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Geldpolitik und die Natur

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Urs Birchler „Machen Sie Fugen, sonst macht sie die Natur“, sagen die Bauingenieure. “Erhöhen Sie die Zinsen, sonst erhöht sie die Natur“, möchte man den Notenbanken raten. Es scheint nämlich fast, als hätten die Notenbanken vergessen, dass sie die Zinssätze auf längere Sicht gar nicht kontrollieren können. Es gilt nämlich: Nominalzins = Realzins + Erwartete Inflationsrate Nominalzins < Erwartete Inflationsrate = negativer Realzins Die erste Zeile bedeutet, dass sich die Anleger(innen) für erwartete Inflation entschädigen lassen. Die zweite Zeile bedeutet, dass eine Geldpolitik, die den Nominalzinssatz unter der Inflationsrate hält, expansiv, d.h. inflationär wirkt. Zusammengefasst: Ein zu tiefer Nominalzinssatz schafft sich von selbst ab, indem er die erwartete

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Urs Birchler

„Machen Sie Fugen, sonst macht sie die Natur“, sagen die Bauingenieure. “Erhöhen Sie die Zinsen, sonst erhöht sie die Natur“, möchte man den Notenbanken raten. Es scheint nämlich fast, als hätten die Notenbanken vergessen, dass sie die Zinssätze auf längere Sicht gar nicht kontrollieren können.

Es gilt nämlich:

  1. Nominalzins = Realzins + Erwartete Inflationsrate
  2. Nominalzins < Erwartete Inflationsrate = negativer Realzins

Die erste Zeile bedeutet, dass sich die Anleger(innen) für erwartete Inflation entschädigen lassen. Die zweite Zeile bedeutet, dass eine Geldpolitik, die den Nominalzinssatz unter der Inflationsrate hält, expansiv, d.h. inflationär wirkt. Zusammengefasst: Ein zu tiefer Nominalzinssatz schafft sich von selbst ab, indem er die erwartete Inflationsrate (und damit sich selbst) erhöht.

Darum gilt bei zu tiefen Nominalzinsen: Erhöht die Zinsen, sonst erhöht sie die Natur. Diese Aufforderung geht gegenwärtig vor allem an die EZB und das (weniger schwerhörige) amerikanische FED. Aber auch die Schweizerische Nationalbank liegt mit ihrem Negativzins von -0.75 Prozent deutlich unter der erwarteten Inflationsrate, selbst wenn man die optimistischeren Inflationsprognosen verwendet.

Je länger diese expansive Politik anhält, desto höher muss die SNB inskünftig die Zinssätze anheben, um die Inflation wieder in den Griff zu erhalten. Der Anstieg der Zinssätze auf zehnjährigen Laufzeiten um 1,4 Prozentpunkte seit Anfang Jahr zeigt, dass die Natur bereits zu arbeiten beginnt. Wie hoch und wie rasch die Zinssätze in vergangenen ähnlichen Phasen steigen können, habe ich in einem früheren Beitrag in Erinnerung gerufen. Je früher und entschlossener die Zinserhöhung durch die SNB kommt, desto geringer wird sie letztlich ausfallen müssen.

Vielleicht geht das FED heute mit dem guten Beispiel voran. Der EZB-Rat ist gegenwärtig in einer Sondersitzung. Die SNB gibt morgen ihre vierteljährliche Lagebeurteilung bekannt. Sie wird zeigen, ob Prof. Ernst Baltensperger mit seinem ausgezeichneten (und wie immer gentlemanlike verfassten) Artikel in der heutigen NZZ recht hat: Er erwartet, dass die SNB mutig agieren wird. Morgen wäre die Gelegenheit dazu. Das Allermindeste wäre, die Negativzinsphase zu beenden, auch wenn man vielleicht bereits vorbereitete Präsentationsfolien über Nacht nochmals überarbeiten müsste.

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Urs Birchler
Professor für Banking am Institut für Banking und Finance (IBF) an der Universität Zürich. Doktorat in Volkswirtschaftslehre; mehrjährige Tätigkeit als Direktionsmitglied bei der Schweizerischen Nationalbank, einschliesslich Vertretung der SNB im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht; Aufbau und Leitung der Research Task Force des Basler Ausschusses. Forschungsschwerpunkte: Banken, Finanzmärkte, Regulierung, Informationsökonomik.

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