Urs Birchler Als Kinder schrieben wir mit Kreide an die Wände „Wer das liest ist ein Aff“. Der Tages-Anzeiger Online macht seine Leser/innen regelmässig zu Affen mit der bald am Ende jeden Artikels folgenden Frage „Ist dieser Artikel lesenswert?“. Wer zur Frage kommt, hat nämlich den Artikel schon gelesen und die Frage implizit mit Ja beantwortet. Natürlich glaubt die Redaktion zu erfahren, ob sich die Lektüre im nachhinein gesehen gelohnt hat. Da man aber sowohl Ja oder Nein sagen als auch sich der Stimme enthalten kann, scheint die Auswertung knifflig. Was wenn nur einer Ja sagt und sich alle anderen enthalten. Dann haben 100% Ja gesagt, aber niemand scheint durch das Gelesene tief ergriffen. (Die Anzahl Besucher, die einen Artikel angesehen haben, kennt der TA auch ohne Umfrage.)
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Urs Birchler
Als Kinder schrieben wir mit Kreide an die Wände „Wer das liest ist ein Aff“. Der Tages-Anzeiger Online macht seine Leser/innen regelmässig zu Affen mit der bald am Ende jeden Artikels folgenden Frage „Ist dieser Artikel lesenswert?“. Wer zur Frage kommt, hat nämlich den Artikel schon gelesen und die Frage implizit mit Ja beantwortet.
Natürlich glaubt die Redaktion zu erfahren, ob sich die Lektüre im nachhinein gesehen gelohnt hat. Da man aber sowohl Ja oder Nein sagen als auch sich der Stimme enthalten kann, scheint die Auswertung knifflig. Was wenn nur einer Ja sagt und sich alle anderen enthalten. Dann haben 100% Ja gesagt, aber niemand scheint durch das Gelesene tief ergriffen. (Die Anzahl Besucher, die einen Artikel angesehen haben, kennt der TA auch ohne Umfrage.) Zudem: Heisst Nein nicht oft auch: Ich hätte den Artikel lieber nicht gelesen, weil mir die Botschaft nicht gefällt?
Vor allem aber: Was geschieht eigentlich mit den Antworten? Bekommt der/die Autor/in eines als „lesenswert“ bewerteten Artikels einen Bonus oder ein anerkennendes Nicken des Chefredaktors oder der Ressortleiterin? (Wenn nein, weshalb dann die Leser/innen dauernd mit der Frage nerven?) Oder bekomme ich mit der Zeit eine individuelle Online-Ausgabe, die darauf beruht, was ich in der Vergangenheit als lesenswert beurteilte?
Vielleicht hat die Zeitung, die sich sonst durchaus über Populismus, Filterblasen und Datennutzung sorgt, auf diese Fragen eine Antwort. In der Zwischenzeit tun mir jedenfalls die armen Autoren/innen leid, die mit jedem ihrer Texte zittern müssen, ob die Leserschaft den Daumen hebt oder senkt.
Finden Sie diesen Artikel lesenswert? Mit Verlaub, liebe Leserinnen und Leser: Es ist uns egal. Ihnen zuliebe. Bei Batz.ch schreiben wir so, wie wir es für richtig und (manchmal) wichtig halten.
Wer hier schreibt, ist ein Aff.