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Die Pariser Terrorangriffe als potenzieller Weckruf

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Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT. Die Anschläge des «IS» gegen Frankreich haben Bewegung in die Geopolitik gebracht. Eine strategische Einigung im Kampf gegen den Terror scheint näher zu rücken. Die Marktreaktionen lassen jedenfalls diese positive Interpretation zu. Die Terroranschläge in Paris vom letzten Freitag stellen nicht nur eine menschliche Tragödie dar, sondern auch eine Herausforderung für alle offenen, rechtsstaatlichen Gesellschaften, von denen gut funktionierende Märkte letztlich abhängen. Sie verdienen daher unsere Aufmerksamkeit. Wir sollten aber auch beachten, dass die Pariser Massenmorde nur das jüngste Beispiel in einer ganzen Reihe vergleichbarer Terroranschläge ausserhalb Syriens und des Irak darstellen, die mit dem IS in Verbindung gebracht wurden – wie die wenige Tage davor verübten Selbstmordattentate in Beirut und möglicherweise auch die Sprengung eines russischen Passagierflugzeugs über der Sinai-Halbinsel am 31. Oktober. Diese Ereignisse haben weniger Aufmerksamkeit erregt, was aus wirtschaftlich rationaler Sicht durchaus Sinn macht: Im Falle Frankreichs könnte nämlich theoretisch weit mehr auf dem Spiel stehen.

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Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT.

Die Anschläge des «IS» gegen Frankreich haben Bewegung in die Geopolitik gebracht. Eine strategische Einigung im Kampf gegen den Terror scheint näher zu rücken. Die Marktreaktionen lassen jedenfalls diese positive Interpretation zu.

Die Terroranschläge in Paris vom letzten Freitag stellen nicht nur eine menschliche Tragödie dar, sondern auch eine Herausforderung für alle offenen, rechtsstaatlichen Gesellschaften, von denen gut funktionierende Märkte letztlich abhängen. Sie verdienen daher unsere Aufmerksamkeit. Wir sollten aber auch beachten, dass die Pariser Massenmorde nur das jüngste Beispiel in einer ganzen Reihe vergleichbarer Terroranschläge ausserhalb Syriens und des Irak darstellen, die mit dem IS in Verbindung gebracht wurden – wie die wenige Tage davor verübten Selbstmordattentate in Beirut und möglicherweise auch die Sprengung eines russischen Passagierflugzeugs über der Sinai-Halbinsel am 31. Oktober. Diese Ereignisse haben weniger Aufmerksamkeit erregt, was aus wirtschaftlich rationaler Sicht durchaus Sinn macht: Im Falle Frankreichs könnte nämlich theoretisch weit mehr auf dem Spiel stehen.

Angriffe auf Frankreich setzen potenziell eine Menge aufs Spiel
Frankreich ist natürlich eine bedeutende europäische Militärmacht, ein Schwergewicht im Atlantikpakt Nato und in der Europäischen Union – dem grössten hochintegrierten Wirtschaftsblock der Welt. Würde es Terroristen gelingen, Frankreich innenpolitisch zu spalten, dann wäre es auch denkbar, dass ein Keil zwischen Frankreich und Deutschland getrieben werden kann. Damit wäre auch die Zukunft der europäischen Integration in Frage gestellt, was natürlich einen grossen Einfluss auf die Weltwirtschaft hätte.

Sollten beispielsweise die jüngsten Ereignisse Frankreich politisch in das euroskeptische Lager treiben, dann müssten Investoren auch die Perspektiven der Eurozone erneut überprüfen. Deshalb verdienen die Pariser Attacken erhöhte Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist genau deswegen bemerkenswert, dass die Finanzmärkte bisher kaum bis eher positiv auf die Ereignisse reagiert haben: Aktien haben weiter weltweit Gewinne verbucht, während die typischen «sicheren Häfen» in Zeiten erhöhter globaler Unsicherheit – wie der Franken, der Yen, US-Staatsanleihen oder Gold  – sich kaum bewegt haben bzw. zum Teil sogar schwächer tendierten.

