Franken-Note aktuell in ihrem Portemonnaie, während jedoch rund 24 Prozent mindestens eine 100er-Note und lediglich 0,2 Prozent einen 1000-Franken-Schein im Portemonnaie hatten. Die 200er-Note wird folglich nicht nur als Wert-, sondern vielfach auch als Zahlungsmittel genutzt (im Gegensatz vor allem zur 1000er-Note). Mit einem Anteil von 12,4 Prozent an der gesamten Stückzahl des Notenumlaufs stand sie Ende 2017 mengenmässig an der zweitletzten Stelle vor der 1000er-Note mit 10,5 Prozent. Offensichtlich ist die Nachfrage nach 200-Franken-Noten für den alltäglichen Gebrauch nicht derart ausgeprägt wie bei den tieferen Stückelungen.

eine 200-Franken-Note bleibt eher im Gedächtnis

Personen, welche viele Noten mit kleinem Nennwert (z.B. 20-mal eine 10er Note) halten, geben häufig mehr aus als wenn sie eine Note mit grossem Nennwert und gleichem Betrag (z.B. einmal eine 200er Note) besitzen (Raghubir und Srivastava, 2009). Dies weil grössere Noten mental weniger leicht austauschbar sind als kleinere: Der Besitz einer 200er Note vergisst man weniger schnell als derjenige einer 10er Note. Ausserdem werden kleinere Beträge stets in Banknoten bevorzugt als ein etwas grösserer Betrag in Münzen (Vandoros, 2013). Die 10-Franken-Note als kleinste Stückelung bietet akkurat an der Schwelle zum Fünfliber deshalb die grössten Vorteile.

Bargeld ist folglich nicht nur Mittel zum Zweck, sondern vielfach mit emotionalen Aspekten verbunden, die über den alleinigen Austausch von Gütern und Dienstleistungen hinausgehen, sei es beispielsweise aufgrund der Identifikation mit der "vielseitigen Schweiz", sei es aufgrund eines innovativen Produkts und Kunstobjekts oder sei es aufgrund der Möglichkeit der Wertaufbewahrung. Bargeld bietet einen Hauch von Freiheit, innerhalb der Schweiz unabhängig zu sein. Die Lancierung der letzten verbleibenden zwei Notenwerte (1000- und 100-Franken-Note) der neuen Serie wird deshalb wieder ähnlich hohe Wellen schlagen.

Gehring, B., Graf, S. und Trütsch, T. (2018): Swiss Payment Monitor 2018, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften/Universität St. Gallen.

Raghubir, P., and Srivastava, J. (2008): Monopoly money: the effect of payment coupling and form on spending behavior, Journal of Experimental Psychology, 14(3), 213–225.

SNB (2018): Zahlungsmittelumfrage 2017, Zürich.

Vandoros, S. (2013): My five pounds are not as good as yours, so I will spend them, Experimental Economics, 16(4), 546-559.


©KOF ETH Zürich, 17. Aug. 2018

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *