Joseph Amato, Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman Es besteht kein Zweifel: Die weltweite Rezession hat begonnen, nachdem Europa und ein Grossteil der USA zum Stillstand gekommen sind, meint Joseph Amato von Neuberger Berman. Er spricht der Politik aber ein Kompliment für ihr rasches Handeln aus.Die Krise trifft überproportional kleine Unternehmen, Arbeitsplätze werden wegfallen und das US-Bruttoinlandsprodukt könnte im zweiten Quartal um 10% einbrechen – das wäre nur geringfügig weniger als 1932, bei dem bisher schlimmsten Einbruch um damals 13%. "Anders als 2008 braucht man kein Detailwissen über die Funktionsweise des Bankensystems, um zu verstehen, was gerade passiert", sagt Joseph Amato, Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman. "Wir nehmen
Topics:
investrends.ch considers the following as important: coronavirus, Neuberger Berman, Opinion
This could be interesting, too:
investrends.ch writes «Euphorie nach der Wahl, Ernüchterung im neuen Jahr?»
investrends.ch writes «Vorsicht bei Anleihenkäufen nach dem Kursrutsch»
investrends.ch writes CLOs werden zum Mainstream
investrends.ch writes «Balance halten, Hindernisse überwinden»
Es besteht kein Zweifel: Die weltweite Rezession hat begonnen, nachdem Europa und ein Grossteil der USA zum Stillstand gekommen sind, meint Joseph Amato von Neuberger Berman. Er spricht der Politik aber ein Kompliment für ihr rasches Handeln aus.
Die Krise trifft überproportional kleine Unternehmen, Arbeitsplätze werden wegfallen und das US-Bruttoinlandsprodukt könnte im zweiten Quartal um 10% einbrechen – das wäre nur geringfügig weniger als 1932, bei dem bisher schlimmsten Einbruch um damals 13%. "Anders als 2008 braucht man kein Detailwissen über die Funktionsweise des Bankensystems, um zu verstehen, was gerade passiert", sagt Joseph Amato, Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman. "Wir nehmen Zuflucht in unseren Wohnungen, niemand geht irgendwohin. Wenig wird produziert, wenig gekauft." Der Versuch durch soziale Distanzierung und Selbstisolation den Anstieg der COVID-19-Erkrankungen zu verlangsamen und zeitlich zu strecken, rettet Leben und bewirkt hoffentlich, dass die Gesundheitssysteme nicht zusammenbrechen. "Aber all das hat seinen Preis: Die Wirtschaft wird damit länger und stärker geschwächt", so Amato.
Ein Teil des Nachfrageausfalls der nächsten Monate wird wieder ausgeglichen, aber eben nur ein Teil. Wenn man jetzt kein neues Auto kauft, wird man es wohl irgendwann nachholen. Aber wenn man auf einen Restaurantbesuch verzichten muss, wird man beim nächsten Mal nicht doppelt so viel essen. Die Rezession wird viele Arbeitsplätze kosten und vor allem kleine Unternehmen werden überproportional leiden. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird vermutlich so stark einbrechen wie noch nie zuvor, erwartet Amato. Aber für wie lange?
Der aktuelle Nachfrageschock wirft laut Amato eine brutale Frage auf, die fast jeden betrifft: "Haben Sie genug Geld, um in den nächsten drei Monaten Ihre Rechnungen zu bezahlen?" Weltweit gibt es viele kleine und mittelgrosse Unternehmen, die dies nicht von sich sagen können – egal, wie vorausschauend sie wirtschaften. Grosse multinationale Konzerne können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen und sie vier Monate später wiedereinstellen. Wenn aber Firmen mit nur 50 oder 100 Beschäftigten untergehen, kann es Jahre dauern, diese neu aufzubauen und die Arbeitsplätze zurückzugewinnen.
Das Drehbuch von 2008 – und Whatever it takes
Letzte Woche haben Regierungen und Notenbanken den Ernst der Lage erkannt. Ihnen wurde klar, dass man Unternehmen und Privathaushalte mit Finanzspritzen retten muss. Die Geldpolitik reagierte entschlossen: Die Fed hat die Zinsen auf null gesenkt und ihr Drehbuch von 2008 wieder hervorgeholt. Weltweit wurde durch eine Lockerung der Swap-Linien zusätzliche Dollar-Liquidität zur Verfügung gestellt, ein 700 Mrd. US-Dollar schweres Quantitative-Easing-Programm soll Geldmarktfonds mit Liquidität versorgen und eine Commercial Paper Funding Facility (CPFF) soll kurzfristige Finanzierungsprobleme von Unternehmen gezielt angehen. Die Bank of England griff zu ähnlichen Massnahmen, ergänzt um Zinssenkungen und zusätzliche Wertpapierkäufe. Die japanische Notenbank verdoppelte ihr diesjähriges Aktienkaufziel, ergänzt um ein neues Kreditprogramm für Unternehmen mit einem Zins von null.
Nach anfänglichem Zögern und nicht immer klarer Kommunikation wurde dann auch die Europäische Zentralbank wach. Ihr Wertpapierkaufprogramm – 750 Mrd. Euro Volumen schwer, verteilt auf Titel staatlicher und privater Emittenten – bietet maximale Flexibilität. Ausserdem sollen im Rahmen der schon existierenden Programme sogenannte Commercial Papers, also Firmenanleihen mit guter Kreditqualität, gekauft werden.
Bei der Fiskalpolitik stehen die Zeichen auf Helikoptergeld. Die USA dürften bedürftigen Privatpersonen jeweils 1'200 US-Dollar in Form von Steuervergünstigungen zukommen lassen. Japan hat so etwas bereits in der Finanzkrise getan und erwägt zurzeit eine Neuauflage. Deutschland will nicht nur die verfassungsmässige Schuldengrenze aufheben, um ein Hilfsprogramm zu ermöglichen, sondern drängt auch die Finanzminister des Euroraums zur Emission gemeinsamer Anleihen – ein enormer Schritt. Die Titel würden dann vermutlich von der EZB gekauft.
All dies kommt mit einem enormen Tempo, wie die Epidemie selbst. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2008/2009 hat die Fed erst im Dezember 2008 die Zinsen auf null gesenkt. Zwar gab es in den letzten Monaten 2008 einige konkrete Massnahmen wie das Rettungspaket für Banken. Bis zum grossen amerikanischen Konjunkturprogramm und dem G20-Treffen mit dem Beschluss eines weltweit koordinierten Vorgehens musste man aber bis April 2009 warten – ganze sieben Monate nach dem Höhepunkt der Krise. "Chapeau für die Politik", betont Amato.
Die Krise einordnen
Noch lässt sich schwer sagen, ob dies reicht, um den Börsencrash zu stoppen. Das Hauen und Stechen um Liquidität macht alle leicht handelbaren Finanzinstrumente anfällig. Selbst bei US-Staatsanleihen und Geldmarktfonds gab es Probleme. "Wenn die kurzfristige Panik vorbei ist, werden wir sehen, ob die Unternehmensgewinne gegenüber dem Vorjahr eher um 20 oder vielleicht doch um 40% einbrechen werden. Zurzeit scheuen viele Unternehmen eine Prognose – denn noch wissen wir nicht, wann die Neuinfektionen wieder zurückgehen und was das alles für die Unternehmen bedeutet", sagt der Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman und fügt an: "Die Erfahrungen aus anderen Ländern sprechen dafür, dass wir den Höhepunkt in weiten Teilen der USA vielleicht in 45 bis 60 Tagen erleben. Nur dann wird wirklich klar sein, ob genug getan wurde, um Unternehmen und Konsum am Laufen zu halten. Bis dahin könnten Aktien wie Credits durchaus noch einmal einbrechen."
Neuberger Berman geht davon aus, dass das US-BIP im zweiten Quartal annualisiert um 10% einbrechen könnte, wenn nicht mehr. Das wäre nur geringfügig weniger als 1932, bei dem bisher schlimmsten Einbruch um damals 13%. Danach halten die Experten aber auch eine kräftige Erholung für denkbar. Wem nach guten Nachrichten ist, der könnte nach China schauen. Die Kapazitätsauslastung der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt wird schon jetzt wieder auf etwa 80% geschätzt.
"Sollte man also risikobehaftete Wertpapiere kaufen, wenn sich die Märkte etwas stabilisieren? Nach einem Kursrutsch dieser Grössenordnung halten wir das für verfrüht. Wir glauben nicht, dass man so bald etwas verpasst. Zunächst einmal könnte man schrittweise in krisenfestere Marktsegmente umschichten, etwa in amerikanische Large Caps und Investmentgrade-Credits. Bis dahin muss man den Aktien- und Anleihemärkten Zeit geben, bis die Kosten der Krise klarer abzusehen sind. Die nächsten Monate, wenn nicht Quartale, können lang werden. Aber am Ende werden wir die Krise überstehen", sagt Amato.