Verstärkte internationale Zusammenarbeit in der Syrien-Frage
Zum Glück scheinen die Märkte also eher konstruktive Entwicklungen vorwegzunehmen. Und vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse seit den Pariser Anschlägen könnten sie auch Recht behalten. Frankreichs Reaktion auf die Terror-Attacken war angemessen entschlossen, und die europäische Solidarität wurde gestärkt. Alle EU-Staaten haben auf Ansuchen Frankreichs im Rahmen des Bündnisfalls gemäss des Vertrages von Lissabon Beistand zugesagt. Die internationalen Syrien-Gespräche in Wien und der G20-Gipfel in Antalya scheinen zudem auch Fortschritte in der Beziehung zwischen den USA und Russland gebracht zu haben. Frankreich strebt in dieser Frage offenbar ein Zweckbündnis mit Russland an. Eine Entspannung zwischen der Nato und Russland könnte schliesslich auch zu Durchbrüchen in anderen Streitfragen führen (Stichwort Ukraine). So scheint es im Moment wahrscheinlich, dass alle relevanten Mächte zumindest im Kampf gegen den IS und ähnlichen Terrorgruppen näher rücken. Mittelfristig könnte das auch die Chancen einer Beendigung des Krieges in Syrien und Teilen des Irak verbessern.

Das dauerhafte strukturelle Problem des globalen Terrorismus wäre damit natürlich leider nicht aus der Welt geschafft. Die letzten Jahre haben jedoch erneut gezeigt, dass Gesellschaften und Märkte in der Lage sind, mit einem gewissen Mass an Unsicherheit und Terror leben zu können. Die Finanzmärkte scheinen jedenfalls grundsätzlich eine minimalistische Sicht der Dinge zu haben: Solange sich die geopolitische Konsequenz der Paris-Attacken nicht als eine erweist, die alles noch schlimmer macht, dürften sie von einer positiven Entwicklung ausgehen.

Marktvolatilität nach Paris-Angriffen nicht gestiegen
Die Finanzmärkte haben auf die schlechten Nachrichten aus Paris positiv reagiert. Der S&P 500, SMI und EuroStoxx sind seit dem Ereignis um 1,4%, 2,3% und 2,6% gestiegen. Der Nikkei 225 notiert heute 1,1% höher als am Tag der Anschläge. Unter den grossen Schwellenländern notiert Chinas CSI 300 zwar geringfügig tiefer, doch die Barometer für Brasilien, Indien und Russland sind klar gestiegen – um 1,2%, 2,2% bzw. 6,6% in US-Dollar gemessen (siehe PDF, Seite 2).

Diese Reaktion bestätigt einmal mehr, dass die jüngste Phase der Marktvolatilität nur eine weitere Korrektur innerhalb einer etwas gealterten, aber im Grunde intakten Aktienhausse darstellte. Die Tatsache, dass die Angriffe nicht sofort zu erhöhter Volatilität führten, signalisiert auch, dass die Korrektur, die im August begann, bereits abgeschlossen ist. Es bedarf inzwischen offenbar noch grösserer negativer Schocks, um die Märkte wieder zu entgleisen.

Die Finanzmärkte haben im Laufe der letzten Wochen also nicht nur gelernt, die Tatsache zu akzeptieren, dass die US-Notenbank wahrscheinlich im nächsten Monat die Leitzinsen erhöhen wird. Sie scheinen inzwischen auch immun gegen negative externe Nachrichten zu sein. Das zugrunde liegende Vertrauen der Anleger wirkt also recht robust. So ist beispielsweise der S&P-Volatilitätsindex für den US-Aktienmarkt, der die vom Markt implizite Unsicherheit darstellt, seit vergangenem Freitag sogar leicht gesunken, von rund 20 auf 18 bis 19 Punkte (siehe PDF, Seite 2).

Europäische Erholung dürfte leichten Schock überstehen können
In wirtschaftlicher Hinsicht kommen die Angriffe zu einer Zeit, in der sich die Eurozone langsam aber stetig auf breiter Basis von den negativen Auswirkungen der Eurokrise erholt. Die jüngste Schätzung für das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts des Euroraums im dritten Quartal 2015 wurde am Tag der Pariser Anschläge veröffentlicht. Wie die nachfolgende Grafik zeigt, nimmt die jährliche Wachstumsrate der Region von niedrigem Niveau ausgehend weiter bescheiden zu. Die im Laufe der Zeit gestiegene Bereitschaft der Europäischen Zentralbank, zunehmend monetäre Unterstützung zu bieten, wirkt (siehe PDF, Seite 2).

Solange die psychologischen Nachbeben der Anschläge auf die Konjunkturstimmung und die Finanzmärkte begrenzt bleiben, kann davon ausgegangen werden, dass diese Erholung weiter anhalten wird. Diese Annahme beruht auch auf der Tatsache, dass die EZB weiterhin bereit steht, wenn nötig unterstützend einzugreifen. Zudem könnten die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Situation im Nahen Osten, einschliesslich der Flüchtlingskrise, am Ende die europäische Integration doch weiter vorantreiben.

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Autor: jog
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